Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg - Peter H. Wilson - Страница 22
ОглавлениеDer Krieg wurde auf dem südlichen Schauplatz eröffnet, wo der osmanischen Hauptoffensive 1593 einige Erfolge auf Kosten der Kroaten gelangen, bevor der Wintereinbruch Sinan Pascha zum Einhalten zwang. Danach hielten die kroatischen, slowenischen und uskokischen Grenztruppen in ihren jeweiligen Abschnitten wacker stand. Osmanische Vorstöße gegen beide Enden des Plattensees konnten abgewehrt werden, und ab November 1593 unternahmen die Habsburger in diesem Bereich sogar hin und wieder Gegenangriffe, wobei sie die türkische Festung Stuhlweißenburg einzunehmen suchten, die den südwestlichen Zugang nach Buda bewachte. Die nächste osmanische Offensive traf das strategisch so überaus wichtige Mittelungarn, wo ihnen mit der Einnahme von Raab im September 1594 ein großer Erfolg gelang, denn nun konnten sie dessen Schwesterfestung Komorn umgehen und hatten den Weg nach Wien frei gemacht. Die habsburgischen Anstrengungen konzentrierten sich darauf, diesen Verlust rückgängig zu machen oder ihn zumindest anderswo zu kompensieren. Tatsächlich gelang es dem Erzherzog Matthias im darauffolgenden Jahr, den osmanischen Brückenkopf durch die Einnahme von Gran und Visegrád (Plintenburg) zu schwächen. Der Sultan schlug zurück, indem er den Krieg in Richtung Nordosten vorantrug; bei der Einnahme von Erlau 1596 stand er selbst an der Spitze seiner Truppen. Im Oktober desselben Jahres siegten die Türken bei Mezőkeresztes in der einzigen großen Feldschlacht des Krieges über ein habsburgisch-siebenbürgisches Entsatzheer. Nun richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit des Sultans auf die drei Fürstentümer Siebenbürgen, Walachei und Moldau, die sich gegen ihn erhoben hatten, indem sie auf der Seite Habsburgs in den Krieg eingetreten waren.
Intervention in Siebenbürgen Die Strategen des Kaisers sahen in der siebenbürgischen Allianz ein probates Mittel zur Ausweitung des habsburgischen Machtbereichs; letztlich strebten sie sogar die Rückführung Siebenbürgens unter ungarische Herrschaft an. Der Augenblick schien günstig, da der regierende Fürst, Sigismund Báthory, eine habsburgische Machtübernahme allem Anschein nach begrüßte. Unter Sigismunds Vorgänger war der polnische Einfluss auf Siebenbürgen stark gewesen, doch das änderte sich nun durch die Bündelung der polnischen Aufmerksamkeit in dem neuen Konflikt mit Schweden (siehe Kapitel 6). Kaiserliche Truppen eroberten 1598 Raab zurück, was die entscheidende mittelungarische Front stabilisierte, während wachsende Probleme im Inneren des Osmanischen Reiches 1599 schwere Unruhen auslösten. Der deutliche Erfolg der katholischen Reformbemühungen in Österreich trug zum wachsenden Selbstvertrauen der kaiserlichen Berater und damit zu dem verhängnisvollen Entschluss bei, gemeinsam mit dem Woiwoden (Fürsten) Michael der Walachei – der sich davon außerdem die Herrschaft über Moldau versprach – in Siebenbürgen einzumarschieren. Es folgte eine Periode wirrer Kämpfe, die dank einer verdeckten polnischen Intervention in der völligen Niederlage der Invasoren endete. Sigismund wurde als Fürst von Siebenbürgen wiedereingesetzt, und in den beiden anderen Fürstentümern wurden Marionettenherrscher von polnischen Gnaden installiert.
Anstatt ihre Verluste als solche zu verbuchen und damit zu begrenzen, intensivierten die Habsburger ihre Bemühungen in der Region. Ein neues, noch stärkeres Heer wurde aufgestellt, dessen Befehlshaber Giorgio Basta sich durch sein weiteres Verhalten in der ungarischen und rumänischen Geschichtsschreibung den Ruf eines grausamen Tyrannen verdient hat. Basta, einer von zahlreichen Italienern in habsburgischen Diensten, war zunächst vom halbwüchsigen Trommler zum Kommandeur einer Einheit berittener Arkebusiere aufgestiegen, die in spanischen Diensten in Flandern kämpfte. Nach Ungarn war er 1597 mit einem spanischen Truppenkontingent gekommen und stand schon bald im Rang eines Generals. Schlick, Marradas, Collalto und Ernesto Montecuccoli haben allesamt unter ihm gedient, aber sein Einfluss als Verfasser zahlreicher militärtheoretischer Abhandlungen und Memoranden (in denen er nicht selten seine Herren scharf dafür kritisierte, dass sie ihren Soldaten den Sold schuldig blieben) reichte noch wesentlich weiter. Die nun folgende Kampagne in Siebenbürgen ließ bereits vieles von dem ahnen, was von 1618 an auch dem Heiligen Römischen Reich drohte. Als Mann vor Ort musste Basta schnell und unter sich rapide verändernden Umständen handeln. Oft war es schlicht nicht möglich, mit der kaiserlichen Regierung in Prag Rücksprache zu halten, und ohnehin waren die Absichten und Vorstellungen Rudolfs alles andere als eindeutig. Nachdem er mit Unterstützung des Fürsten Michael im August 1600 Siebenbürgen zurückerobert hatte, ließ Basta seinen Verbündeten im Sommer des Folgejahres ermorden, weil er in ihm eine Belastung sah. Als die Polen sich weigerten, Sigismund Báthory ein zweites Mal zu Hilfe zu kommen, dankte dieser – gegen Zahlung einer habsburgischen Pension – im Juni 1602 ab, was dem siebenbürgischen Landtag keine andere Wahl ließ, als Rudolf zu huldigen, der im Gegenzug die siebenbürgischen Privilegien bestätigte.
Es war ein Pyrrhussieg. Dass fähige Kräfte nach Siebenbürgen abgezweigt wurden, schwächte die Verteidigung in den anderen Grenzgebieten, und im Sommer 1600 rückten die Türken entlang der Save vor, nahmen Kanischa ein und eröffneten sich so den Weg in Richtung Steiermark. Zwar gelang Erzherzog Matthias 1601 die Eroberung von Stuhlweißenburg, doch fiel dieses schon im Jahr darauf wieder an ein türkisches Belagerungsheer, während eine zweite türkische Streitmacht tatsächlich in die Steiermark einfiel. Wachsende finanzielle Probleme verhinderten eine strategisch koordinierte Verteidigung, indes Teile der Reichsarmee von Meutereien gelähmt wurden; manche französischen und wallonischen Truppenteile liefen gar zur osmanischen Seite über.67 Matthias rettete die Situation durch die Einnahme von Pest im Oktober 1602, was die osmanische Staatskrise nur verschärfte: In fünf Provinzen des Osmanischen Reiches tobten nun Aufstände. Als Sultan Mehmed III. 1603 infolge eines Herzinfarkts starb, folgte ihm sein 13-jähriger Sohn Ahmed I. auf dem Thron nach. Schah Abbas I. witterte seine Chance und griff die Osmanen von Persien her an; 1604 gelang ihm die Rückeroberung von Aserbaidschan und Georgien. Angesichts des nun eröffneten Zweifrontenkrieges nahm der junge Sultan Ahmed im Februar 1604 Friedensverhandlungen mit Kaiser Rudolf II. auf.
Durch seine völlig überzogenen Forderungen vergeudete Rudolf auch diese letzte Chance, den Krieg zu beenden, bevor seine eigene Herrschaft in sich zusammenbrach. Der ständige Krieg hatte Siebenbürgen derart verwüstet, dass es die habsburgischen Garnisonen nicht mehr ernähren konnte. Ohne Aussicht auf die geringste Hilfe aus Prag verlegte Giorgio Basta sich auf die Beschlagnahme fremder Güter: Jeder siebenbürgische Adlige, der sich Bastas Herrschaft widersetzte, musste fortan um Haus und Hof bangen. Nachdem der General jedoch geheime Befehle seines Kaisers erhalten hatte, auch in Siebenbürgen die habsburgische Rekatholisierungspolitik zu betreiben, geriet die Lage völlig außer Kontrolle. Wie schon in Österreich, so kamen auch hier zuerst die Städte an die Reihe; die ländlichen Gegenden wollte man nach Kriegsende mit katholischen Kolonisten und entlassenen Soldaten besiedeln. Andere Maßnahmen wurden in Oberungarn ergriffen, wo der General Jacopo Belgiojoso im Januar 1604 begann, lutherische Pastoren aus der oberungarischen „Hauptstadt“ Kaschau zuvertreiben, während zugleich die magyarischen Garnisonen von 90 Grenzposten ausgewechselt wurden; 12 000 deutsch-österreichische Soldaten nahmen ihre Stelle ein. Die von Basta in Siebenbürgen begonnene Konfiszierungspolitik wurde nun auch auf Ungarn ausgeweitet, wo Matthias sogar die Landgüter des Grafen István Illésházy beschlagnahmen ließ, eines protestantischen Magnaten, den man seines Amtes als Palatin von Ungarn enthoben hatte. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Die empörten Magyaren machten von nun an gemeinsame Sache mit ihren siebenbürgischen Leidensgenossen.
Der Bocskai-Aufstand (1604–06) Die ungarische Opposition sammelte sich um Stephan (István) Bocskai, einen calvinistischen Gutsbesitzer aus Großwardein in Oberungarn (dem heutigen Oradea in Rumänien). Bocskais Entwicklung vom treuen Diener seiner Herren zum Anführer einer Rebellion gegen sie steht beispielhaft dafür, wie die Habsburger mit ihrem Vorgehen zahlreiche ihrer einflussreichsten Untertanen vor den Kopf stießen. Bocskai hatte während der ersten Kampagnen in Siebenbürgen einheimische Hilfstruppen befehligt, mit seiner Konfession jedoch das Misstrauen des Kaisers erregt, der ihm 1598 sein Kommando entzog und ihn nach Prag bringen ließ. Bocskai entging der Hinrichtung und zog sich auf seine Güter zurück, die nun zum Treffpunkt der politisch Unzufriedenen wurden.68 Obgleich ihn die calvinistische Geistlichkeit am Ort als „magyarischen Moses“ feierte, vermied es Bocskai, die religiöse Zwietracht weiter anzufachen, denn er wollte potenzielle Unterstützer nicht abschrecken. Stattdessen bediente er sich der allgemeinen Verärgerung unter den Einheimischen über den schier nicht enden wollenden Türkenkrieg. Nachdem Belgiojoso Briefe der Verschwörer abgefangen hatte, rückte er mit seinen 3500 Mann von Kaschau aus, um Bocskai festzunehmen, aber dieser entkam und scharte 5000 Heiducken um sich, indem er ihnen Adelstitel verlieh und herrenloses Land unter ihnen verteilte. Belgiojoso zog sich nach Kaschau zurück, doch die verärgerten Einwohner der Stadt öffneten Bocskai ihre Tore: Am 12. Dezember 1604 zog er im Triumph nach Kaschau ein. Die Einnahme der Stadt unterbrach die Kommunikationslinien zwischen Belgiojoso in Oberungarn und den 5000 habsburgischen Soldaten, die Siebenbürgen besetzt hielten. Der Umstand, dass sich ihm noch immer weitere Heiducken anschlossen, erlaubte es Bocskai, einen Sperrverband gegen seine Verfolger zurückzulassen und im Januar 1605 mit 4000 Mann leichter Kavallerie in Siebenbürgen einzufallen. Zwar konnten die Habsburger auf die Unterstützung der Szekler bauen, doch waren die habsburgischen Truppen in vereinzelten Garnisonen im ganzen Land verstreut. Bis September hatte Bocskai sie, eine nach der anderen, überwältigt. Bereits im Februar hatte der siebenbürgische Landtag Bocskai als neuen Fürsten anerkannt; als er im April mit dem Rest seiner Armee nach Westen zurückkehrte, empfing man ihn dort als „durchlauchtigsten Fürsten von ganz Ungarn“. Mittlerweile stand die habsburgische Herrschaft in der Region kurz vor dem Zusammenbruch. Basta war im Juli 1604 nach Mittelungarn zurückbeordert worden, aber selbst mit 36 000 Mann gelang es ihm nicht, die Stadt Pest zu retten, die bald darauf ihren osmanischen Belagerern in die Hände fiel. Beim Rückzug in Richtung Norden löste das kaiserliche Heer sich auf, was den Türken die Rückeroberung von Gran und Visegrád ermöglichte. Bocskai seinerseits nahm Neuhäusel ein und traf am 11. November 1605 vor Pressburg mit dem neuen osmanischen Großwesir Lala Mehmed Pascha zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurde Bocskai zum neuen König von Ungarn gekrönt; seine Krone war eigens in Konstantinopel angefertigt worden.
Unter dem Druck seiner Verwandten ersetzte Rudolf, durchaus widerstrebend, Giorgio Basta durch den Erzherzog Matthias, der im Mai ermächtigt wurde, Verhandlungen mit Bocskai aufzunehmen. Im Sommer des Jahres boten die böhmischen Stände 17 000 Milizionäre auf, die – teils schon unter dem Kommando Wallensteins sowie des Grafen Thurn – den Vormarsch der Rebellen nach Mähren aufhalten sollten. Viele von Bocskais adligen Unterstützern erfasste nun die Sorge, der neue König werde womöglich nur das Regime der Habsburger gegen das der Türken eintauschen. Auch zweifelten sie an Bocskais Fähigkeit, seine Heiducken, denen er so viel versprochen hatte, unter Kontrolle zu halten, und sahen im Übrigen die Rebellion an ihr ursprüngliches Ziel gelangt: Siebenbürgen zu befreien und die Rekatholisierung Ungarns aufzuhalten. Nach einem im Januar 1606 vereinbarten Waffenstillstand schlossen der ungarische und der siebenbürgische Adel am 23. Juni mit Matthias den Frieden von Wien. Das Nachsehen hatten sowohl Rudolf als auch die breite Masse der Bevölkerung von Ungarn und Siebenbürgen. Zwar erreichten der lutherische und der reformierte Adel Ungarns nun die offizielle Duldung ihres Glaubens, die auch auf die Kronstädte und den Bereich der Militärgrenze ausgedehnt wurde – die Landbevölkerung jedoch ging leer aus, ihr wurde die Toleranz verweigert. Durch die Wiedereinführung des Palatinats, die Beseitigung der Finanzaufsicht durch die Wiener Hofkammer, die bevorzugte Besetzung von Verwaltungsposten mit Einheimischen sowie die Ablösung der deutsch-österreichischen Grenztruppen durch magyarische wurde die politische Autonomie Ungarns gestärkt. Die siebenbürgische Autonomie wurde ebenfalls ausgeweitet. Bocskai verzichtete auf seine ungarische Königskrone, behielt jedoch den Ehrentitel „König“ und wurde von den Habsburgern, die dem Fürstentum zudem fünf Komitate Oberungarns östlich von Kaschau abtraten, als Fürst von Siebenbürgen anerkannt.
Während Bocskai wenig Lebenszeit vergönnt war, um sich an seinen Erfolgen zu freuen – er starb schon 1606 unter fragwürdigen Umständen –, schuf die von ihm angeführte Revolte einen folgenschweren Präzedenzfall. Schließlich war der militante Katholizismus nicht durch passiven Widerstand zurückgeworfen worden, wie er zuvor schon in Innerösterreich so kläglich gescheitert war, sondern durch Waffengewalt. Und während die österreichischen Protestanten der 1570er-Jahre ihren Einfluss in den diversen Landtagen jeweils getrennt voneinander geltend gemacht hatten, um lokal beschränkte Zugeständnisse auszuhandeln, hatten ihre Glaubensbrüder in Ungarn und Siebenbürgen ein stabiles Bündnis zwischen ihren beiden Ländern zustande gebracht. Dies war das Beispiel, dem die böhmischen Stände 1618 nacheifern sollten.
Die habsburgisch-osmanischen Beziehungen nach 1606 Zunächst jedoch machte der Frieden von Wien den Weg für Erzherzog Matthias frei, um auch den aufreibenden Konflikt mit dem Sultan zu beenden, was dann am 11. November 1606 im Frieden von Zsitvatorok auch geschah. Ein dauerhafter Frieden – den beide Seiten ablehnten – wurde daraus jedoch nicht. Immerhin sahen sich Kaiser wie Sultan genötigt, den jeweils anderen als ebenbürtig anzuerkennen; zudem sollte der erniedrigende Tribut von 30 000 Gulden, den die Habsburger seit 1547 jedes Jahr an die Hohe Pforte entrichtet hatten, nach der einmaligen Zahlung einer „freiwilligen Gabe“ von 200 000 Gulden auslaufen. Der Sultan behielt Kanischa und Erlau, musste dem Kaiser allerdings die Errichtung neuer Festungen in direkter Nachbarschaft gestatten. Die Friedensregelung sollte 20 Jahre gelten, in welchem Zeitraum kleinere Raubzüge im Grenzgebiet zu tolerieren waren, solange keine regulären Truppen daran teilnahmen.
Es war ein Glücksfall für die Habsburger, dass die Osmanen den Krieg nicht über 1606 hinaus fortsetzen konnten. Bis 1608 schaffte es der Sultan nämlich, die inneren Unruhen in seinem Reich niederzuschlagen, bevor er 1618 einen Friedensschluss mit Persien akzeptieren musste, was den endgültigen Verlust Aserbaidschans und Georgiens zu bedeuten schien. Die Perser nutzten die weiterhin schwelende Unruhe im Osmanischen Reich, um 1623 den Krieg wiederaufflammen zu lassen; sie nahmen Bagdad ein und töteten alle Sunniten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten. Der Verlust Mesopotamiens sandte Schockwellen durch das ganze Osmanische Reich, die sich unter anderem in großen Aufständen in Syrien und dem Jemen äußerten; betroffen war neben der Steuererhebung auch das Pilgerwesen an den heiligen Stätten des Islam. In der Zwischenzeit entwanden sich die Krimtataren der Kontrolle des Sultans und begannen einen unerklärten Krieg gegen Polen, der – mit Unterbrechungen – bis 1621 andauerte. Angesichts all dieser Probleme war der Sultan nur zu bereit, den Frieden von Zsitvatorok schon 1615 zu bestätigen, wovon ihn auch kleinere Veränderungen in der Grenzziehung – von denen die Habsburger sich eine bessere Verteidigung der exponierten Gegend um Gran versprachen – nicht abhalten konnten. Der Böhmische Aufstand fiel mit dem persischen Triumph zusammen, und der Sultan tat wirklich alles, um dem nunmehrigen Kaiser Matthias gefällig zu sein. Im Sommer 1618 offerierte er ihm sogar ein paar Tausend bulgarische oder albanische Söldner. Obwohl man diese dankend ablehnte, ließ es sich im Jahr darauf Osman II. nicht nehmen, einen Sonderbotschafter zu entsenden, der dem neuen Kaiser Ferdinand II. zu seiner Wahl gratulieren sollte. Dieses Wohlwollen vonseiten der Osmanen war umso willkommener, als der Reichstag 1615 eine Verlängerung der nunmehr auslaufenden Reichshilfe zum Unterhalt der Militärgrenze abgelehnt hatte. Die böhmische Krise zwang die Österreicher, ihre Truppen von der südlichen Grenze abzuziehen; schon 1619 wurden in Kroatien und Ungarn 6000 Reiter aufgestellt. Danach dienten bis 1624 rund 4000 Grenzsoldaten im kaiserlichen Heer, die von dem Grafen Johann Ludwig von Isolani (Giovanni Lodovico Isolano) kommandiert wurden, einem Zyprioten mit Grundbesitz in Kroatien, der sich im Langen Türkenkrieg einen Namen gemacht hatte. Zur Bezahlung der verbleibenden Grenzgarnisonen blieb hingegen kaum Geld übrig, was im Juli 1623 zu Meutereien in den slawonischen und kroatischen Sektoren der Militärgrenze führte. Obwohl die Siebenbürger sich auf die Seite der Böhmen schlugen, verzichtete der Sultan darauf, die Lage auszunutzen, und ohne seine Unterstützung brach ihr Aufstand bald in sich zusammen.69
Da die Aufmerksamkeit der jeweiligen Regierungen durch anderweitige Kriege gebunden war, übertrug man die Verantwortung für die Grenzkontakte zwischen Habsburg und dem Osmanenreich an den ungarischen Palatin beziehungsweise den osmanischen Pascha in Buda. Ersteres Amt hatte 1625–45 Graf Nikolaus (Miklós) Esterházy inne. Dieser hegte eine humanistische Vision von Ungarn als dem Bollwerk der Christenheit und ermunterte den magyarischen Adel, die Habsburger zu unterstützen: als Beschützer und Verteidiger in der Gegenwart – und als die besten Bürgen für eine Rückeroberung der türkisch besetzten Gebiete Ungarns in der Zukunft.70 Esterházys 1627 in Szőny nahe Komorn geführte Verhandlungen mit dem Pascha von Buda resultierten in einer Verlängerung des Friedens von Zsitvatorok um 15 Jahre, was dem Kaiser Zeit verschaffte, mit seinen christlichen Feinden fertigzuwerden. Die Osmanen nutzten 1631 den Mantuanischen Erbfolgekrieg, um 14 Dörfer im oberen Murtal zu plündern, wiesen jedoch das Ansinnen der Venezianer ab, ihren Raubzug noch weiter auszudehnen. Um 1632 herum gelang es zwar Sultan Murad IV., die innere Ordnung des Osmanischen Reiches wiederherzustellen, indem er die Aufstände in den Provinzen brutal niederschlug; aber dann zog er es vor, die Perser anzugreifen, die er zu besiegen hoffte, während die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der Habsburger noch in Deutschland gebunden waren. Osmanische Heere eroberten Aserbaidschan, Georgien und Mesopotamien zurück, nahmen 1638 Bagdad ein und zwangen im Jahr darauf die Safawidendynastie, diese Verluste anzuerkennen.
Die relative Ruhe an der Grenze zum Osmanischen Reich erlaubte es dem Kaiser, weitere Truppen von dort abzuziehen, als der Krieg in Deutschland sich 1625 verschärfte. Noch im selben Jahr wurde ein erstes Kroatenregiment aufgestellt, dem 1630 zwei weitere folgten. Die ebenfalls 1630 erfolgte schwedische Intervention sorgte für einen dramatischen Anstieg der Rekrutierungszahlen: Bis 1633 waren 14 Regimenter Kroaten aufgestellt, dazu 1500 Mann Kapelletten (leichte Kavallerie, die in Dalmatien und im Friaul angeworben wurde). Ihren mit 25 höchsten Stand erreichte die Anzahl der Kroatenregimenter 1636; drei Jahre später waren es noch zehn, bei Kriegsende nur noch sechs. Die anhaltende Rekrutierung von Truppen im Grenzgebiet sorgte dafür, dass die Garnisonen der Militärgrenze an Personalmangel litten: 1641 dienten dort gerade einmal 15 000 kampfbereite Soldaten, rund 7000 unter Soll.71 Das war freilich noch immer eine ansehnliche Truppe, nämlich etwa so viele Soldaten, wie in der Spätphase des Krieges in einer großen Feldschlacht aufgeboten wurden. Sie band enorme Ressourcen an Männern, Geld und Material, und das zu einer Zeit, in der dem Kaiser das sprichwörtliche Wasser schon bis zum Hals stand – ein Faktor, der bei der Bewertung der kaiserlichen Kriegführung bisher oft übersehen worden ist.
Ihre fortgesetzte Militärpräsenz entlang der Grenze ließ erkennen, wie groß die Türkenfurcht der Habsburger noch immer war. Die Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten, als die Osmanen ihrem Friedensschluss mit den Persern 1639 eine Reihe groß angelegter Raubzüge folgen ließen, die wohl ihre Herrschaft über Kanischa festigen sollten. Die Lage hätte sich – aus Sicht der Habsburger – noch wesentlich verschlechtern können, wenn nun nicht der Krieg mit den Safawiden wiederaufgeflammt wäre, was den Sultan 1642 dazu bewog, den Frieden von Zsitvatorok noch einmal zu erneuern, diesmal gleich auf 20 Jahre. Die allseitigen Probleme des Sultans ließen Siebenbürgen, das seit 1606 zumindest nominell unter osmanischer Oberherrschaft gestanden hatte, langsam seiner Kontrolle entgleiten. Dass Siebenbürgen inzwischen an Unabhängigkeit gewonnen hatte, ermutigte seinen Fürsten, sich 1644/45 erneut in den Dreißigjährigen Krieg einzumischen (siehe Kapitel 19). So hatte, während die osmanische Schwäche den Sultan gerade aus dem europäischen Krieg heraushielt, dieselbe Schwäche den umgekehrten Effekt auf das Fürstentum Siebenbürgen: Ihm machte sie den Kriegseintritt überhaupt erst möglich. Aus habsburgischer Perspektive war freilich die Auseinandersetzung mit dem Fürsten von Siebenbürgen einem Krieg mit dem – wesentlich mächtigeren – osmanischen Sultan allemal vorzuziehen. Befürchtungen, der Pascha von Buda könnte die Siebenbürger mit Fußtruppen und Artillerie unterstützen, erfüllten sich nicht, weshalb die siebenbürgische Intervention im Dreißigjährigen Krieg auch weitgehend folgenlos blieb. Gerade als das Fürstentum wieder Frieden schloss, sah sich der Sultan in einen neuen Konflikt mit den Venezianern verwickelt, der sich bis 1669 hinziehen sollte. Die allgemeine Demobilisierung im Anschluss an den Westfälischen Frieden verpflichtete den Kaiser, seine Truppen aus dem Reich abzuziehen, weshalb er sie nach Ungarn verlegte, wo sie neuerliche osmanische Einfälle bis 1655 abhielten. Erst Ende der 1650er-Jahre waren die Osmanen wieder so stark geworden, dass sie für Habsburg zur ernsthaften Bedrohung wurden. Ihre erneuten Versuche, Einfluss über Siebenbürgen zu gewinnen, lösten von 1662 an einen weiteren Krieg mit dem Kaiser aus, der zwei Jahre darauf durch die Erneuerung des (nun allerdings modifizierten) Friedens von Zsitvatorok beendet wurde. Die Pattsituation wurde erst durch die gescheiterte osmanische Belagerung Wiens aufgebrochen, die den Großen Türkenkrieg der Jahre 1683–99 eröffnete. Mit internationaler Hilfe gelang es den Habsburgern, die Türken aus Ungarn zu vertreiben, das 1687 von einem Wahl- in ein Erbkönigtum umgewandelt wurde, worauf vier Jahre später die Annexion Siebenbürgens folgte. Der Sieg im Großen Türkenkrieg ließ Österreich zur Großmacht aus eigenem Recht aufsteigen, während zugleich die Bedeutung des römisch-deutschen Kaisertitels abnahm.72
Von solchen Ruhmeshöhen konnten die Habsburger des frühen 17. Jahrhunderts, die in den Jahren nach 1606 vor dem Trümmerhaufen der rudolfinischen Politik standen, nur sehnsuchtsvoll träumen. Zu ihrer Zeit nämlich war die Militärgrenze durch den Verlust von zweien ihrer mächtigsten Festungen geschwächt, die Dynastie hatte in der ungarischen Innenpolitik wertvollen Boden verloren, ihr Einfluss in Siebenbürgen war völlig erloschen. Die Konsequenzen dieser Rückschläge beschränkten sich jedoch keineswegs auf den Südosten des Habsburgerreiches, sondern erschütterten die Monarchie in ihren Grundfesten. Obwohl er im Verlauf des Langen Türkenkrieges mehr als 55 Millionen Gulden an Subsidien und Steuern erhalten hatte, stiegen die Schulden Rudolfs II. mit der Zeit auf stolze zwölf Millionen Gulden. Frühere Haupteinkommensquellen der Habsburger, wie etwa die ungarischen Kupferminen, waren verpfändet worden, um weitere Darlehen aufnehmen zu können. Die Soldrückstände der Grenztruppen betrugen schon 1601 eine Million Gulden, während sich die entsprechenden Summen für das Feldheer bei Kriegsende auf das Doppelte beliefen. 6000 habsburgische Soldaten lungerten in Wien herum und verlangten, dass man ihnen ihr Geld austeile – insgesamt mindestens eine Million Gulden. Die Unfähigkeit der Habsburger, selbst in ihrer eigenen Hauptstadt für Ordnung zu sorgen, ließ ihr sonstiges Versagen mehr als deutlich werden. Enttäuschung und Ernüchterung breiteten sich auch im Heiligen Römischen Reich aus, wo die Fürsten es kaum glauben konnten, dass all ihr Geld nicht ausgereicht haben sollte, den Sieg zu erringen. Der Reichspfennigmeister Geizkofler wurde wegen Veruntreuung vor Gericht gestellt – die Anklage lautete auf die Hinterziehung einer halben Million Gulden –, und obwohl er 1617 freigesprochen wurde, unterließen es viele Fürsten, ihren Anteil an der letzten, 1613 bewilligten Reichshilfe für die Militärgrenze zu zahlen; noch 1619 fehlten an der versprochenen Summe 5,28 Millionen Gulden.