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Kapitel 11

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Nacht. Stille. Funkelnde Lichter vor samtener Bläue: Sterne – ungezählt und unerreichbar in den Höhen ewiger Ferne. Das erzene Leuchten des Mondes lässt den Horizont schmelzen; wie flüssiges Silber ergießt sich sein Licht in die glatte, ruhige See. Laue Luft. Der Geruch des Meeres. Ein Strand mit weißem feinem Sand, gesäumt von einer Gruppe Pinien …

»Christine!«

Erschreckt und überrascht zugleich, öffnete sie die Augen. Noch zögerte sie, die Grenze zwischen Traum und Wachsein zu überschreiten. Dann aber, noch bevor sie auf das Flüstern ihres Namens reagieren konnte, verschlossen die Lippen ihres Mannes ihren Mund, und umschlungen von seinen starken Armen spürte sie, wie er an ihre Seite glitt, fühlte, wie ihre Körper miteinander verschmolzen, um sich gleich darauf dem leidenschaftlichen Rhythmus von Hingabe und Verlangen, Lust und Ekstase zu überlassen, ganz im Takt des sich kräuselnden Wellenschlags am nächtlichen Strand von Salerno …

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe«, murmelte Falk.

Die Hände im Nacken, lag er auf dem Bett, das Haupt Christines auf seiner Brust.

Sie bog den Kopf zurück und sah ihn schelmisch an. »Wolltest du nicht den Prior von Melk Bodo von Schachnitz treffen und erst morgen zurückkehren?«

»Schon, aber sie haben mich nicht zu ihm vorgelassen mit der Begründung, er könne mich unmöglich empfangen, da er zurzeit wieder eine Schwächephase habe und an starken Schmerzen leide. Wie lang dieser Zustand anhalte, wisse man nicht. Also hab ich mich entschlossen, wieder zurückzureiten, und von Schachnitz ausrichten lassen, dass ich es irgendwann später noch einmal versuchen werde«, begründete Falk seine vorzeitige Rückkehr. »So bot sich mir die Gelegenheit, dich zu überraschen«, fügte er lächelnd hinzu und griff spielerisch in die blonde Pracht, die über seinen Oberkörper gebreitet lag.

»Das ist dir gelungen – Schurke«, lachte Christine.

»Schurke?«, grinste Falk.

»Aber ja doch. Oder wie würdest du jemanden nennen, der schlafende Frauen verführt? Noch dazu, wenn er sie mitten aus ihren schönsten Träumen reißt«, witzelte Christine und hob scherzhaft den Finger.

»So, aus welchem Traum habe ich dich denn gerissen?«, entgegnete er mit noch breiterem Grinsen.

Christine maß ihn mit einem langen, versunkenen Blick.

»Ich habe von unserem Strand geträumt. Und von Salerno. Ich sehne mich so sehr danach zurückzukehren, Liebster«, sagte sie schließlich leise.

»Ich auch, Liebes, glaube mir«, versicherte er murmelnd und wickelte zärtlich eine Strähne ihres Haares um seinen Finger. »Wir bleiben nicht länger als unbedingt nötig. Sobald unsere Mission hier zu Ende ist, reisen wir zurück, das schwöre ich. Bleibt nur zu hoffen, dass wir bald irgend­etwas Greifbares in die Hände bekommen, das uns weiterbringt.«

Er wollte gerade sein Gesicht erneut über ihr Haupt beugen, um sie zu küssen, als sie sich plötzlich seinen Armen entwand und auf die Bettkante setzte.

»Ich muss dir etwas sagen, Falk. Ich glaube, ich habe etwas Greifbares.« Ihre Stimmung schien mit einem Mal wie umgeschlagen. Das Zärtliche in ihrem Ton war kühler Sachlichkeit gewichen.

Befremdet richtete er sich auf.

»Ach, tatsächlich, was denn?«

Statt einer Antwort sprang Christine mit einer federnden Bewegung vom Lager, ging zum Tisch und zündete ein Öllicht an. Flackernd rötlicher Schein erhellte die Kammer.

Erstaunt beobachtete Falk, wie sie eine auf dem Tisch befindliche Rolle in die Hand nahm.

»Nun komm schon, sieh es dir an«, drängte sie ihn ungeduldig, eine Aufforderung, der er umso verwunderter folgte, als ihn die plötzliche Verwandlung, die mit ihr vorgegangen war, irritierte.

»Hier, lies dieses Schriftstück. Aber pass auf, es ist klebrig«, sagte Christine, als sie ihm die Rolle reichte.

Noch während er sie entgegennahm, registrierte er den Stofffetzen mit dem daran befindlichen Knopf.

»Was ist … Das darf nicht wahr sein«, murmelte er entsetzt und starrte Christine verständnislos an. »Woher …«

»Ich erklär’s dir gleich. Lies den Brief doch erst einmal«, drang sie in ihn.

Falk entrollte das Blatt und überflog die wenigen Zeilen. Als er aufsah, wirkte seine Miene wie versteinert. Doch noch bevor er dazu kam, auch nur eine einzige Frage zu stellen, begann Christine, ihm präzise zu berichten.

In dieser Nacht fanden sie so gut wie keinen Schlaf. Lange noch besprachen sie sich, erörterten dieses und jenes und stellten auch die eine oder andere Hypothese auf. Über einen Punkt allerdings waren sie sich schnell einig geworden: Stadtrichter und Burggraf mussten darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass gegen Gundel Schreyer dringender Tatverdacht bestand. Der Fund, den Christine gemacht hatte, rechtfertigte es, den Mann unverzüglich in Ge­wahr­sam zu nehmen und zu verhören. Doch wie würde der Ternberger rea­gie­ren, wenn er erfuhr, dass der Inhalt des kompro­mittie­renden Schreibens anderen zur Kenntnis gelangt war?

»Ob er wohl darauf bestehen wird, die Ermittlungen weiterzuführen, wenn er vom Doppelleben seiner Frau erfährt?«, fragte Christine.

Falk zuckte die Schultern. »Wenn wir das wüssten, wäre die Entscheidung einfacher.«

»Du meinst, es würde dir leichter fallen, Stadtrichter und Burggraf den Brief zu präsentieren?«

»Aber ja doch. Versetz’ dich mal in Wernhers Lage. Es gibt für einen Mann nichts Peinlicheres und nichts, das ihn mehr in Rage bringt, als erfahren zu müssen, dass seine Frau ihm Hörner aufgesetzt hat. Und wenn das Ganze anderen bekannt wird – umso schlimmer.«

»Aber wir können Stadtrichter und Burggraf den Brief nicht vorenthalten. Es ist der einzige Beweis, den wir gegen Gundel Schreyer haben.«

»Du sagst es. Ohne ihn gäbe es keinen Grund, den Stadtrichter aufzufordern, sich den Mann vorzuknöpfen. Es sei denn …«; Falk hielt inne, ihm war ein Gedanke gekommen.

»Es sei denn?«, hakte Christine nach.

»Es sei denn, wir präsentieren ihm nur den klebrigen Stofffetzen mit dem daran befindlichen Knopf. Das dürfte genügen. Der Stadtrichter hat die Leiche Klaras schließlich in Augenschein genommen. Er weiß, welche Kleidung sie trug, und das mit dem abgerissenen Ärmel ist ihm ebenfalls nicht entgangen. Den Brief nehmen wir in Verwahrung und zeigen ihn Wernher nach seiner Rückkehr. Dem Stadtrichter sagen wir, du hättest in jenem Versteck nur das Stück Stoff gefunden. Er wird keinen Argwohn schöpfen.«

»Damit enthalten wir ihm aber eine wichtige Information vor, nämlich, dass zwischen dem Tod Klaras und dem dieses Lamprecht Bürgel ein Zusammenhang besteht.«

»Auch das bereitet mir kein schlechtes Gewissen. Es genügt, wenn wir es wissen. Stadtrichter und Burggraf sind ohnehin alles andere als kooperativ mir gegenüber. Vorher werden wir allerdings dem Majordomus und Irmingard den Stofffetzen präsentieren. Ich will, dass sie ihn zweifelsfrei als zu jenem Kleid gehörend identifizieren, das Klara trug, als sie das letzte Mal gesehen wurde.«

»Und Gundel Schreyer? Wie wird er reagieren, wenn man ihn verhört und ihm das Stückchen Stoff unter die Nase hält?«

»Das lässt sich nicht so genau vorhersagen«, gab Falk zu. »Aber ich glaube, er wird den Teufel tun, hinauszuposaunen, dass es da noch einen Brief gibt. Wahrscheinlich wird er beteuern, dass er nicht die geringste Ahnung habe, wie der Fund in seine Hütte gelangte.«

Christine sah Falk schmunzelnd an, dann nickte sie. »Eine wirklich gute Idee. Wann wirst du den Stadtrichter aufsuchen – du Obrigkeitsbetrüger?«

Falk lächelte. »So schnell wie möglich. Gleich morgen in der Früh.«

»Du meinst heute. Sieh mal zum Fenster. Bald graut der Morgen.«

Falk drehte sich zur Seite, schob seinen Arm unter Christines Haupt und schmiegte sich eng an sie. »Du hast wie immer recht, Liebes.«

Tochter der Inquisition

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