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Оглавление„Frederik, hier steckst du also! Wir waren doch im Village verabredet, in der Pizzeria, hab drei Stunden auf dich gewartet.“
„Mir war nach einer superheißen Wan-tan-Suppe bei diesem Scheißwetter. Die Kaschemme hat die beste in China Town.“
„Was ist los? Du siehst ja völlig verändert aus! Wo warst du, was ist passiert?
„Was soll denn passiert sein? Du nervst! Fahr nach Hause, du Arsch, und lass mich gefälligst in Ruhe!“, schrie Frederik aus heiterem Himmel und schlug mit der Faust auf den Tisch, als hätte ihn Patrik bedroht. Die Gäste zuckten zusammen und schauten erschrocken hinüber.
„Irgendwas ist doch los mit dir“, fuhr Patrik unbeirrt fort. „Schaust richtig krank aus.“
Ohne zu zögern setzte sich Patrik vis-à-vis, klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und ließ sie kalt im Mund tanzen. Er betrachtete Frederik, als hätte ihn ein Pferd getreten. „Sorry wenn ich noch einen Moment störe, du Arsch, aber eine Erklärung erwarte ich schon. Hab mir nämlich Gedanken gemacht, was mit dir los ist, weil du nicht aufgetaucht bist. Dein verdammtes Mobile war stumm und eine Ortung unmöglich. Aber jetzt sendet das Ding wieder. So hab ich dich gefunden.“
Frederik stockte, ließ sichtlich genervt den Suppenlöffel fallen und stützte sein Kinn auf beide Ellbogen: „Was redest du, ich hatte mein Mobile die ganze Zeit an. Willst du mich irre machen? Hau ab!“ Frederik richtete sich auf und blickte Patrik scharf ins Auge. Der ließ sich nicht beirren, lehnte sich zurück und schlug ein Bein übers andere.
„Also, Junge, noch mal, mit dir stimmt doch was nicht. Du bist plötzlich ganz anders, hast dich wirklich nicht zu deinem Vorteil verwandelt, das Haar, so nach hinten gebunden, schaut aus wie eine Perücke.“
Frederik überhörte Patriks Bemerkung, ohne mit der Wimper zu zucken aß er weiter. Patrik schüttelte den Kopf, was war in den Typ gefahren? Der hatte plötzlich was Glattes, Unpersönliches und seine Bewegungen und Gesten wirkten so ungelenk und mechanisch wie die eines Roboters. Irgendwie kam er ihm vor wie ferngesteuert. Zu Hause hatte er sich seine Website angesehen und war auf YouTube, Facebook und Twitter gegangen, verdammt, der Junge war wirklich berühmt. Im Netz tobte der Hype. Patriks Sache war klassische Musik nicht, kein Wunder, dass er nie was von Frederik gehört hatte.
„Was haben sie mit dir angestellt?“, fragte Patrik nach einer Weile. Frederik drehte sich ruckartig weg und wirkte, als würde er jeden Moment losschlagen. „Wie kommst du denn da drauf? Ich war einkaufen“, erwiderte er und fuhr sich unbeholfen mit einer Papierserviette über den Mund.
„Ach, du warst mal eben shoppen, warum auch nicht?“
„War bei Tiffany, wenn’s dich interessiert. Hatte endlich mal Zeit, Geschenke zu besorgen.“
„Und dann, was hast du dann gemacht? Tiffany macht um acht zu. Und jetzt ist es zwei Uhr früh.“
„Keine Ahnung. Willst du die Geschenke sehen?“
„Schmuck interessiert mich nicht. Du hast sie doch nicht alle!“
„Na dann“, Frederik sprang wütend auf und suchte hektisch nach seinem Mobile, in der Anorakjacke, die über der Stuhllehne hing, in den Jeanstaschen, selbst in seinen Einkaufstüten. „Scheiße, ich hab das Ding verloren, das darf nicht wahr sein! Du machst mich total kirre!“
Wortlos zog Patrik sein Mobile aus der Fliegerjacke, drückte eine Funktionstaste und schaute grinsend zu Frederik, der fassungslos vor ihm stand. Frederiks Mobile summte in einer seiner Tüten – er explodierte. „Gut, dich getroffen zu haben. Aber nun reicht’s“, schrie er so laut, dass das Lokal augenblicklich verstummte. „Ciao und goodbye!“
Mit all seinen Tiffany-Tüten hastete Frederik auf die Straße.
„Soll ich zahlen?“, rief ihm Patrik noch nach, und Frederik antwortete, ohne sich umzudrehen: „Aber sicher, einer zahlt immer.“