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I. Die christliche Politik

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Politica Christiana

Der Anfang der prämodernen Diskurse kennt eigentlich keinen Anfang. Vielmehr gibt es eine Fortführung von Theoremen, die allesamt schon seit dem Hochmittelalter, z. T. auch seit der Spätantike diskutiert worden sind und so etwas wie den Kern einer christlichen Politikauffassung zu umschreiben suchen. Insofern ist das, was im folgenden als politica christiana bezeichnet wird, keineswegs neu, sondern beruht auf der Fortsetzung eines tradierten Diskurses, wie er seit den Tagen eines Augustinus und der entscheidenden paradigmatischen Zuspitzung durch Thomas von Aquin in den institutionellen Foren und Formationen der katholischen Kirche mitunter sehr zelebrierend festgelegt worden ist. Dennoch ist die Suche und das Bemühen um eine dezidiert christliche Politikgestaltung nicht einfach nur als Abklatsch auf mittelalterliche Denkweisen und Schulbildungen zu betrachten. Dahinter steckt vielmehr auch ein Aufbruch zu neuen Ufern, allerdings ohne den alles verbindenden Strom der christlichen Naturrechtslehre und des Gottes-Prinzips je zu verlassen. Insofern ist es ein Kennzeichen der Politica Christiana der Prämoderne, dass sie die mittelalterlichen Theoreme nicht einfach nur kopiert oder unhinterfragt übernimmt, sondern dass sie vielmehr modifizierende Aspekte in die Lehre einer christlichen Politik einführt, die es in dieser Weise vorher nicht gegeben hat. Am stärksten wirkt die Neuformulierung von dezidiert christlicher Politik schließlich dort, wo sie nicht mehr den gleichen institutionellen Konfessionsrahmen hat wie im Mittelalter. Das heißt, mit dem Aufkommen reformatorischer Theologien bekommt der christliche Glaube nicht nur Heterodoxien, sondern auch veränderte sozialpolitische Bezugsapekte. Diese betreffen stets die Frage der konkreten Ordnungsgestaltung und ihrer Legitimation. Das impliziert eine Fortsetzung und Verschärfung der klassischen Konfliktsituation, wie sie spätestens seit dem Hochmittelalter zwischen Regnum und Sacerdotium bestanden hat. Durch den ultimativen Bruch, den reformatorische Theologien eines Huldrych Zwingli (1484–1531), eines Martin Luther (1483–1546) und eines Johannes Calvin (1509–64) mit der katholischen Kirche herbeigeführt haben, wird der Grundkonflikt in der Frage einer eventuellen Selbstlegitimation von politischer Herrschaft systematisch aktualisiert. Wer oder was legitimiert einen Herrscher auf welche Weise zu einer christlichen Politik? – Hierzu gibt es eine Reihe von Antworten, die nicht alle deckungsgleich sind, sondern vor dem Hintergrund einer jeweils anderen Konfessionsperspektive mit z. T. interessanten Variationen aufwarten. In der Endkonsequenz sind sich alle Antworten dieses Diskurses aber gleich: politische Herrschaft auf Erden wird durch Gottes Herrschaft manifestiert.

Politische Theorie der Prämoderne 1500-1800

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