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Das uneinige Haus Wasa

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Das Anwachsen des dänischen Einflusses in Norddeutschland wurde relativiert durch das Erstarken eines Rivalen im östlichen Ostseeraum: Schweden. Der Aufstieg Schwedens zur europäischen Großmacht zählt zu den bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten, die in den Annalen der internationalen Beziehungen im 17. Jahrhundert verzeichnet sind. Obgleich die materielle Grundlage des schwedischen Imperialismus schon früher geschaffen worden war – durch die Eroberung der livländischen und estnischen Häfen nämlich –, sollten es doch erst die 1630–32 errungenen Siege Gustav Adolfs in Deutschland sein, die der neu entstandenen Großmacht internationale Anerkennung verschafften. Die rapide Expansion des schwedischen Territoriums war begleitet von ebenso dramatischen Entwicklungen im religiösen und kulturellen Leben eines Landes, dessen Elite sich von ihren europäischen Standesgenossen akzeptiert wissen wollte, derweil fremde Künstler, Gelehrte und Handwerker Ideen und Einflüsse aus ganz Europa in den hohen Norden trugen.

Die Entwicklung Schwedens im Inneren war ungefähr mit jener Dänemarks vergleichbar. Mit dem Zerfall der Kalmarer Union war das Land zunächst in einen Bürgerkrieg geraten. Gustav I. Wasa hatte den Widerstand des Adels gegen eine Erbmonarchie niedergeschlagen und die wirtschaftliche Basis der schwedischen Krone gestärkt, indem er ihren Anteil an den 100 000 Bauernhöfen des Königreichs auf über 21 Prozent steigerte, während zugleich der vom Adel kontrollierte Anteil auf 16 Prozent absank. Die restlichen Höfe – 67 Prozent der Gesamtzahl! – befanden sich in der Hand von Freibauern, was einen enormen Unterschied zu Dänemark bedeutete, wo gerade einmal 6 Prozent aller Höfe von Freibauern bewirtschaftet wurden. Diese Statistik verdeutlicht die relative Schwäche des schwedischen Adels, der um 1600 gerade einmal 400 Familien zählte. Eine winzige Oberschicht von 15 Großadligen besaß 60 Prozent allen Landes, das überhaupt in grundherrlicher Hand war; die restlichen Grundherren verfügten in der Regel über nicht mehr als zehn Pächter je Herrschaft. Neun von zehn Schweden waren Bauern, und nahezu die gesamte wirtschaftliche Aktivität des Landes war auf kleinbäuerlicher Betriebsebene organisiert; große Landgüter wie in Dänemark oder Polen gab es in Schweden nicht. Die soziale Schichtung war weniger extrem, die Gesellschaftspyramide weniger steil als anderswo, und obwohl die Lebensbedingungen gerade der einfachen Bevölkerung natürlich auch in Schweden hart waren, waren selbst die Armen nicht ganz so bettelarm wie in manchen anderen Ländern. Die einfachen Bauern trugen dicke, schwarze Wollmäntel, Hüte und Handschuhe, dazu derbe Lederstiefel anstelle der Holzschuhe, die in weiten Teilen Westeuropas üblich waren. Der schwedische Adel lebte vergleichsweise bescheiden, und wenngleich man auch hier um 1600 begann, seine Söhne auf große Bildungsreisen zu schicken, blieben Prasserei und Verschwendungssucht, wie sie in Dänemark oder Polen zur selben Zeit bereits in Mode gekommen waren (mit feinen Kleidern, üppigem Essen und prächtigen Landsitzen), in Schweden noch weithin unbekannt.141

Die drängenden Probleme der schwedischen Krone hatten nicht etwa mit widerspenstigen Adligen zu tun, sondern vielmehr mit einer Fehde innerhalb des Herrscherhauses, die in gewisser Hinsicht an den Bruderzwist der österreichischen Habsburger erinnerte. Dort wie hier kämpften rivalisierende Brüder um die Vorherrschaft. Erik XIV., der älteste Sohn Gustav Wasas, war als König anfangs allgemein akzeptiert und begann eine Expansionspolitik im östlichen Ostseeraum. Dabei machte er sich den endgültigen Zusammenbruch der Deutschordensherrschaft im Baltikum in den Jahren 1560/61 zunutze. Der Deutsche Orden hatte im Mittelalter ein gewaltiges Territorium vom späteren West- und Ostpreußen über das heutige Litauen und Lettland bis hinauf nach Estland erobert und unter seine Herrschaft gebracht. Mit dem triumphalen Sieg der Polen über ein Ordensheer in der Schlacht bei Tannenberg 1410 war jedoch der Niedergang des Deutschen Ordens eingeläutet. Polen hatte das westliche Preußen mitsamt der Weichselmündung an sich gezogen (als „Preußen königlichen Anteils“) und herrschte damit über ein Gebiet, das unmittelbar an Pommern und damit an das Heilige Römische Reich grenzte. Ebenfalls unter polnische Oberhoheit kam das Gebiet von Semgallen, das im Nordosten an das restliche Preußen grenzte und den Ordensstaat nun in zwei Teile teilte.

Das östliche Preußen entging der Annexion durch Polen nur deshalb, weil der dort residierende Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, zum Luthertum konvertierte, das ihm unterstehende Ordensterritorium als Herzogtum Preußen säkularisierte und 1525 der polnischen Lehnshoheit unterstellte. Albrechts Linie starb 1618 aus, nachdem sich mehrere seiner Nachkommen als geistig und körperlich labil erwiesen hatten, und das Herzogtum Preußen fiel an die Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern. Die im Baltikum verbliebenen Deutschordensritter des livländischen Ordenszweiges hatten sich in dem Gebiet nördlich von Semgallen zunächst mehr schlecht als recht allein durchgeschlagen – wie in ihren Anfangszeiten nun wieder als selbstständiger Livländischer Orden. Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts gerieten sie jedoch zunehmend unter den Druck des russischen Zarenreiches. Sie riefen den römisch-deutschen Kaiser um Hilfe an, doch die Mehrheit der Reichsfürsten äußerte Zweifel daran, dass das Ordensgebiet überhaupt zum Reich gehöre. Also sahen sich die Ordensritter gezwungen, dem preußischen Beispiel zu folgen: Sie konvertierten zum Luthertum und äußerten ihre Bereitschaft, unter die Schutzherrschaft der polnischen Krone zu treten. Allerdings gelang dies nur den Rittern im südlichsten Teil des Ordensgebiets (heute im Westen Lettlands gelegen), das 1561 zum polnisch-litauischen Lehnsherzogtum Kurland wurde.142 Erik XIV. von Schweden witterte seine Chance, den restlichen Teil Livlands unter seine Herrschaft zu bringen, und ließ ein Expeditionsheer an der livländischen Küste landen. Nachdem die Schweden im Juni 1561 Reval (Tallinn) besetzt hatten, standen Schweden und Polen kurz vor einem Krieg.

Am Ende waren es die Dänen, die 1563 zu den Waffen griffen. Sie glaubten, eingreifen zu müssen, bevor ihre schwedischen Rivalen in Livland Fuß fassen konnten. Da das Vorgehen Eriks die Feindseligkeit Polens und Russlands geweckt hatte, sah Dänemark zudem die Chance, sogar Schweden selbst zurückzuerobern. Ein dänisches Heer griff Livland an, während ein zweites die bereits erwähnte, strategisch überaus bedeutsame Festung Älvsborg einnahm, was in Schweden eine Staatskrise auslöste. Herzog Johann von Finnland, der zweite Sohn Gustav Wasas und Halbbruder Eriks XIV., hatte 1562 Katharina Jagiellonica geheiratet, eine Schwester des letzten Jagiellonenkönigs, und verfügte deshalb über enge Kontakte zum polnischen Königshaus. Er verschwor sich mit seinem jüngsten Bruder und dem kleinen Kreis der schwedischen Aristokratie gegen Erik und betrieb erfolgreich dessen Absetzung, indem er den König für wahnsinnig erklären und 1568 wegsperren ließ – unter anderem wegen dessen Heirat mit einem Mädchen aus dem Volk. Johann konnte sein Land aus dem Krieg gegen Dänemark herausziehen und zahlte eine immense Lösegeldsumme für die Festung Älvsborg. Estland jedoch, den nördlichsten Teil des alten Deutschordensstaates, wollte er nicht wieder hergeben, auch wenn ihm dies ein langwieriges Kräftemessen mit Russland eintrug, das noch bis 1595 andauern sollte. Der wahre Nutznießer des dänisch-schwedischen Dreikronenkrieges war allerdings Polen, welches den Rest des livländischen Territoriums annektierte und sich auf diese Weise einen beträchtlichen Teil der südöstlichen Ostseeküste sicherte.

Obwohl Johann III. 1569 als schwedischer König anerkannt worden war, musste er seine Macht mit einem Reichsrat teilen, den der schwedische Hochadel dominierte. Die Beziehungen zwischen dem Monarchen und seinen Räten verschlechterten sich zusehends, als seine polnischen Ambitionen Johann zu einer Rücknahme der – in Schweden ohnehin nur zögerlich erfolgten – Reformation und zu einer Förderung des Katholizismus animierten. Sein Sohn Sigismund wurde, genau wie viele Schweden seiner Generation, katholisch erzogen; man bereitete ihn darauf vor, einst die Nachfolge der 1572 ausgestorbenen polnischen Jagiellonendynastie anzutreten. Diese Vorbereitungen zeitigten den gewünschten Erfolg, als der polnische Adel den schwedischen Prinzen 1587 als Sigismund III. zu seinem König machte. In Schweden allerdings wurde die Situation nach dem Tod Johanns 1592 nicht gerade einfacher, denn dessen Erbe Sigismund befand sich ja in Polen. Das eigentliche Regierungsgeschäft übernahm Gustav Wasas dritter Sohn Karl, den sein Bruder Johann zum Herzog von Södermanland erhoben hatte, um etwaigen Thronansprüchen gleich das Wasser abzugraben. Karl, in vielerlei Hinsicht der unattraktivste der drei Wasa-Brüder, schmiedete ein Komplott gegen seinen Neffen, dem er die Krone neidete, und erklärte das Luthertum 1593 offiziell zur schwedischen Staatsreligion. Als Sigismund endlich nach Schweden kam, sah er sich vor vollendete Tatsachen gestellt und wurde gedrängt, diese zu sanktionieren; bei seiner Rückkehr nach Polen, die bald erforderlich wurde, musste er überdies die schwedischen Regierungsgeschäfte in den Händen Karls zurücklassen. Die Herausbildung zweier verfeindeter Lager um den Onkel und seinen Neffen wurde durch religiöse, regionalpolitische und persönliche Faktoren begünstigt. Als Sigismund 1598 an der Spitze eines vergleichsweise kleinen polnischen Heeres nach Schweden zurückkehrte, spitzte sich die Lage endgültig zu. Im Zeichen des Luthertums scharte Karl Bürger und Bauern um sich und trieb seinen Neffen und dessen katholische Soldaten im Frühjahr 1600 aus dem Land. In diesem Zusammenhang kam es auch zum berüchtigten „Blutbad von Linköping“, bei dem fünf oppositionelle Mitglieder des Reichsrates enthauptet wurden. Die überlebenden Räte erkannten ihn 1604 als ihren König Karl IX. an. Der Krieg im weiteren Sinne war damit jedoch noch nicht zu Ende, und nach der Schlacht von Kirchholm gelang es den Polen 1605, die Schweden aus Livland zu vertreiben; selbst danach schwelte der Konflikt noch bis 1611 weiter. Die Wasa-Dynastie war nun auf Dauer in zwei verfeindete Zweige gespalten, einen katholisch-polnischen und einen lutherisch-schwedischen, und die erbitterte Feindschaft zwischen den beiden Ländern sollte bis in das 18. Jahrhundert hinein Bestand haben.

Der Bürgerkrieg ließ Schweden isoliert zurück. Die protestantischen Fürsten Europas orientierten sich lieber an Dänemark, weil sie Karl IX. als einen Usurpator und Thronräuber betrachteten – trotz seiner hervorragenden Referenzen als Verteidiger des Luthertums. Außerdem hatte Karl sich bei dem Versuch übernommen, den Handel im östlichen Ostseeraum ebenfalls unter seine Kontrolle zu bringen. Die schwedische Eroberung Estlands – und insbesondere des Hafens von Narva 1581 – hatte dem Moskauer Staat seinen einzigen direkten Zugang zur Ostsee genommen und zwang Zar Iwan IV. („den Schrecklichen“), den russischen Handel vermehrt über das Nordmeer abzuwickeln, wozu 1583 die Hafenstadt Archangelsk gegründet wurde. Karl bemühte sich daraufhin, diesen Handel zu unterbinden, indem er Lappland und die nördliche Spitze Norwegens, die Finnmark, für die schwedische Krone beanspruchte. Diese Gegenden waren zwar weitgehend unbewohnt, hatten jedoch große strategische Bedeutung, wenn Schweden wie geplant Zölle auf den Handel über das Weiße Meer erheben wollte.

Diese Bestrebungen lösten 1611 einen erneuten Krieg zwischen Dänemark und Schweden aus (den Kalmarkrieg), der im Grunde aber nur eine Wiederholung des ersten Konflikts darstellte. Wieder demonstrierte Dänemark seine militärische Überlegenheit, indem es die Festung Älvsborg und andere strategische Punkte besetzte, aber diese Überlegenheit war schon nicht mehr ganz so souverän wie beim ersten Mal, und so schlossen beide Kriegsparteien 1613 erleichtert den Frieden von Knäred. Schweden verzichtete auf seine Ansprüche in Nordnorwegen und auf die vor der estnischen Küste gelegene Insel Ösel (Saaremaa) und musste für Älvsborg wieder einmal tief in die Tasche greifen: 1616–19 wurde eine ganze Million Reichstaler als Lösegeld fällig.143

Ein König und sein Kanzler Schweden akzeptierte diese Bedingungen, weil durch den Tod Karls IX. im Oktober 1611 die Regierungsverantwortung auf dessen 17-jährigen Sohn Gustav II. Adolf übergegangen war, der jedoch nach schwedischem Recht erst an seinem 21. Geburtstag König werden konnte. Die schwedische Aristokratie sah ihre Chance gekommen, ein wenig von dem Einfluss zurückzuerobern, der durch die Unterstützung des „falschen Wasa“ im Bürgerkrieg verloren gegangen war. Viele Angehörige des Hochadels sympathisierten noch immer mit Sigismund und drohten mit einer polnischen Intervention, um Zugeständnisse zu erpressen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Niederlage gegen Dänemark hätte diese Krise leicht zu einem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges führen können – und tatsächlich gab es auf dem Land bereits Unruhen wegen der hohen Steuerlasten, die der Krieg und das Lösegeld für Älvsborg verursachten. Auf Vermittlung des 28-jährigen Adligen Axel Oxenstierna kam es jedoch 1611 zu einem Vertrag über die Thronfolge, den fortan jeder neue König unterzeichnen musste, bevor er die Herrschaft antreten durfte. Die Vorrangstellung des Hochadels im Reichsrat wurde bestätigt, ebenso sein Anspruch auf die fünf hohen Reichsämter (Kanzler, Drost, Schatzmeister, Marschall und Admiral). Oxenstierna selbst wurde schwedischer Reichskanzler. Expertise, Rat und Zustimmung des Reichsrats waren notwendig, um Kriege anzufangen, Steuern einzutreiben und Truppen auszuheben. Die Krone war zudem verpflichtet, mit dem Reichstag (Riksdag) zu verhandeln, der sich in vier Kurien aus den Ständen des Königreichs zusammensetzte (Adel, Klerus, Städte und Bauern) und der die Besteuerung einschränken konnte.

Dass diese Regelung langfristig Erfolg hatte, war auch der begrenzten Anzahl der schwedischen Adelselite zu verdanken. Zum betrachteten Zeitpunkt gab es in Schweden nicht mehr als 600 männliche Adlige im Erwachsenenalter, von denen nur wenige überhaupt in der Reichs- oder Provinzpolitik aktiv waren. Das schwedische Regierungssystem bestand in einer Reihe von persönlichen Beziehungen, und es war Schwedens großes Glück, dass die beiden Hauptprotagonisten nicht nur außergewöhnlich begabt, sondern auch noch eng befreundet waren. Gustav Adolf war eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts und wurde schon zu Lebzeiten zu einer beinahe mythischen Figur.144 Offenbar hinterließ der König gehörigen Eindruck bei allen, die ihn persönlich trafen, und bestimmt hätte man ihn in späteren Zeiten einen Charismatiker genannt. In einer Zeit, in welcher der persönliche Eindruck ein zentraler Aspekt politischer Beziehungen war, besaß Gustav Adolf die Schlüsselkompetenz, mit Menschen ohne Ansehen ihres Standes sprechen zu können, ohne dabei sein eigenes Ansehen zu gefährden oder den Respekt seiner Untergebenen zu verlieren. Eine solche Gabe war in einem Land, dessen König regelmäßig mit dem einfachen Volk in Kontakt kam – sei es auf Reisen oder weil er auf den Reichstagen und den Provinzversammlungen mit den Vertretern der Bauern zu tun hatte –, von entscheidender Bedeutung. Auch zeigten sich die schwedischen Bauern im Umgang mit der Obrigkeit weniger unterwürfig, als es andernorts von ihnen erwartet wurde; einer sagte Gustav Adolf ins Gesicht: „Wenn mein Weib so schmuck angezogen wäre wie deins, König Gustav, so wäre sie wohl ebenso hübsch!“145 Gewiss stellten die einfachen Schweden den grundsätzlichen Kurs ihrer Regierung nicht infrage, aber dass sie dafür tief in die Tasche greifen sollten – davon musste man sie schon überzeugen. Noch schwerer wog, dass jedes Jahr Tausende ihrer Söhne zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Das Talent Gustav Adolfs, seine Ziele den unterschiedlichsten Personengruppen auf überzeugende Weise darzustellen, war ausschlaggebend dafür, dass er für seine weit gespannten Pläne die nötige Unterstützung einwerben konnte.

Gustav Adolfs Charakter beeinflusste auch den Gang der Ereignisse. Viele Zeitgenossen bemerkten in seinem Wesen einen impulsiven Zug. Der König neigte zu heftigen Gefühlsausbrüchen, die er umgehend bereute, obwohl es dabei nur selten zu Tätlichkeiten kam, sondern meist bei Kraftworten blieb. Zwar bemühte er sich, seine Leidenschaften unter Kontrolle zu halten, behielt jedoch einen Hang zu bissigen Bemerkungen und einem insgesamt herrischen Auftreten. Der rastlose Enthusiasmus des Königs hingegen konnte geradezu ansteckend wirken. Gustav Adolf schätzte es einerseits, verschiedene Optionen abzuwägen und den Rat anderer einzuholen, wurde dann aber nicht selten von seinem Temperament übermannt und zu einem plötzlichen Kurswechsel verleitet. Er ging zwar mit Plan und Methode ans Werk, blieb aber vor allem doch ein Mann der Tat, der seine Soldaten persönlich exerzieren ließ, neue Kanonen testete und Kriegsschiffe befehligte. An der einfachen Lebensweise seiner Landsleute hielt er stets fest, war im Feldlager genügsam und teilte ganz bewusst die Nöte seiner Soldaten, bis hin zu dem Punkt, dass er nicht abgekochtes Wasser trank – eine äußerst gefährliche Angewohnheit, die ihm mindestens eine schwere Erkrankung eintrug. Unter dem Einfluss der deftigen deutschen Küche wurde er ab 1630, in den letzten zweieinhalb Jahren seines Lebens, zunehmend korpulent. Für Pomp und Pracht hatte er keinen Sinn, verstand aber durchaus deren politische Zweckmäßigkeit in der Betonung seines königlichen Status. Als er bei einem Ball in Frankfurt 1631 bemerkte, dass nicht genug Damen für alle Tänzer zugegen waren, befahl er kurzerhand, in der Stadt „Verstärkung auszuheben“.

Gustav Adolfs Ruhm wurde dadurch noch vermehrt, dass er dem Vernehmen nach unverwundbar war. Bei gleich mehreren Gelegenheiten hatte man ihm das Pferd unter dem Sattel weggeschossen, oder er war mitsamt dem Tier durch die Eisdecke eines zugefrorenen Flusses gebrochen. Freunde und Kampfgefährten waren direkt neben ihm von Geschossen zerfetzt worden – der König aber hatte jedes Mal wie durch Zauberkraft überlebt. Man erzählte sich, bei der Belagerung von Riga 1621 habe eine Kanonenkugel die Leinwand seines Zeltes zerrissen, sei dann aber geschlingert und habe Gustav Adolfs Kopf nur knapp verfehlt. Im August 1627 traf ihn in der Schlacht bei Dirschau (Tczew) an der Weichsel tatsächlich eine Kugel in den Nacken, und obwohl es nicht gelang, das Projektil zu entfernen, genas der König beinahe völlig: Einzig der Nacken blieb steif. Solche Erlebnisse bestärkten Gustav Adolf in seinem Glauben an die göttliche Vorsehung und daran, dass er selbst ein Werkzeug dieser Vorsehung sei. Manche späteren Autoren, namentlich Georg Wilhelm Friedrich Hegel, nahmen den König beim Wort und sahen in ihm einen „Helden des Protestantismus“, dessen Bestimmung es gewesen sei, den Lauf der Geschichte offenbar werden zu lassen. Gustav Adolf war mit der Propaganda seines Vaters aufgewachsen, die das Ringen des Hauses Wasa um die Macht mit dem Kampf für den Protestantismus verknüpft hatte. Allem Anschein nach war auch der Sohn fest davon überzeugt, dass diese beiden Belange letztlich identisch waren. Während einer Deutschlandreise 1620 bestach Gustav Adolf in Erfurt einen katholischen Priester, damit dieser ihn heimlich eine Messfeier beobachten ließ. Das Erlebnis bestätigte selbst die schlimmsten Vorurteile, die der junge König über den Katholizismus gehabt hatte. Sein persönlicher Glaube blieb jedoch protestantisch im weiten Sinne des Begriffs und ließ sich nicht auf eine eng konfessionelle Orientierung festlegen. Die Forderung der lutherischen Geistlichkeit Schwedens, er solle in seinem Thronvertrag zur Unterzeichnung des konservativen Konkordienbuches verpflichtet werden, wies er 1611 ab. Außerdem war er durchaus bereit, religiöse Gefühle für seine politischen Zwecke zu manipulieren. Dass sein Vater calvinistische Neigungen gehabt hatte, war allgemein bekannt; und obwohl er selbst eher dem Luthertum zuneigte, ließ Gustav Adolf die calvinistischen Fürsten des römisch-deutschen Reiches hübsch in dem Glauben, er sei einer von ihnen.

Axel Oxenstierna war der zweite Mann in diesem Doppelgespann. In einer berühmten Anekdote, die Oxenstierna selbst mitgeteilt hat, sagt er über Gustav Adolf: „Wenn es bei diesem König einen Fehler gegeben hat, dann war es dieser, dass er manchmal sehr cholerisch sein konnte. Das war sein Temperament und er pflegte gewöhnlich mir zu sagen: ‚Ihr seid zu phlegmatisch. Würde sich nicht etwas von meiner Hitze mit diesem Phlegma mischen, würden meine Geschäfte nicht zu einem solch guten Effekt kommen, den sie haben.‘“ Darauf habe Oxenstierna geantwortet: „Sire, wenn mein phlegmatisches Temperament nicht ein wenig Kälte mit Eurer Hitze mischen würde, hätten Eure Geschäfte nicht so ein gutes Gedeihen …“ – und der König habe „herzlich gelacht“.146

In mancher Hinsicht war der neue Kanzler wohl tatsächlich das genaue Gegenteil seines Königs. Oxenstierna hatte zusammen mit seinen Brüdern in Rostock, Wittenberg und Jena eine gut protestantische Universitätsbildung genossen. Er war ein Musterstudent gewesen, hatte bis tief in die Nacht über seinen Büchern gesessen und diese Angewohnheit auch dann nicht aufgegeben, als er 1605 in den Dienst der schwedischen Krone getreten war. Der sächsische Kurfürst nannte ihn verächtlich einen „Schreiberling“, und tatsächlich äußerte Oxenstierna wiederholt sein Bedauern darüber, dass die Staatsgeschäfte ihn von seiner Bibliothek und seinen geistigen Interessen fernhielten (so wurde er im Februar 1634 in die „Fruchtbringende Gesellschaft“ Ludwigs von Anhalt aufgenommen). Sein überragendes Gedächtnis und sein Auge für Details sicherten ihm einen raschen Aufstieg in immer höhere Ämter – freilich werden seine Beziehungen zu den führenden Familien des schwedischen Adels dabei auch nicht geschadet haben. Seine privilegierte Erziehung bewirkte einen Hang zur Arroganz, und Oxenstierna konnte seinen Mitstreitern gegenüber geradezu beleidigend werden, wenn er wieder einmal der Meinung war, er selbst sei der einzige fähige Mann im Raum. Anders als sein König besaß er nicht den geringsten Sinn für Humor, war aber dafür mit einem gesunden Schlaf gesegnet, blieb allzeit gelassen und bewahrte sich seine kühle Berechnung selbst unter äußerstem Druck.

Die Grundlagen der schwedischen Macht Die Partnerschaft zwischen Gustav Adolf und seinem Kanzler Oxenstierna lässt sich grob in fünf Phasen einteilen. In den ersten sechs Jahren ihres Zusammenwirkens waren sie damit beschäftigt, das Land aus den Konflikten zu befreien, in die Karl IX. es hineinmanövriert hatte. Dann folgte eine kurze Phase innerer Reformen, die der schwedischen Militärmacht entscheidenden Auftrieb gab. Auf die Probe gestellt wurde diese neue Schlagkraft erstmals ab 1621, als Gustav Adolf einen langwierigen Krieg mit Polen begann, der bis 1629 andauern sollte (siehe Kapitel 13). Bereits 1630 folgte die Intervention in Deutschland, ehe der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen Oxenstierna zwei Jahre darauf als einzigen Mentor für dessen junge Tochter, die Königin Christina, zurückließ.

Die Beendigung der Kriege mit Dänemark und Russland in den Jahren bis 1617 erlaubte es dem König und seinem Kanzler, die schwedische Monarchie durch die bewusste Inszenierung der lange aufgeschobenen Krönung Gustav Adolfs zu stabilisieren. Außerdem hoben sie die autonomen Herzogtümer auf, die verschiedenen Mitgliedern der Königsfamilie verliehen worden waren, damit diese nicht zu Einfallstoren für die Intrigen schwedischer Katholiken im polnischen Exil werden konnten. Auch das schwedische Regierungssystem wurde reformiert, wobei man die Auswirkungen dieser Reformen nicht zu hoch veranschlagen sollte. Es stimmt zwar, dass sie für andere Staaten zum Vorbild wurden, namentlich für Brandenburg-Preußen und das Russland Zar Peters des Großen, doch geschah dies erst später im 17. Jahrhundert und dann infolge der verbreiteten Bewunderung für die schwedischen Siege der 1630er- bis 1650er-Jahre. Die Reformen wurden nach und nach eingeführt; ein klarer Entwurf für rational oder, nach einem Schlagwort der Zeit, more geometrico erfolgende Veränderungen war nicht zu erkennen. Der königliche Rat löste sich langsam aus der adligen Kurie im Riksdag heraus und wurde schließlich zu einem professionell agierenden Gremium, das in einem beinahe modernen Sinne die Regierung verkörperte und nicht mehr eine bestimmte soziale Schicht. Dies hing zusammen mit einer funktionalen Differenzierung nach bestimmten Zuständigkeitsbereichen innerhalb der schwedischen Verwaltung, die zur Schaffung von Reichskollegien im Umfeld der ihnen entsprechenden fünf Reichsämter führte: Kanzlei, Oberstes Gericht, Schatzkammer, Admiralität und Kriegsrat. In der Praxis hatten sich diese Kollegien bereits um 1630 voll ausgebildet; vier Jahre später wurden sie im Zuge weiterer Reformen auch formell festgeschrieben. Keine dieser Veränderungen war sonderlich bemerkenswert. Tatsächlich hatten die meisten deutschen Fürstentümer ganz ähnliche Reformen ihrer Verwaltung schon ein gutes Jahrhundert vorher eingeführt. Doch sobald Schweden erst einmal damit begonnen hatte, drängte es, was die Effizienz der Umsetzung betraf, bald an die Spitze und schuf so die Voraussetzung für weitere Steuer- und Militärreformen.

Die dringende Notwendigkeit, das Lösegeld für die Festung Älvsborg aufzubringen, zwang die schwedische Krone zu einer Revision ihrer Finanzen und bewirkte die Einführung neuer Steuern auf der Grundlage einer Volkszählung, die mithilfe der lutherischen Geistlichkeit durchgeführt wurde. Die neuen Steuerlisten erlaubten von 1620 an die Erhebung permanenter Steuern, die nicht mehr jedes Mal mit dem Riksdag ausgehandelt werden mussten. Der Adel akzeptierte diese Regelung, weil er selbst von ihr ausgenommen war, während seine bäuerlichen Pächter nur die Hälfte der Steuern zu entrichten hatten, die von den Pächtern der Krone erhoben wurden. Schweden modernisierte seine Domänenwirtschaft schneller als der Rivale Dänemark und führte anstelle der alten Pachtzahlung in Naturalien Geldzahlungen ein. Außerdem wurde die Produktion von Handelsgütern für den internationalen Markt vorangetrieben. Niederländische Steuerfachleute halfen 1623 bei der Einführung der Akzise, einer städtischen Verbrauchssteuer, sowie der Doppik (doppelten Buchführung) bei der schwedischen Schatzkammer im Jahr darauf. Bald verfügte die schwedische Verwaltung über das modernste Rechnungswesen in ganz Europa. Andere Experten wurden verpflichtet, um die Bodenschätze und anderen natürlichen Ressourcen Schwedens zu erschließen. Dabei tat sich vor allem das Konsortium der bereits erwähnten Familien Trip und De Geer aus den Niederlanden hervor, das in den 1620er-Jahren quasi im Alleingang den schwedischen Bergbau begründete. Unter niederländischer Anleitung verfünffachte sich über die nächsten 30 Jahre die jährliche Fördermenge an Kupfer auf schließlich 3000 Tonnen; schon 1637 machten Eisen und Kupfer 67 Prozent des schwedischen Exportvolumens aus.147 Die Teilnahme am internationalen Handel war für die weitere militärische Expansion unerlässlich, denn sie öffnete der schwedischen Krone die Tür zu ausländischen Krediten. Schweden knüpfte ein Netz von Handelsagenten, die in allen wichtigen Geschäftszentren vertreten waren – darunter etwa Johan Adler Salvius, der in Hamburg mit den politischen und finanziellen Unterstützern der schwedischen Krone verhandelte. Die Einnahmen aus dem Kupferexport dienten zusammen mit den verlässlicheren Einkünften aus der Domänenwirtschaft als Sicherheit für Kredite, mit denen die schwedischen Agenten Kriegsgüter einkauften und Söldner anwarben.

Große Summen flossen in den Ausbau der schwedischen Kriegsflotte, die bis 1630 auf 31 Segelschiffe mit insgesamt 5000 Mann Besatzung angewachsen war. Die Marine diente Schweden sowohl als Bollwerk wie auch als Brücke.148 Ihre Offensivkapazität lag in der Fähigkeit, ein schwedisches Heer zur südlichen Küste der Ostsee oder auf eine der dänischen Inseln zu transportieren und anschließend von See aus Feuerschutz zu geben. Zugleich bildete sie aber auch die erste Verteidigungslinie, um ein feindliches Heer erst gar nicht in Schweden landen zu lassen. Um mit der vielfältigen Beschaffenheit der Ostsee und ihrer Küsten umgehen zu können, wurden zwei verschiedene Schiffstypen benötigt. Die Gewässer vor der schwedischen Ost- und der finnischen Südküste waren flach, die Durchfahrten zwischen den unzähligen vorgelagerten Inseln eng. Die mecklenburgische Küste bis zur Odermündung war gleichfalls eher seicht; zahlreiche Sandbänke erschwerten die Navigation. Dasselbe gilt für viele Küstenregionen und Häfen im Baltikum. Die Schweden entwickelten deshalb vergleichsweise kleine, mit Rudern versehene Schiffe zur Unterstützung ihrer Heere im unmittelbaren Küstenbereich sowie auf den Flüssen, die in die Ostsee mündeten. Diese Galeeren konnten freilich auch eingesetzt werden, um Schwedens eigene Küsten zu verteidigen. Für die eigentliche Schlachtflotte wurden daneben große Segelschiffe benötigt, mit denen man die stärkeren dänischen Kriegsschiffe noch auf dem offenen Meer abfangen konnte. Für Operationen in den tieferen Gewässern vor der schwedischen Westküste und der norwegischen Küste, wo es ebenfalls zahlreiche Inseln gab, wurden beide Schiffstypen kombiniert. Zwei getrennte Flotten konnte die schwedische Krone sich nicht leisten, und so musste der Bedarf an hochseetauglichen Schlachtschiffen auf der einen Seite und an flachbödigen Galeeren für Landungsoperationen und Küstenverteidigung auf der anderen sorgsam austariert werden.

Die schwedischen Heeresreformen haben in der Forschung größere Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die Entwicklungen innerhalb der schwedischen Marine. Das Land wurde 1617/18 in Rekrutierungsbezirke eingeteilt, wobei man auf Meldelisten zurückgreifen konnte, die bereits seit 1544 geführt wurden. Jeder Bezirk sollte aufgrund der regelmäßigen Musterung aller wehrfähigen Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren ein Regiment (später mehrere) zur Verfügung stellen. Manche Städte waren von dieser Verpflichtung befreit, dasselbe galt für die Besitzungen des Hochadels sowie all jene Gebiete, in denen Eisen- oder Kupferbergbau betrieben wurde. Wie bei den Verwaltungsreformen dauerte es auch hier mehrere Jahrzehnte, bis das schwedische Militärsystem sich zu seiner vorerst endgültigen Form entwickelt hatte. Fixiert wurde das Ergebnis erst 1634, als die schwedische Armee auf 13 schwedische und 10 finnische Infanterieregimenter festgelegt wurde, zu denen 5 schwedische und 3 finnische Kavallerieregimenter traten; jedes Regiment war nach der Provinz benannt, aus der es stammte. Dieses System blieb im Grunde bis 1925 unverändert. Die Rekruten aus Küstenregionen schickte man zur Marine, obgleich nur wenige von ihnen vor ihrer Musterung zur See gefahren waren. Die Verwaltungsabläufe wurden verbessert, indem man die einzelnen Regimenter dazu verpflichtete, ihre Rekrutenzahlen regelmäßig der königlichen Kriegsakademie zu melden; zudem wurden 1621 und 1632 neue Disziplinarordnungen eingeführt.149 Die Aushebung wurde 1642–44 verschärft durch die neue Verwaltungseinheit der rotar, zu denen noch unter der Gemeindeebene jeweils eine bestimmte Anzahl von Bauernhöfen zusammengefasst wurde. Jede Gruppe von Bauern musste für einen Soldaten zahlen. Dies bereitete den Boden für die letzte Stufe der Reform, die 1682 mit der Einführung des „Einteilungswerkes“ (indelningsverket) erreicht war und bis 1901 Bestand haben sollte: Je ein Hof in jeder Aushebungseinheit wurde zum Unterhalt eines Soldaten in Friedenszeiten vorgesehen; wenn nun der Krieg kam und die Armee mobilmachte, übernahmen die Nachbarn die Bestellung von dessen Landstück.

Spätere Kommentatoren haben viel in diese Maßnahmen hineingelesen – vor allem in den Vereinigten Staaten, wo Gustav Adolfs Vermächtnis auf den Lehrplan der Militärakademie von West Point gesetzt wurde. So wird der König etwa gepriesen als „einer der herausragenden Soldaten der Weltgeschichte und zugleich vielleicht der größte militärische Organisator und Innovator aller Zeiten“, der „eine vollkommen neuartige Militärdoktrin“ formuliert habe.150 Der führende britische Militärtheoretiker des 20. Jahrhunderts hat Gustav Adolf den „Begründer der modernen Kriegführung“ genannt, weil er angeblich als Erster die volle Bedeutung der Feuerwaffen auf dem Schlachtfeld erfasst habe und als Erster mit einer klaren Zielvorstellung ins Feld gezogen sei.151 Die schwedischen Militärreformen hätten „die erste moderne Armee“ geschaffen, indem sie auf eine landesweite Wehrpflicht und ein Offizierskorps aus Berufssoldaten setzten und zu offensivem wie defensivem Vorgehen gleichermaßen befähigten.152

Derartige Lobeshymnen haben ihre Ursache in der starken teleologischen Färbung eines großen Teils der Militärgeschichtsschreibung, der in der Vergangenheit nach Lehrstücken oder Präzedenzfällen für die Doktrinen unserer Gegenwart sucht. Ganz ähnliche Bewertungen wurden auch dem Preußenkönig Friedrich dem Großen zuteil, der Mitte des 18. Jahrhunderts mit einer zumindest in Teilen aus Wehrpflichtigen bestehenden Armee das habsburgische Österreich bezwang. Beide Monarchen, Gustav Adolf wie den „Alten Fritz“, hat man als Kriegerkönige dargestellt, die in scheinbar aussichtsloser Lage spektakuläre Siege errangen. Insbesondere hat man die militärischen Erfolge Preußens im 18. Jahrhundert – genau wie jene Schwedens im 17. Jahrhundert – auf die vermeintlichen „Nationalarmeen“ beider Länder zurückgeführt, die homogener und also motivierter gewesen seien als die zusammengewürfelten Heere ihrer Gegner. Dabei bestanden sowohl die schwedische als auch die preußische Armee in Wirklichkeit zu über 50 Prozent aus professionellen Söldnern, von denen viele aus dem Ausland kamen.153 Wie die preußische Wehrpflicht war auch das System Gustav Adolfs eigentlich die Behelfslösung eines armen Landes mit einem unterkapitalisierten Agrarsektor, das noch dazu am äußeren Rand des europäischen Handelsraumes lag. In einem Staat, in dem das nötige Kleingeld für die Anwerbung weiterer Söldner fehlte, leistete die Konskription einen sprichwörtlichen Blutzoll. Das war auch den Zeitgenossen bewusst, und entsprechend wurde über die Musterungsquoten ebenso wie über andere Steuern im Riksdag debattiert. Am schwersten traf es die Ärmsten, denn wer sich augenscheinlich nicht selbst versorgen konnte, wurde automatisch eingezogen, während die wohlhabenderen Männer einer Gemeinde Lose zogen. Davon ganz abgesehen lenkt die ständige Fixierung auf Gustav Adolf als den „größten Feldherrn seiner Zeit“ völlig davon ab, wie – und warum – das schwedische System tatsächlich funktionierte. Die größtenteils auf Weidewirtschaft beruhende Agrarökonomie Schwedens und Finnlands ging mit einer dezentralisierten, auf viele kleine Einzelbauernhöfe verteilten Wirtschaftsweise einher, bei der viele Aufgaben von den Frauen übernommen werden konnten, wenn ihre Männer in den Krieg zogen. Es konnte deshalb ein wesentlich höherer Anteil der männlichen Bevölkerung zum Militärdienst verpflichtet werden, als dies in den Getreidewirtschaften Mittel- und Osteuropas möglich war, wo die Männer stattdessen zur Erntearbeit auf den Feldern ihrer Grundherren verpflichtet wurden.

Der Griff nach der Macht Die tiefere Bedeutung der schwedischen Reformen nach 1617 liegt indes darin, dass sie bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts die internationale Stellung des Landes nachhaltig veränderten: Schweden wandelte sich von einer besiegten und erniedrigten Mittelmacht zu der Großmacht im Ostseeraum. Allerdings kann der Aufbau einer fiskalisch-militärischen Infrastruktur nur erklären, wie die Schweden ihren Machtbereich ausdehnten – aber nicht, weshalb sie das taten. Die letztere Frage ist eine berechtigte, gab es doch etliche Gründe, weshalb die schwedische Krone jeglichen Krieg hätte vermeiden sollen; immerhin liegt Schweden am Rand Europas und verfügte sein König nur über begrenzte Mittel und keine nennenswerten Verbündeten. Die Erklärungsansätze für den schwedischen Imperialismus lassen sich grob in zwei Lager einteilen.154 Deren „alte Schule“ wird vertreten durch Gustav Adolfs maßgebliche Biografen, nach deren Auffassung die schwedische Expansion nur einer Umzingelung durch Dänemark und Polen zuvorkommen sollte. Obwohl diese Autoren strukturelle Aspekte durchaus nicht vernachlässigen – so verweisen sie etwa auf die geografische Lage Schwedens oder das europäische Gleichgewicht der Kräfte –, liegt ihr Hauptaugenmerk auf dem Handeln „großer Männer“, sprich des Königs und seines engsten Beraterkreises. Nach 1600 sei klar gewesen, dass Sigismund fest entschlossen war, den schwedischen Thron zurückzuerobern; allein die mangelnde polnische Bereitschaft zu seiner Unterstützung habe ihn zurückgehalten. Die dynastische Spaltung innerhalb des Hauses Wasa sei durch den konfessionellen Gegensatz verstärkt worden, wobei die Schweden außerdem von jenem Nationalmythos inspiriert gewesen seien, der in ihnen die Nachfahren der Goten sah – und die hatten ja immerhin das Römische Reich bezwungen.

Die „neue Schule“ betont im Gegensatz dazu den Unterschied zwischen (tatsächlichem) Handlungsmotiv und (geäußerter) Handlungsbegründung. Die „Selbstverteidigung“ Schwedens sei nur vorgeschoben gewesen, um wirtschaftliche Absichten zu kaschieren. Schweden habe den lukrativen Ostseehandel an sich reißen wollen und es dabei vor allem auf Getreide, Pelze und andere Handelsgüter aus Russland abgesehen. Im Jahr 1623 stammten gerade einmal 6,7 Prozent der schwedischen Nettoeinnahmen aus der Erhebung von Zöllen, was einerseits einen Mangel an Handelsaktivität im Inland offenbart, andererseits die Auswirkungen der dänischen Herrschaft am Sund deutlich werden lässt. Für gut 23 Prozent der Staatseinnahmen sorgte der Kupferexport, eine reine Rohstoffindustrie, während rund 45 Prozent der Einnahmen noch immer auf die Domänenwirtschaft entfielen. Eine solche Wirtschaftsstruktur ließ weder Großmachtstatus noch aristokratischen Prunk erhoffen. Wenn es nun aber, so die Vertreter der „neuen Schule“, Schweden gelungen wäre, die östliche Ostseeküste für sich zu gewinnen, dann hätte es die russischen und polnischen Handelswaren direkt an der Quelle erwerben und besteuern können – unter Umgehung der dänischen Zollstationen. Manche haben diesen Argumentationsstrang sogar noch schärfer gefasst und behauptet, die schwedische Krone habe absichtlich Kriege vom Zaun gebrochen, um sich selbst und ihre adligen Gefolgsleute zu bereichern. Zweifellos eröffnete die Teilnahme an einem Krieg neue Möglichkeiten – vor allem für den Adel, der sich in dieser Zeit zu einer reicheren und klarer abgegrenzten sozialen Gruppe entwickelte, als dies vorher der Fall gewesen war. 1633 erreichten die schwedischen Adligen für ihre Pächter eine Teilbefreiung von den seit 1620 eingeführten Steuern, wohingegen die Kronpächter noch immer den vollen Satz zu zahlen hatten. Auch die Wehrpflicht traf die Kronpächter und Freibauern härter als die abhängigen Bauern: Aus der ersten Kategorie wurde einer von zehn Männern eingezogen; bei der zweiten war es einer von zwanzig. Das bedeutete im Grunde eine Umverteilung landwirtschaftlicher Vermögenswerte in die Kornkammern und Geldbörsen des Adels, dem es die niedrigere Belastung durch den Staat nämlich ermöglichte, einen größeren Anteil von der Ernte der ihm unterstellten Bauern einzuziehen. Er profitierte aber auch auf direktere Weise vom Krieg, weil der König gezwungen war, anstelle von Geldzahlungen Kronrechte an die Adligen abzutreten, etwa so, wie es seit den 1590er-Jahren auch zwischen der spanischen Krone und den Adligen in Kastilien geschehen war.

Im Grunde hat die „neue Schule“ natürlich recht: Man sollte durchaus zwischen Handlungsbegründungen und den tatsächlich zugrunde liegenden Motiven unterscheiden. Alles in allem kann ihre Interpretation aber nicht überzeugen. Schließlich war das Anhäufen von Reichtümern selbst für den schwedischen Adel kein Selbstzweck, sondern diente dem Erreichen diverser anderer Ziele. In der letzten Zeit hat man den schwedischen Imperialismus dadurch zu erklären gesucht, dass man auf ein Geltungsbedürfnis der schwedischen Elite hinwies, die sich auf dem internationalen Parkett habe beweisen wollen, zu ihrem eigenen Vorteil und dem ihres Königreichs.155 Ein solches Geltungsbedürfnis empfanden tatsächlich sämtliche europäischen Monarchen und Aristokraten, aber es ist wenig ersichtlich, warum ausgerechnet dieses Motiv über andere (konfessionelle, dynastische oder strategische) Interessen hätte gestellt werden sollen. Stattdessen handelte es sich dabei wohl eher um eine Facette eines wesentlich komplexeren Bündels von Motiven, deren Gewichtung sich je nach Situation verschieben konnte. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gustav Adolf, Oxenstierna und andere Schlüsselfiguren jener Zeit ihre Entscheidungen nicht im luftleeren Raum trafen, sondern sich mit bestimmten Rahmenbedingungen zu arrangieren hatten, die sich ihrer Kontrolle entzogen. Sobald Schweden seine ersten Schritte in Richtung Großmachtstellung getan hatte, verlief die weitere Entwicklung zudem nach einer gewissen inneren Logik, der man sich nur mit Mühe entziehen konnte. Da dem Land die nötigen Ressourcen für einen langwierigen Krieg eigentlich fehlten, musste es seine Truppen „auf Pump“ mobilisieren und dann hoffen, einen raschen Sieg zu erringen, um mit der Kriegsbeute seine Schulden begleichen zu können. Allerdings reichten die Anfangserfolge der Schweden nie aus, um langfristig die benötigten Mittel für eine Fortsetzung des Konflikts oder auch nur die Absicherung der bereits eroberten Gebiete zu beschaffen. So wurden immer weitere Kriegszüge erforderlich, um ein Reich zu erhalten, das sich ein Stehenbleiben schlicht nicht leisten konnte. Solche strukturellen Faktoren traten zeitgenössisch nur dann ins Bewusstsein, wenn der König und seine Berater von Verteidigung sprachen und ihre Sorge über die feindseligen Absichten fremder Mächte äußerten. Denn Verteidigung war in ihren Augen ein legitimes Anliegen, hatten sie doch als Diener Gottes auf Erden den wahren Glauben und die Rechte des Königs als eines Herrschers von Gottes Gnaden zu beschützen.

Schweden und das Reich Den Ausschlag gaben dynastische Erwägungen. Sowohl Gustav Adolf als auch jene Adligen, die ihn als schwedischen König akzeptiert hatten, konnten nur verlieren, falls Sigismund eine Rückeroberung des Landes gelingen sollte. Die Besorgnis Gustav Adolfs über eine mögliche Verschwörung schwedischer Katholiken im polnischen Exil mag uns aus heutiger Sicht an den Haaren herbeigezogen erscheinen, war aber letztlich nichts anderes als die frühneuzeitliche Entsprechung des heutigen Glaubens an die Allgegenwart terroristischer Netzwerke. Die Polen, glaubte man, steckten mit den Habsburgern und dem französischen Adel unter einer Decke, um einen neuen katholischen Ritterorden zu begründen, der einen Kreuzzug gegen die lutherischen Wasa führen sollte. Auf dem Reichstag von Örebro wurde 1617 den schwedischen Katholiken ein Ultimatum gestellt: Sie sollten innerhalb von drei Monaten das Land verlassen, andernfalls hätten sie ihr Leben verwirkt. Der Katholizismus als solcher wurde mit dem verräterischen Kontakt zu Sigismund gleichgesetzt. Trotz intensiver Überwachungsmaßnahmen gelang es der schwedischen Obrigkeit jedoch nicht, mehr als drei ihrer Untertanen vor Gericht zu bringen; diese hatten einem deutschen Jesuiten dabei geholfen, katholisches Schriftgut zu verbreiten.

Internationalen Verschwörungen, so viel war sicher, musste man mit einer ähnlich breit aufgestellten Allianz der Gerechten entgegentreten. Gustav Adolf war bereits mit mehreren bedeutenden Familien des protestantischen deutschen Adels verwandt. Seine Mutter (die zweite Frau Karls IX.) war Christina von Holstein-Gottorf, eine Enkelin des Reformationshelden Landgraf Philipp von Hessen. Über Anna Maria von der Pfalz, die älteste Tochter von Kurfürst Ludwig VI. und erste Frau Karls IX., stand Gustav Adolf zudem in einem Verwandtschaftsverhältnis zu der mächtigsten calvinistischen Familie des Reiches. Gustav Adolfs ältere Halbschwester Katharina, das einzige Kind aus der ersten Ehe seines Vaters, das bis ins Erwachsenenalter überlebte, heiratete den Pfalzgrafen Johann Casimir von Zweibrücken-Kleeburg, was die Verbindung zwischen Schweden und der Calvinisten-Dynastie aus der Pfalz noch enger werden ließ. Bald stand auch die Frage von Gustav Adolfs eigener Verehelichung auf der Tagesordnung; schließlich musste er dringend einen legitimen Thronfolger zeugen, um die Gefahr einer polnischen Restauration zu bannen. Seine Familie zeigte sich tief beunruhigt über sein Verhältnis mit Margareta Slots, der niederländischen Ehefrau eines Offiziers der schwedischen Armee, die ihm 1616 einen unehelichen Sohn namens Gustav Gustavsson gebar.

Im Jahr 1615 begannen Verhandlungen über eine mögliche Heirat zwischen Gustav Adolf und Maria Eleonora von Brandenburg, der ältesten Tochter des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund. Die geplante Verbindung würde Schweden mit einem weiteren protestantischen Kurfürstentum verbinden und versprach deutliche strategische Vorteile: Brandenburg würde in absehbarer Zeit das Herzogtum Preußen erben (was 1618 dann auch geschah). Sobald dieses Territorium erst einmal in freundlichen Händen sein würde, befände sich das polnische Livland quasi in einer Zwickmühle, denn Schweden kontrollierte ja bereits Estland im Norden. Nach der Heirat Christians IV. von Dänemark mit Johann Sigismunds Schwester Anna Katharina bestand so außerdem die Möglichkeit, den dänischen Einfluss in Brandenburg zu neutralisieren. Allerdings brachte der schwedische Antrag den Kurfürsten in Bedrängnis: Eine Allianz mit Schweden mochte ihm Polen gegenüber zwar ein Druckmittel in Sachen Preußen an die Hand geben; zugleich wäre ihm damit aber die langfristige Feindschaft des polnischen Königs Sigismund sicher. Johann Sigismunds Gemahlin, Anna von Preußen, befürchtete, die Polen würden im Fall einer brandenburgisch-schwedischen Heiratsallianz ihre Heimat besetzen, und erklärte deshalb, sie sähe ihre Tochter lieber tot als in Schweden. Dann trafen weitere Heiratsanträge aus Dänemark und Polen ein, was den Entscheidungsdruck deutlich erhöhte. Offenbar überschätzten sämtliche beteiligten Parteien das brandenburgische Potenzial, denn von den vier weltlichen Kurfürstentümern war Brandenburg fraglos das schwächste. All die Aufregung um ihre Person stieg Maria Eleonora zu Kopf, und sie steigerte sich in eine leidenschaftliche Verliebtheit in Gustav Adolf hinein, mit dem sie freilich nicht unter vier Augen zusammentreffen durfte, bis ihr Schicksal entschieden war.

Gustav Adolf verlor die Geduld und wurde – gegen den Rat seiner Familie und engsten Vertrauten – im April 1620 persönlich in Berlin vorstellig. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er sich kaum aussuchen können. Der Kurfürst Johann Sigismund war Monate zuvor gestorben, und sein Sohn und Erbe Georg Wilhelm weilte gerade in Königsberg, um sich die polnische Bestätigung seines preußischen Erbes zu sichern. Nach einem frostigen Empfang durch die Kurfürstinwitwe gab Gustav Adolf dem Drängen seines Schwagers Johann Casimir nach und reiste eilends nach Heidelberg ab, um sich lieber dort eine pfälzische Prinzessin vorstellen zu lassen, von der er schon viel Gutes gehört hatte. Kaum hatte der Schwede Berlin verlassen, änderte Anna ihre Meinung, weil ihr eine polnische Heirat plötzlich als die noch schlechtere Option für ihre Tochter erschien. Die brandenburgischen Eilboten waren erfolgreich, Gustav Adolf kehrte um und konnte bei einem privaten Zusammentreffen mit Maria Eleonora am 18. Juni seinen ganzen Charme spielen lassen. Tags darauf wurde die Verlobung bekannt gegeben, und im November reisten Gustav Adolfs Braut und seine künftige Schwiegermutter nach Stockholm, wo die Hochzeit sein sollte. Kurfürst Georg Wilhelm war klugerweise in Königsberg geblieben und hatte die ganze Zeit über verlautbaren lassen, er für seinen Teil habe mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun.

Die Ehe war ein Desaster für alle Beteiligten. Gustav Adolf hatte Maria Eleonora aus politischem Kalkül geheiratet und bezeichnete seine intelligente, empfindsame Frau als „ein schwaches Weib“. Maria Eleonora ihrerseits hasste ihr neues Zuhause zutiefst, da es nach ihren eigenen Worten nichts zu bieten hatte als „Felsen und Berge, eiskalte Luft und dergleichen“.156 Sie hatte einen Ehemann gewollt – und einen König bekommen. Der wiederum fand Maria Eleonoras eifersüchtige, besitzergreifende Art über die Maßen lästig. Schlimmer noch: Sie gebar ihm nicht den ersehnten Sohn und Erben, sondern stattdessen zwei Töchter, von denen nur die zweite, Christina, überlebte, um das Erbe ihres Vaters anzutreten. Die schwedische Thronfolgeregelung ließ eine weibliche Erbfolge zu, aber der Großteil der Bevölkerung fand allein die Vorstellung, eine Königin zu haben, überaus befremdlich. Gezielt wurde Gustav Adolfs Neffe Karl Gustav, ein Sohn Johann Casimirs von Pfalz-Zweibrücken, mit Christina zusammen erzogen, damit man auf ihn im Bedarfsfall würde als Ersatzthronfolger zurückgreifen können. Tatsächlich sollte er ihr nach ihrer Abdankung 1654 als Karl X. auf den schwedischen Thron folgen. Die erhofften politischen Vorteile aus der brandenburgisch-schwedischen Allianz blieben ebenfalls aus. Georg Wilhelm von Brandenburg vermied es tunlichst, den polnischen König zu verärgern, und erhielt von diesem denn auch das Herzogtum Preußen zum Lehen. Gustav Adolf sah das Verhalten seines Schwagers mit wachsender Verbitterung; als Schweden in den Dreißigjährigen Krieg eintrat, hatte er eigentlich nur noch Verachtung für ihn übrig.

Obwohl die Heirat Gustav Adolfs mit Maria Eleonora von Brandenburg also nicht besonders glücklich war – weder in persönlicher noch in politischer Hinsicht –, ist sie doch aus zwei Gründen bedeutsam. Zum einen veranschaulicht sie, welch großes Gewicht dynastischen Erwägungen in der europäischen Politik zukam, in der so nicht allein die Männer, sondern auch deren weibliche Familienangehörige eine Rolle spielten. Insbesondere wird deutlich, wie beschränkt der schwedische Horizont zu der betreffenden Zeit noch war. Gustav Adolf hatte die Option einer weiter ausgreifenden Heiratsallianz mit der Kurpfalz verworfen, um stattdessen in eine weniger einflussreiche Familie einzuheiraten, die dafür in Ostseenähe residierte. Schweden war schlicht noch nicht in der Position, als strahlender Verteidiger des Protestantismus aufzutreten – dieser Ehrentitel gebührte noch immer Dänemark.

Der Dreißigjährige Krieg

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