Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg - Peter H. Wilson - Страница 29
ОглавлениеIm Denken der Zeit bedeutete „Ordnung“ Hierarchie, nicht Gleichheit; von einer „Ordnung“ erwartete man, dass eine herausragende Macht an ihrer Spitze stehen und Frieden für alle garantieren werde – wie ein Monarch in seinem Reich oder der Magistrat in einer Stadt.
Die Vision einer pax Hispanica in einem ganzen Weltreich war für das Sendungsbewusstsein der spanischen Krone von zentraler Bedeutung. Wie die Friedensbemühungen anderer europäischer Monarchen auch, so zielte die Politik der Spanier darauf ab, Konflikte aus einer Position der Stärke heraus beizulegen. In der Praxis lief es freilich nicht selten darauf hinaus, dass der Friedensschluss eher durch spanische Schwäche erzwungen wurde. Angesichts der bunt gemischten Motive und der daraus hervorgehenden brüchigen Vereinbarungen mag es naheliegen, die Friedenspolitik der Spanier und anderer als bloß taktische Rückzugsmanöver in längerfristigen Auseinandersetzungen abzutun. So jedenfalls ist die spanische Politik in den 20 Jahren zwischen dem Tod Philipps II. 1598 und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 immer wieder interpretiert worden – zumindest von denen, die in der gesamten Epoche nichts als einen einzigen, langwierigen „Kampf gegen Habsburg“ erkennen können. Dennoch war das Vorgehen der Spanier weder naiv noch zynisch, und bei genauerer Betrachtung der Friedensverhandlungen wird deutlich, wie sehr die Zeitgenossen sich als in einer ganzen Reihe von durchaus verschiedenen – wenn auch miteinander in Verbindung stehenden – Konflikten verwickelt und verpflichtet betrachteten.
Die pax Hispanica war aus dem Friedensschluss zwischen Spanien und Frankreich hervorgegangen, der 1559 den Machtkampf der ersten Jahrhunderthälfte beendet hatte und die Ruhe in Italien auf 50 Jahre sichern sollte. Ein erneuter Staatsbankrott im November 1596 sowie das Scheitern der (dritten) Armada von 1597 überzeugten Philipp II. von der Unmöglichkeit seines Vorhabens, Frankreich, England und die Niederländer zugleich zu besiegen, und führten zur Aufnahme jener Verhandlungen, die 1598 den Friedensschluss von Vervins erzielten. In gewisser Hinsicht war der Frieden von Vervins ein taktischer Zug in dem andauernden Kampf Spaniens gegen die Niederländer, denn er sprengte die französisch-englisch-holländische Tripelallianz von 1596, in der die drei Feinde Philipps II. geschworen hatten, mit der spanischen Krone auf keinen Fall einen Separatfrieden zu schließen. Zugleich ließ Vervins jedoch einen allgemeineren Friedenswillen erkennen, einen Willen zur Beilegung der europäischen Konflikte überhaupt. Das zeigte sich etwa daran, dass sowohl der Papst als auch Elisabeth I. von England dabei vermittelten. Auch war den Spaniern sichtlich daran gelegen, dass dieser Frieden Bestand haben werde. Der Herzog von Lerma ließ sich selbst durch wiederholte Appelle aus spanischen Regierungskreisen nicht dazu bewegen, die innere Instabilität Frankreichs nach der Ermordung Heinrichs IV. 1610 auszunutzen, und hielt stattdessen an der in Vervins beschlossenen Annäherungspolitik fest. Im April 1611 stimmte Heinrichs Witwe Maria de’ Medici dem Plan Lermas für eine dynastische Doppelhochzeit zwischen Spanien und Frankreich zu, die vier Jahre später auch stattfand.128
Die Autonomie der spanischen Niederlande Auch die ernsthaften Bemühungen der Spanier um eine Beendigung des Niederländischen Aufstandes setzte Lerma fort. Diese hatten damit begonnen, dass der bereits todkranke Philipp II. den spanischen Niederlanden im Mai 1598 ein höheres Maß an Autonomie zugestanden hatte, indem er sie seiner Tochter Isabella überließ. Die Regelung war zum Teil dadurch motiviert, dass Philipp seine Lieblingstochter gut versorgt wissen wollte, nachdem klar geworden war, dass Kaiser Rudolf sie nicht heiraten würde. Isabellas „Ersatzhochzeit“ mit dem Erzherzog Albrecht fand 1599 (also nach Philipps Tod) statt, war von ihrem Vater aber bereits eingeplant worden: Der König hatte verfügt, dass die südlichen Niederlande auch dann selbstständig bleiben sollten, wenn aus der Ehe des Paares ein Sohn hervorgehen würde. Bis dahin sollten Albrecht und Isabella, zusammen als „die Erzherzöge“ bezeichnet, von Brüssel aus gemeinsam regieren. Philipps Hoffnung war es gewesen, dass ein autonomes Staatswesen im Süden der Niederlande die Aufständischen im Norden versöhnlich stimmen würde, sie den Kampf gegen die spanische Herrschaft einstellen und stattdessen einer Vereinigung mit Brüssel zustimmen würden.129 Zweifellos reichte das Entgegenkommen jedoch nicht annähernd aus, und es kam auch noch zu spät: ein volles Jahrzehnt nach Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande. Außerdem wurde das gesamte Vorhaben schon allein dadurch unglaubwürdig, dass im Süden der Niederlande noch immer die spanische Flandernarmee stand, deren Befehle direkt aus Madrid kamen. Trotzdem sollte man die Überlegung, die dahinterstand, nicht allzu schnell abtun. Albrecht und Isabella waren entschlossen, ihre Autonomie gegenüber dem spanischen Mutterland zu behaupten, und vielleicht wäre alles anders ausgegangen, wenn sie tatsächlich einen Sohn gehabt hätten. Isabella war eine der anziehendsten Persönlichkeiten, die der düstere spanische Hof hervorgebracht hat. Auf Doppelporträts mit ihrem Gemahl erscheint Isabella größer als Albrecht, und ganz bestimmt war sie eine resolute, temperamentvolle Person – die beim Wettschießen der Brüsseler Schützen 1615 gleich mit ihrem ersten Schuss voll ins Schwarze traf. Dieses Ereignis führte dazu, dass man sie in Text, Bild und Zeremoniell als wahre Amazonenkönigin feierte, was zweifellos ein sorgsam inszenierter Versuch war, den Herrschaftsstatus der beiden „Erzherzöge“ zu festigen.
Diese Propagandabemühungen wurden von praktischen Maßnahmen flankiert, welche sowohl die Loyalität der Untertanen in den südlichen Provinzen sichern sollten als auch auf die abtrünnigen Provinzen im Norden abzielten, deren Sympathien Albrecht und Isabella zu gewinnen hofften. Obwohl sie ihre Herrschaft über Brüssel und andere Städte betonten, respektierten sie lokale Privilegien für gewöhnlich durchaus. Ihre Rekatholisierungspolitik umfasste die übliche Förderung der Jesuiten, knüpfte aber eher an eine ältere, erasmische Tradition an, deren Wiederbelebung den Katholizismus für potenzielle Konvertiten aus dem Norden wieder attraktiver machen sollte. Albrecht verfügte über Regierungserfahrung aus seiner Zeit als Vizekönig von Portugal (1583–93). Es gelang ihm, mit dem Kommandeur der Flandernarmee, General Spinola, zusammenzuarbeiten, ohne die Autonomie der südlichen Niederlande zu kompromittieren, er schickte eigene Gesandtschaften nach England, Frankreich und Rom und eröffnete 1600 direkte Verhandlungen mit der niederländischen Republik. Albrecht spielte auch eine große Rolle, als die Madrider Regierung nach dem Tod Elisabeths I. von England 1603 erst einmal davon überzeugt werden musste, Jakob VI. von Schottland als ihren legitimen Nachfolger anzuerkennen – und damit einen Friedensschluss zwischen Spanien und England zu ermöglichen. Die Vermittlung der südlichen Niederlande war es dann auch, die 1604 zum Vertrag von London führte, durch den der 19-jährige Krieg mit den Engländern beendet wurde und eine Politik der langsamen Annäherung zwischen den beiden Mächten in Gang kam, die – trotz ernster zwischenzeitlicher Krisen – bis Mitte des 17. Jahrhunderts Bestand haben sollte.
Der Zwölfjährige Waffenstillstand (1609) Die Erzherzöge Albrecht und Isabella erkannten, dass ihre Autonomie langfristig von einem Friedensschluss mit den republikanischen Niederländern im Norden abhing. Das militärische Vorgehen der Flandernarmee zielte deshalb immer stärker darauf ab, diese zur Annahme zumutbarer Vertragsbedingungen zu bewegen. Im März 1607 handelte Albrecht eine Waffenruhe aus, um Zeit für den erfolgreichen Abschluss der Gespräche zu gewinnen. Die Weigerung der Republik, den im Norden lebenden Katholiken die offizielle Duldung zu gewähren, sorgte in Madrid für beträchtliche Unruhe, zumal jede Waffenruhe eine Unterordnung geistlicher Belange unter den Pragmatismus der Sachzwänge – wie etwa des erneuten Bankrotts der spanischen Krone im November 1607 – mit sich bringen musste. Manche befürchteten auch, ein Waffenstillstand würde den Niederländern die Gelegenheit geben, sich neu zu formieren, wodurch sie dann in Zukunft noch schwerer zu besiegen sein würden. Die Schelde blieb für den Handel gesperrt, und viele spanische Kaufleute argwöhnten, dass die Niederländer nun mit Nachdruck in den umkämpften Indienhandel einsteigen würden – obwohl sie eigentlich versprochen hatten, die Gründung ihrer geplanten Westindienkompanie (Geoctroyeerde West-Indische Compagnie, WIC) zu verschieben. Jedenfalls weigerten sie sich, ihre bereits bestehende Ostindienkompanie aufzulösen, mit der sie den Portugiesen schon jetzt wichtige Märkte streitig machten. Unter anderem deshalb beschränkte sich der Waffenstillstand in seiner endgültigen Fassung effektiv auf Europa. Gemeinsam überstimmten Philipp III. und der Herzog von Lerma jegliche Einwände gegen das Schweigen der Waffen, indem sie darauf hinwiesen, dass eine Fortsetzung des Krieges womöglich noch schlimmere Folgen nach sich ziehen würde, und schlossen am 9. April 1609 den Zwölfjährigen Waffenstillstand mit der Republik der Vereinigten Niederlande.
Durch Verträge mit Frankreich, England und den abtrünnigen Niederländern hatte sich Spanien auf diese Weise zwischen 1598 und 1609 seiner drei Kriege mit europäischen Mächten entledigt. Dabei hatte sich die Diplomatie als militärische Strategie klar bewährt: Die feindliche Tripelallianz war zerbrochen; der Waffenstillstand mit den Niederländern ließ gewisse innere Spannungen im Norden auf ein solches Maß ansteigen, dass die Republik beim Auslaufen des Vertrags 1621 in mancher Hinsicht schwächer war als zuvor. Nur weil Philipp III. seine Friedenspolitik als Notlösung darstellte, sollten wir ihm darin nicht unbedingt folgen.130 Angesichts der Kontroversen, die um diese Abkommen geführt wurden – und das gilt ganz besonders von dem Vertrag mit den häretischen Niederländern –, hätte der König sein Handeln in der Öffentlichkeit wohl kaum anders präsentieren können, ohne sein Ansehen zu beschädigen.
Lerma wurde rasch zur Hauptzielscheibe für all jene, die in den Friedensbemühungen der Krone einen Verrat an den spanischen Kerninteressen erblickten. Sogar Lermas eigener Sohn, der Herzog von Uceda, schloss sich der wachsenden Opposition gegen seinen Vater an. Um die öffentliche Aufmerksamkeit von der Sache abzulenken, befahl Lerma die Ausweisung der Morisken aus Spanien – und zwar für denselben Tag, an dem der Waffenstillstand unterzeichnet werden sollte. Die Morisken waren Nachfahren von zum Christentum (zwangs)konvertierten Mauren, die auch nach der offiziellen Vertreibung der Mauren von der Iberischen Halbinsel noch in Spanien lebten und dort etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten. Mit Blick auf die wirtschaftliche und demografische Stagnation, unter der Spanien ohnehin litt, war dies eine fatale Entscheidung. Der Landbau in Valencia wurde durch die Ausweisung der Morisken auf die reine Subsistenzwirtschaft zurückgeworfen; die Zahl der Piraten, die Nachschublieferungen an die spanischen Garnisonen in Nordafrika (Ceuta und Tanger) abfingen und ausraubten, stieg rapide an. Spanien musste immer mehr Ressourcen zur Verteidigung seiner eigenen Südküste aufwenden. Die fruchtlose Kampagne gegen die Barbaresken-Korsaren, die nun folgte, erlaubte es den Spaniern aber wenigstens, sich mit Engländern und Franzosen zusammenzutun, die ebenfalls unter deren Seeräuberei zu leiden hatten. Und ganz nebenbei konnte Philipp auch noch das traditionelle spanische Kreuzfahrerimage aufpolieren.
Savoyen und Mantua Der Kampf gegen die Korsaren war zugleich Bestandteil von Lermas genereller Neuausrichtung der spanischen Außenpolitik auf den Mittelmeerraum, den er als den wahren Aufgabenbereich Spaniens in Europa ansah. Lerma hatte sich in den Kopf gesetzt, Savoyen für sein Überlaufen ins französische Lager zu bestrafen und so die spanische reputación wiederherzustellen; außerdem wollte er erreichen, dass die Spanische Straße in die Niederlande wieder freigegeben würde. Der Marqués de Hinojosa, ein Verwandter und politischer Verbündeter Lermas, wurde nach dem Tod des Grafen Fuentes zum Gouverneur von Mailand ernannt und bekam die umgehende Anweisung, den Druck auf Savoyen zu erhöhen. Durch unvorhergesehene Entwicklungen kam es zu einem Krieg, den eigentlich niemand gewollt hatte und der als erster in einer ganzen Reihe von Konflikten um das Herzogtum Mantua stehen sollte. Die strittige mantuanische Erbfolge, um die es dabei ging, sollten wir uns genauer anschauen – nicht nur, weil sie die Bedeutung dynastischer Fragen als Casus Belli veranschaulicht, sondern weil ohne ihr Verständnis die gesamte italienische Dimension des Dreißigjährigen Krieges unverständlich bleiben muss.
Als 1612 der Herzog Francesco IV. Gonzaga von Mantua nach einer Regierungszeit von unter einem Jahr starb, riss sein Bruder Ferdinando die Macht an sich und jagte seine noch trauernde Schwägerin Margarete von Savoyen unter dem Vorwand aus der Stadt, dass sie seinem verstorbenen Bruder keinen männlichen Erben geboren hatte. Margarete war die älteste Tochter von Karl Emanuel von Savoyen, der in diesem Vorfall eine Gelegenheit sah, die östliche Grenze seines Herzogtums zu arrondieren, und nun die Markgrafschaft Montferrat als Entschädigung verlangte. Anders als Mantua selbst, das ein Mannlehen war (also nur in männlicher Linie vererbt werden konnte), stand die Erbfolge von Montferrat auch Frauen offen, was es Karl Emanuel gestattete, die Markgrafschaft im Namen seiner Tochter einzufordern. Die Angelegenheit hätte eigentlich durch den Kaiser geklärt werden müssen, weil sowohl Mantua als auch Savoyen Teile Reichsitaliens waren, also zu den italienischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches zählten. Allerdings ließ der habsburgische Bruderzwist dem Kaiser zur betreffenden Zeit nur wenig Raum, sich um seine italienischen Herrschaftsgebiete zu kümmern, weshalb der Herzog von Savoyen im April 1613 kurzerhand in Montferrat einmarschierte und so den ersten größeren Krieg in Italien seit 1559 auslöste. Der spanische Gouverneur Hinojosa in Mailand hatte eigentlich Instruktion, sich aus militärischen Konflikten herauszuhalten, fühlte sich aber zum Eingreifen verpflichtet, weil das umstrittene Territorium genau zwischen den Herzogtümern Mailand und Savoyen lag. Madrid stellte das spanische Handeln als eine Parteinahme für den rechtmäßigen Erben Ferdinando dar, und nach langem Hin und Her eröffnete Hinojosa schließlich 1614 einen Gegenangriff, durch den die savoyischen Truppen aus Montferrat vertrieben wurden, hielt dann aber keineswegs inne, sondern marschierte gleich in das Piemont ein. Lerma wollte einen großen Krieg vermeiden und war auch eher pessimistisch, was Hinojosas Aussichten auf einen völligen Sieg über Savoyen betraf. Auf ein französisches Vermittlungsangebot ging Hinojosa aber ein und schloss im Juni 1615 in Asti ein vorläufiges Friedensabkommen, das ihn zum Rückzug aus dem Piemont verpflichtete und das Schicksal Montferrats vollkommen offenließ.
Der Krieg erhöhte den Druck auf Lerma am spanischen Hof, insbesondere da sein Sohn, der Herzog von Uceda, sich die Strategie seines Vaters zu eigen machte, die Freundschaft des Kronprinzen zu erlangen suchte und sich auch mit allen anderen gut stellte, die auf einen Machtwechsel in Madrid spekulierten. Persönliche Rivalitäten mischten sich mit Grundsatzdiskussionen darüber, was für Spanien das Beste wäre. Nachdem Lerma immer schärfer kritisiert wurde, verweigerte Philipp III. dem Friedensschluss von Asti seine Zustimmung, und Lerma sah sich gezwungen, den Sündenbock Hinojosa durch dessen Absetzung zu opfern, um seine eigene Position zu retten.
Die Position Karl Emanuels wurde indes durch Unterstützung von außen gestärkt. Frankreich hatte es zwar nicht auf einen Krieg abgesehen, nutzte allerdings die spanische Schwäche nur zu gern aus, um seine eigene internationale Stellung zu verbessern, und entsandte Hilfstruppen bis zu 10 000 Mann zur Verstärkung des savoyischen Heeres.131 Auch die Venezianer sahen in Savoyen vor allem den potenziellen Stachel im Fleisch der Habsburger und kamen 1616/17 für ein Drittel der savoyischen Militärausgaben auf. Unter anderem durch diese großzügige Beihilfe war es Karl Emanuel möglich, 4000 deutsche Söldner unter dem Kommando Ernsts von Mansfeld anzuwerben, die rechtzeitig zur Kampagne von 1617 in Oberitalien eintrafen. Savoyen hatte den Krieg bereits 1616 wieder eröffnet und sogar Montferrat zurückerobert, obwohl der Großteil der französischen Hilfstruppen noch auf sich warten ließ. Die Venezianer waren inzwischen in ihren eigenen Krieg mit dem Erzherzog Ferdinand verstrickt (siehe Kapitel 8) und lehnten es deshalb ab, eine zweite Front gegen Mailand zu eröffnen. Zudem stieß die Rhetorik von einem unabhängigen Italien, deren sich Karl Emanuel bediente, bei den benachbarten Herrschern nicht gerade auf Begeisterung; in ihren Augen war noch immer Spanien die beste Garantiemacht für den Frieden in der Region. Als neuer Gouverneur traf der Marqués de Villafranca in Mailand ein und begann umgehend mit einer Reorganisation der spanischen Truppen. Die katholischen Schweizer stellten ihre Bedenken in puncto einer spanischen Nutzung der Gotthardstrecke über die Alpen vorübergehend hintan, was das Eintreffen von Verstärkungen aus der Flandernarmee sowie von deutschen Rekruten ermöglichte. Nach einer sechsmonatigen Belagerung nahm Villafranca das piemontesische Vercelli ein, was eine Lücke in die Grenzbefestigungen des Piemont riss. Da der Krieg sich nun zu ihren Gunsten zu wenden schien, erneuerten die Spanier ihre Bemühungen um einen (für sie möglichst vorteilhaften) Friedensschluss, der durch die Vermittlung der französischen Krone sowie des Heiligen Stuhls zustande kommen sollte. Im Herbst 1617 wurde ein Doppelfrieden geschlossen: Der Vertrag von Pavia beendete die Auseinandersetzung um die mantuanische Erbfolge; Innerösterreich und Venedig einigten sich im Frieden von Paris. Im Gegenzug für einen savoyischen Abzug aus Montferrat, das Herzog Ferdinando von Mantua überlassen wurde, gaben die Spanier Vercelli an Savoyen zurück.
Keine dieser Regelungen war sonderlich zufriedenstellend, und Savoyen sollte die mit Blick auf Montferrat getroffene Vereinbarung schon 1627 wieder infrage stellen. Allerdings gab es in den Beziehungen zwischen den europäischen Herrschern der Frühen Neuzeit immer ein gewisses Maß an Spannungen. Wichtiger ist deshalb, dass 1617 eigentlich nichts auf einen großen, auf einen unvermeidlichen Konflikt hinwies. Der Waffenstillstand mit den Niederländern hatte ein Drittel seiner Laufzeit noch vor sich, und die Regierung in Brüssel war ebenso wie viele Verantwortliche in Madrid durchaus der Meinung, dass er verlängert werden sollte – gesetzt den Fall, dass die Niederländer sich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen einlassen würden. Aber vor allem waren auch im westlichen und südlichen Europa keinerlei Anzeichen dafür zu beobachten, dass binnen Jahresfrist in Mitteleuropa ein furchtbarer Krieg losbrechen würde.