Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg - Peter H. Wilson - Страница 21
Der Lange Türkenkrieg (1593–1606)
ОглавлениеWährend des Türkenkrieges der Jahre 1593–1606, der sich größtenteils in Belagerungen und Scharmützeln vollzog (vergleichbar dem spanischen Vorgehen gegen die Niederländer in Flandern), gab es nur wenig Gelegenheit, die beschriebenen Taktiken in großen Feldschlachten zu erproben. Auslöser der Feindseligkeiten waren die systemischen Probleme eines grassierenden (See-) Räuberwesens und instabiler Grenzen. Die Habsburger konnten nur wenig für die Uskoken tun, die mit Übervölkerung zu kämpfen hatten und sich deshalb gezwungen sahen, ihre piratischen Aktivitäten auf der Adria zu verstärken. Die Venezianer, selbst die Hauptleidtragenden der uskokischen Seeräuberei, ermunterten die Piraten von 1591 an, statt ihrer doch lieber das osmanische Bosnien und Ungarn ins Visier zu nehmen. Der Pascha (osmanische Statthalter) von Bosnien übte Vergeltung, indem er einen kroatischen Grenzposten belagerte; dann wurde er selbst jedoch gefangen genommen und von den Verteidigern des Forts hingerichtet. Sinan Pascha, der energische Großwesir des Osmanischen Reiches, überredete 1593 den zaudernden Sultan Murad III. zum Krieg. Als Eröffnungszug und Kriegserklärung ließ Sinan die habsburgischen Gesandtschaftsangehörigen in Konstantinopel ergreifen und in die Sklaverei geben – Teil des Berufsrisikos, wenn man als Diplomat am Sultanshof Dienst tat.
Die Berater Rudolfs von Habsburg glaubten, der Krieg werde ihnen eine goldene Gelegenheit zur Ausweitung des habsburgischen Einflusses in der Region bieten, und die Herrschaft über Siebenbürgen noch dazu. Der eigentlich unbedeutende Sieg der Kroaten gegen den Pascha von Bosnien brachte sie gar zu der Überzeugung, das Osmanische Reich als Ganzes befinde sich bereits in der Phase des Niedergangs. Ein großer Krieg gegen die Türken, so ihre weitere Überlegung, würde die Christen des gesamten Reiches um die Fahne ihres Kaisers scharen und die Konflikte der Reichsstände untereinander in den Hintergrund treten lassen. Ganz gewiss wurde Rudolf II. aus seiner Depression gerissen; seine traditionelle Rolle als oberster Feldherr und Verteidiger des wahren Glaubens (wie er sie sah) nahm er gern an. Der Reichstag trat 1594 erneut zusammen und bewilligte ein umfangreiches Steuerpaket, dessen Geltung vier Jahre später und noch einmal 1603 erneuert wurde. Mindestens vier Fünftel der ursprünglich versprochenen 20 Millionen Gulden gelangten auch tatsächlich in die Reichskasse, dazu noch 7 bis 8 Millionen, die Rudolf sich von den Kreistagen erbeten hatte. Die habsburgischen Länder trugen 20 Millionen Gulden bei, der Heilige Stuhl, Spanien und Italien noch einmal 7,1 Millionen. Selbst der eigensinnige König Heinrich IV. von Frankreich versprach seine Unterstützung, und die französischen Katholiken, die in den Hugenottenkriegen zuletzt noch auf der Verliererseite gestanden hatten, strömten in Scharen dem kaiserlichen Lager zu. Andere kamen sogar von noch weiter her, wie etwa der Engländer John Smith, der spätere Mitbegründer der Kolonie Virginia und angebliche Geliebte der Häuptlingstochter Pocahontas. Auch die eigentlich den Osmanen unterstellten Fürsten von Siebenbürgen, der Walachei und Moldau schlossen sich dem kaiserlichhabsburgischen Lager an. Die Polen lehnten eine unmittelbare Beteiligung zwar ab, hießen jedoch ihre ukrainischen Kosaken die Krimtataren angreifen, wodurch diese von der Unterstützung des Sultans abgehalten wurden. Die Stärke der kaiserlichen Feldarmee verdoppelte sich auf rund 20 000 Mann, zu denen noch 10 000 ungarische und etwa 20 000 weitere Soldaten aus Siebenbürgen und anderen Gebieten kamen.66
Nach all dem Aufwand war das Ergebnis eine tiefe Enttäuschung. Manche versprochene Hilfe erwies sich in der Praxis als wenig förderlich, so im Fall des russischen Zaren, der eine riesige Ladung von Pelzen schickte, die den Markt überschwemmten und letztlich kaum Gewinn einbrachten. Schlimmer noch: Die kaiserliche Planung war unrealistisch. Gespräche mit dem Sultan von Marokko und dem Schah von Persien sollten die Eröffnung weiterer Fronten gegen das Osmanische Reich bewirken, aber eine Gesandtschaft von Schah Abbas I. traf erst 1600 ein, als ein Sieg des Kaisers über die Türken schon unwahrscheinlich geworden war. Der osmanische Sultan hielt stets 60 000 bis 100 000 Mann im Feld und sicherte sich so meist die Initiative.