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Mir wird ganz heiß

Jetzt hat sich der Saxophonspieler wieder an seinem Platz eingefunden mit seinem Freund, dem Gitarrenspieler. Und sie spielen und spielen auch längst Gedachtes. Sie spielen längst Gedachtes in ihre Hüte hinein, die immer voller und voller werden. Sie passen gut hierher, und sollten auch gar nicht weggehen, die sollen einfach hierbleiben und immer und immerfort spielen, spielen und spielen, bis sie so ganz arg müde sind, dass sie nimmer spielen können. Und dann sollen sie immer noch weiter spielen - wenn sie nur wüssten, für wen sie da spielen. Der Saxophonspieler und der Gitarrenspieler.

Wenn sie es nur wüssten, für wen sie längst Gedachtes in ihre Hüte hineinspielen, sie spielen gemünzelte und getönte Töne in ihre Hüte hinein und wippen mit ihren Körpern ganz im Takt der kleinen Wellen, die das Wasser macht – aber sie wissen es nicht, deshalb werden sie auch bald aufhören zu spielen. Weil das Gemünzelte, Gespielte jetzt reicht und die Hüte voll gemünzelter gespielter Münzel sind. Sie sind vollgemünzeltmietet.

Als ich dann so ganz arg müde bin und seit Langem wieder einmal in einem richtig schönen Bett liege, in meinem mir viel zu großen Bett liege, mich so richtig strecke und recke, mich fast nicht mehr spüre, da, ja da fangen die beiden Musiker wieder an zu spielen; das Saxophon mit der Gitarre, die Gitarre mit dem Saxophon, und dann spielen sie dieses mal nur für mich ganz allein. Nur für mich - der Freund und sein Freund. Was für eine Freude.

Dann, ja dann spiele ich einfach mit - ich spiele mit der Mundharmonika einfach mit, auch ich fange jetzt an, mit meinem Körper zu wippen, ganz im Takt der kleinen Wellen, die das Wasser macht da unten. Ich spiele Bratsche und Geige, dann Tuba und Trompete, Harfe und Cello. Was für ein Orchester. Was für Töne, welch’ eine Komposition.

Antonio Vivaldi, Francis Poulenc, John Rutter, ich sitze bei allen dreien, spiele und singe Gloria. Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae volutatis. Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden, Frieden den Menschen, die guten Willens sind.

Ich sitze auf dem grauen Kopfsteinpflaster und schütte mir die gespielten, gemünzelten Dukaten in den Schoß. Nun liegen die Noten auf dem grauen Asphalt unter mir und auf meiner Hose. Ich greife hinein in meinen Schoß und auf den Asphalt und werfe die gegriffenen Töne hoch in die Luft. Mit beiden Händen greife ich in die Töne, greife wie ein Dirigent in das Orchester, ich greife in die Partitur und werfe die Töne mit aller Kraft in die Luft. Was für eine Melodie, was für ein Orchester.

Jetzt greifen alle nach den Münzen und werfen sie in die Luft. Das sind ja alles Dirigenten. Sie greifen nach den Instrumenten und werfen sie in die Luft, sie fliegen hoch und weit, sie drehen und schrauben sich bogenförmig in den lauen Sternen-Nachthimmel hinein. Sie scheinen gar nicht mehr herunterkommen zu wollen, ihr Flug verlangsamt sich jetzt, ihre Drehungen, Schraubungen und Windungen, Wendungen verlangsamen sich zu einem phantastischen Oratorien-Zeitlupenbild der Instrumente, die sich schrauben und winden und drehen und turbeln und taumeln, bis sie auf dem Boden aufschlagen. Was für Töne, was für ein Oratorium. Stockhausen?

Was für Töne das macht. Die Instrumente beginnen von alleine zu spielen und zu spielen und zu spielen, eine gar sonderbare Musik, die das macht, was für ein Orchester, was für ein Oratorium. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen - keiner, der böse guckt oder mürrisch ist. Sie freuen sich und sind in besonderer Stimmung. Was für eine Komposition. Alle lachen, die beiden Freunde, ich und die Gäste, für die sie spielen, ich spendiere für das rumliegende Geld ein paar Flaschen Rotwein, ein Côtes du Rhône, mis en bouteille dans la Propriétaire. Wir trinken miteinander, lachen, feixen und lachen, sind fröhlich und ausgelassen, leicht ist es jetzt, himmelblau, in dunkler, lauer, klarer Sternen-Himmelsnacht.

Jetzt spiele ich ein wenig Saxophon in den lauen, klaren, dunklen Sternenhimmel von Villefranche-sur-Mer. Ich springe auf den Tisch, einfach weil mir danach ist, und spiele und spiele und spiele und sie hören mir zu. Der Gitarrenspieler und der Saxophonspieler, und die anderen Gäste an den Tischen. Ich schließe dabei die Augen, um besser dort sein zu können, wo ich spielen will. Mir wird ganz heiß, so heiß, als hätte ich zu lange in der Sonne gesessen.

Als ich die Augen wieder aufmache, höre ich in der Ferne einen Zug fahren; als ich auf die Uhr sehe, ist es früh am Morgen, so gegen vier - es ist mir jetzt nach einem Glas Wein, einem guten, der guttut, so ein bisschen.

entre dos tierras

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