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Der Sonntag ohne Ende

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Wie gesagt, der Sonntag geht beschissen los. Er wird kein Ende nehmen. Nichts ist los. Unendliche Langeweile. Er erinnert sich genau und sieht alles vor sich, wie im Film. Jetzt aber hat ihn die Erinnerung gefangen, unversehens ist sie Gegenwart geworden. – „So, jetzt stehen wir auf, dann Frühstück“, fordert ihn seine Mutter auf, die statt des Zweiten Dienstmädchens heute am heiligen Sonntagvormittag an seinem Bett steht: „Erst die Zähne putzen und wenigstens das Gesicht waschen, dann die Sonntagssachen anziehen, die schon bereit liegen, wie immer, wenn es Sonntag ist, dann ein ausgedehntes Frühstück, dafür haben wir sonntags ja Zeit, und nach dem Mittagessen und dem verdienten Mittagsschlaf gehen wir wie immer am Sonntag im Stadtpark spazieren, dann Kuchen und schnell aufs Zimmer, da kannst du dann spielen, wenn du nicht noch Hausaufgaben machen musst, aber bitte nicht wieder im Wohnzimmer wie vorletzten Sonntag, wo du so einen Dreck hinterlassen hast, dass unsere Mädchen montags Stunden brauchten, um es uns wieder gemütlich zu machen, und nach dem Abendbrot noch etwas Frankenfeld, dann ab ins Bett.“ „Frankenfeld, bitte bis zu Ende“, ruft er. „Nein, sicher nicht!“, antwortet seine Mutter trocken, „Frankenfeld überzieht immer!“

Beim Frühstück sitzt er wie immer seinem Vater gegenüber, der die Frühstückseier wie riesige Smarties in seinen Mund stopft, bis es nur so tropft und er die Serviette zu Hilfe nehmen muss. Mutter rastet aus: Ohne Punkt und Komma!

Sie droht damit künftig keine Stoffservietten mehr auflegen zu lassen denn dem Ersten Dienstmädchen das für die Wäsche zuständig sei könne man das nicht mehr zumuten jeden Tag nur Stoffservietten waschen und bügeln zu müssen denn alle auch das Zweite Dienstmädchen seien mittlerweile total überfordert und sie vor allem sie wüsste langsam nicht mehr ein noch aus wie sie den sie zunehmend überfordernden Aufgaben überhaupt noch gerecht werden solle wobei sein Vater auch noch wie selbstverständlich davon ausgehe wie bei einem Wunderwunder jeden Morgen automatisch frisch gewaschene Stoffservietten vor sich auf dem Frühstückstisch liegen zu haben und auch noch glaube täglich vollkommen sinnlos und unachtsam eine frische Stoffserviette nach der anderen verbrauchen zu können das könne er vergessen und dürfe nicht sein das gehe zu weit wirklich zu weit sie wäre am Ende mit ihren Nerven und selbst die neuen Waschmaschinen und Trockner aus Amerika könnten nicht mehr mithalten sie würden im Keller schon glühen vor Überarbeitung da bräuchte man schon kein Heizung mehr für den Swimmingpool die könne man sich sparen.

Wie immer in solchen Augenblicken wird es seinem Vater schnell zu bunt: Dann wirkt er plötzlich ruhig und ausgeglichen, was aber nie stimmt. Er erhebt sich mit gelbgelbem Gesicht, wobei er sich eindrucksvoll auf der Tischplatte abstützt und sich demonstrativ die letzten Eierreste mit seiner Stoffserviette vom Munde abwischt: Kurz und bündig teilt er der Kleinfamilie mit, dass er sich jetzt zurückziehen werde, um am Nachmittag mit Mutter und ihm, wie immer, heute am Sonntagnachmittag, im Stadtpark spazieren zu gehen.

Der raumlose Raum

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