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Оглавление12. Geschenk der Götter
Zu meinem Erstaunen erholt sich Armedus trotz seiner schweren Verletzungen sehr schnell, jedoch spricht er kein Wort mehr.
Zu meiner Schande gestehe ich mir ein, ganz froh darüber zu sein. Immer noch habe ich keine Idee, wie ich ihm das Geschehene erklären könnte. Vielleicht bin ich aber auch nur zu feige dazu.
Bereits nach zwei Tagen Ruhe kann er vor mir im Sattel sitzen und ohne Probleme mehrere Stunden, selbst in schwerem Gelände, reiten.
Nach einer Woche erreichen wir, obwohl ich mich einmal für das falsche Tal entschied, meine Hütte, mein Schloss.
Alles war unverändert, bis auf die deutlichen Hufabdrücke von König Aldaras Reitern, die nach meiner Entdeckung die ganze Umgebung absuchten und dabei auch mein Schwert fanden. Was zugegebenermaßen meine Rettung bedeutet hatte.
Trotzdem überrascht es mich, nach den langen Wochen, noch so deutliche Abdrücke vorzufinden.
Ich kontrolliere die Scheune und stelle fest, der größte Teil meiner Vorräte ist Füchsen und Waschbären zum Opfer gefallen. Einen Waschbären schrecke ich noch auf. Als Hauptschuldigen jage ich ihn ins Freie, wofür ich sein komplettes Unverständnis ernte.
Ich fühle mich wie der verlorene Sohn, der endlich wieder nach Hause zurückgekehrt ist.
Die nächsten Tage beobachte ich Armedus. Er beteiligt sich ohne Aufforderung an jeder Arbeit. Besonders bei handwerklichen Arbeiten zeigt er ein außergewöhnliches Geschick, aber nach wie vor spricht er kein Wort.
Einer vorsorglichen Bauernfamilie gleich, sammeln wir täglich mehr und mehr Vorräte und Brennholz für einen Winter, dessen Strenge und Länge ich nicht abschätzen kann.
Sicher ist nur, er wird kommen, wahrscheinlich sogar bald. Die Tage werden bereits deutlich kürzer seit unserer Ankunft und auch die Nächte sind bereits empfindlich kalt.
Wie beinahe jeden Abend schnitzt Armedus nützliche Küchenutensilien oder nietet, hämmert und dichtet Kessel oder kleine Tröge ab, während ich mich um unser Abendmahl und den Kamin kümmere. Armedus ist wirklich ein unendlicher Schatz an Wissen. Ich bin mir mehr und mehr sicher, dass ich den bevorstehenden Winter ohne ihn wohl eher nicht überstehen würde.
Ganz in Gedanken versunken, erschrecken mich Armedus plötzliche Worte.
»Lord Geward, warum habt Ihr meinen Vater getötet?«
Mit einem Schlag sind die Bilder der Mordnacht wieder da. Erst nach einigen Augenblicken begreife ich, dass der bisher stumme Armedus meinen Namen nannte. Einen Namen, den ich sicher nie erwähnte. Den er nicht kennen kann.
»Woher kennst Du meinen Namen?« Frage ich ihn verwundert.
»Ihr tragt Lord Gewards Schwert und niemand könnte es ihm abnehmen und dann noch leben!«, antwortet er schnell und ohne zu zögern.
Ich hätte es wissen müssen. Wieder das Schwert. König Aldara erkannte mich schon an diesem Schwert, an dem ich nie etwas besonderes, außer den zahllosen Kerben, fand.
Nachdenklich und stumm schaue ich zum Fenster. Es fällt der erste Schnee. Dicke Flocken, die sich am Fenster in Wasser verwandeln und in dünnen Fäden nach unten laufen, geben ein so friedliches Bild, aber ich weiß es besser.
Die Sicherheit, mit der auch Armedus mich erkannte, verunsichert mich.
Meine Unsicherheit spürend, ergreift Armedus das Wort:
»Lord Geward, mein Vater und seine Gefolgsleute waren nicht Eure Feinde. Sie wollten die Waffen der Götter nur für König Aldara in Sicherheit bringen. Wir wollten sie bestimmt nicht für uns behalten oder den Mitländern verkaufen. Aber ich verstehe jetzt, dass Ihr das glaubtet, nachdem wir Richtung der Mitländer gezogen sind. Es war uns nur nicht möglich, den direkten Weg durch die großen Berge zu nehmen. Unsere Gespanne und unsere Tiere waren viel zu schwach.«
Nach einer Pause spricht er weiter und ich gewinne den Eindruck, einem erwachsenen Mann gegenüber zu sitzen.
»Glaubt mir Lord Geward, wir wollten kein falsches Spiel mit König Aldara treiben, auch wenn wir Landlose sind.«
Bestürzt sehe ich die Tränen des Jungen, der mir über die Monate, seit dem er bei mir ist, nicht nur zum Freund und Begleiter wurde, sondern wie mein eigener Sohn erscheint, den ich mir immer gewünscht hatte. Jetzt ist er wieder zwölf Jahre alt.
»Armedus, ich wollte Deinen Vater und seine Freunde nicht töten, es war ein... ein Unfall. Ich... ich wollte nur die Waffen vernichten«, erkläre ich ihm so sanft, wie nur irgend möglich.
Der Schreck und der Unglauben in Armedus Augen ist unverkennbar, jetzt stottert er: »Aber, aber, Ihr steht doch in den Diensten König Aldaras und... und die Waffen waren für ihn. Für den Krieg gegen die Mitländer. Warum habt Ihr sie zerstört? Sie waren eine Gabe der Götter.«
Wie kann ich Armedus, einem zwölfjährigen Jungen, das alles nur erklären?
Um Zeit zu gewinnen, decke ich den Tisch, serviere einen Brei aus wilden Bohnen und schneide so langsam wie möglich einige Scheiben Brot. Nach den ersten Löffeln Bohnen, die einen intensiven ausgezeichneten Geschmack aufweisen, schaue ich ihn an und beginne: »Armedus.«
Er hebt den Kopf, ich bin mir nicht sicher sehe ich Angst oder Unsicherheit in seinen Augen, dann fahre ich, einem Pfarrer gleich, fort:
»Armedus, ich stehe nicht oder besser, ich stehe nicht mehr in König Aldaras Diensten, ich... ich«, mir wollen die richtigen Worte nicht einfallen.
»König... König Geward, entschuldigt meine Unwissenheit. Ich... ich wusste nicht, dass Ihr bereits die Prinzessin zur Frau genommen habt und... und den Thron Aldaras bestiegen habt,« unterbricht mich Armedus mit zitternder Stimme.
Er springt auf, kniet sich auf den Boden und verbeugt sich tief.
Ich fasse ihn fest am Arm, ziehe ihn hoch und unterbreche ihn unwirsch: »Nein, nein Armedus, Du hast mich nicht verstanden. Ich bin nicht König und ich habe auch nicht geheiratet. Armedus, denke doch einmal nach. Würde ich als König hier in dieser Hütte wohnen?«
Armedus schüttelt langsam und verwirrt den Kopf.
Ich fühle förmlich Armedus sich überschlagende Gedanken.
»Ich habe mich von König Aldara getrennt. Das musst Du mir glauben. Aldaras Ziele sind nicht die meinen. Ich weiß nicht einmal, ob sie es jemals waren. Aber das muss ich Dir ein anderes Mal erklären. Aber jetzt musst Du mir glauben: Ich bin nicht mehr König Aldaras Mann!« erkläre ich.
Armedus möchte etwas sagen aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen und weise ihn an, seinen Brei zu essen. Ich hoffe, die ihm aufgezwungene Redepause hilft ihm, alles besser zu verstehen.
Um die Situation noch weiter zu entspannen, serviere ich als Nachtisch, eine Nussölcreme mit Honig und getrockneten Apfelscheiben, die Leibspeise Armedus’.
Ich hole zwei tönerne Fettlämpchen und versuche ihm bis weit nach Mitternacht noch mehr zu erklären. Da ich ständig überlege, welche Dinge ich ihm mit welchen Worten verständlich machen kann, aber die meisten Vorgänge selbst nicht begreife, werden die Erklärungen immer konfuser und ich beschließe, besser zu Bett zu gehen und lieber morgen weiter zu reden.
Ich bin mir sicher, ihn mit meinem wirren Gestotter eher noch mehr verwirrt zu haben.
Ich liege noch lange wach und auch Armedus wälzt sich immer wieder von einer zur anderen Seite. Immer wieder sehe ich seine offenen, im hellen Mondlicht blitzenden Augen. Ach, wie gerne würde ich jetzt seine Gedanken lesen.
Erst im Morgengrauen schlafen wir ein.
Die nächsten Tage sind eisig kalt und ein Schneesturm jagt den anderen. Immer wieder versuche ich an unser nächtliches Gespräch anzuknüpfen, versuche Armedus fragenden Augen Antworten zu geben, aber es gelingt mir nicht. Ich bin froh über die Zeit, die Armedus mir gibt meine Geschichte zu überarbeiten, bevor ich einen neuen Versuch der Erklärung wagen möchte. Nach und nach wird der Junge im Umgang mit mir etwas vertrauter und lockerer.
Einige Tage später hört es auf zu schneien und bereits am frühen Vormittag ist der Himmel wolkenlos und tief blau. In warme Decken gewickelt, setzen wir uns auf eine Bank vor der Hütte.
Ich unternehme einen neuen Versuch und beginne mit einer Frage.
»Armedus, Du hast mir erzählt die Waffen haben Euch die Götter gegeben.«
Er unterbricht mich sofort: »Nein Geward, ich sagte, es sind die Waffen der Götter.«
Zuerst begreife ich den Unterschied nicht und frage ihn: »Woher hattet Ihr die Waffen?«
Nach einem Augenblick berichtet er mir: »Auf einer Insel im verbotenen See lebt ein alter Druide als Einsiedler.«
Er stockt kurz, dann erklärt er weiter: »Viele Menschen halten ihn für einen Zauberer und keiner wagt es, die Insel zu betreten. Im See wird nicht einmal gefischt, es heißt, selbst die Fische wären verzaubert. Ein Fischer hat einmal aus Hunger im See gefischt und im nächsten Winter ist seine ganze Familie an der Hautfäule gestorben.«
Ich nicke ihm aufmunternd zu, weiter zu erzählen.
»Die Insel ist seit ewigen Familien, wahrscheinlich schon immer, ein verbotener Ort. Nicht einmal die Truppen des Großkönigs betreten den See oder gar die Insel.«
»Niemand hat die Insel je betreten?« frage ich nach.
Er überlegt kurz. «Die Dörfer am See fürchten ihn nicht so sehr, im Gegenteil, sie sind die einzigen die glauben, er beschützt sie. Deshalb opfern sie jeden neunten Tag einen Teil ihrer Lebensmittel. Das hat mir jedenfalls mein Vater einmal erzählt. Aber ich glaube nicht, dass sie sich jemals auf die Insel trauten. Ein Kupferhändler erzählte uns einmal, wie sie die Opfergaben zur Insel schaffen. Ich verstehe das aber nicht so ganz.«
Noch einmal ermuntere ich ihn weiter zu erzählen.
»Also, sie packen die Opfergaben am Morgen auf ein Floss und lassen es treiben und durch die Magie des Druiden kommt es eine Nacht später wieder leer zurück.«
Armedus sieht mich lange an, als wolle er seine Glaubwürdigkeit prüfen.
»Mein Vater, glaube ich, hatte weniger Angst vor dem Druiden, denn er sagte dem Händler, das ist alles keine Magie und jeder Fischer kennt die Strömungen. Es gibt im See sicher eine Morgen- und eine Abendströmung.«
»Und der Händler?« frage ich schmunzelnd.
»Der Händler bestand darauf, es sei Magie. Ich glaube auch, der Druide ist ein Zauberer. Aber Vater kennt den Druiden besser, aber...«
Neugierig geworden, fordere ich ihn auf fort zu fahren und er flüstert unsicher: »Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.«
Ich respektiere seinen Wunsch und bitte ihn mir nur noch etwas über den Druiden zu erzählen.
»Wenn Du möchtest,« füge ich noch an und er beginnt ehrfürchtig und leise weiter zu sprechen.
»Kein Mensch kann so alt werden und er muss unendlich alt sein. Als Kind hat mein Vater darüber gesprochen, wie seines Vaters Vater den Zauberer einmal gesehen hat, und dass bereits der, von einem uralten Mann berichtete. Einige Leute behaupten, er sei über tausend Familien alt. Ich glaube, er ist schon immer hier.«
Bevor ich mich beherrschen kann, rutscht mir »So ein Unsinn!« heraus.
Ich bin froh darüber, dass Armedus meinen Zwischenruf entweder nicht gehört oder nicht verstanden hat. Jedenfalls nimmt er keine Notiz davon und spricht ohne zu unterbrechen weiter.
«Der alte Mann soll alles wissen und die Gedanken eines jeden aussprechen können. Er soll ein Heiler sein. Aber... aber... aber ich kenne niemanden, den er geheilt hat.«
Amüsiert spreche ich leise zu mir selbst: »Kein Wunder, wenn ihm jeder aus dem Weg geht.«
Aber der Alte interessiert mich, obwohl ich immer noch nicht weiß, woher die verdammten Waffen kommen.
Ich spüre die Angst Armedus, über diese Dinge zu sprechen. Ein bemerkenswerter Junge. Er hat sicher mehr Mut als die meisten Erwachsenen. Armedus versucht seinen Bericht fortzuführen und ich fühle, wie viel Überwindung ihm jedes Wort abverlangt.
Um ihn zu entlasten, hole ich uns je einen Becher frisch gerührter, mit Honig gesüßter Eier, Armedus Lieblingsgetränk. Still, jeder mit sich selbst beschäftigt, trinken wir unsere leckere Eierspeise.
Nach einer Weile frage ich, um wieder zum Thema zu kommen: »Und dieser alte Mann hat Euch die Waffen gegeben?«
Er kontert sofort: »Nein, nein... mein... mein Vater war mit einigen...«, dann schweigt er.
Deutlich ist ihm anzusehen wie sehr er mit sich selbst ringt und mit seinem Gewissen hadert. Gerade als ich zu ihm sagen will, dass er jetzt nicht mehr zu reden braucht, spricht er weiter.
»Mein Vater war mit einigen Anderen auf der Jagd, als sie von zwei Dutzend Mitländern überrascht wurden. Sie flohen in den nahen See und versteckten sich im Schilf. Aber sie wurden entdeckt. In der Hoffnung, die Mitländer würden sie dahin nicht verfolgen, schwammen sie in den See hinaus. Einige wurden von den langen Pfeilen der Mitländer getötet. Außer Reichweite schafften es nur mein Vater und zwei seiner Begleiter. Sie hielten sich mehrere Stunden über Wasser, aber jedes Mal, wenn sie Richtung rettendes Ufer schwimmen wollten, wurden sie von den immer noch wartenden Mitländern angegriffen. Nachdem ihre Kräfte immer mehr nachließen, beschlossen sie, oder besser mein Vater, sich auf die verbotene Insel zu retten.«
Armedus trinkt schlürfend den Rest der Eier.
»Jeder schwamm, solange er konnte, aber nur mein Vater erreichte die Insel. Seine Begleiter hat er nie wiedergesehen.«
Ich kann nur betroffen nicken.
»An das auf der Insel Geschehene konnte sich mein Vater nur noch undeutlich erinnern; oder er wollte oder durfte sich nicht erinnern. Ich weiß es nicht.«
Armedus seufzt tief. Eine einsame Träne bahnt sich ihren Weg nach unten, aber er erzählt tapfer weiter.
»Vater war fast drei Monate verschwunden. Wir glaubten längst, alle seien auf der Jagd, die uns Landlosen ja strengstens verboten ist, getötet worden. Nach seiner verstörten Rückkehr hat er über eine Woche kein Wort gesprochen und ist immer nur vor unserem Zelt auf und ab gegangen, als dächte er nach, aber... aber... er wusste...«
Armedus wischt seine nassen Augen trocken und erzählt leise weiter.
»Anfangs war mein Vater fest davon überzeugt, er wäre nur wenige Tage unterwegs gewesen und nicht drei Monate, aber nach und nach erholte er sich. Der Alte wurde er aber nie wieder. Er benötigte einen weiteren Monat, bis er uns von seiner Odyssee erzählen konnte. Eigentlich konnte er sich nur an weniges erinnern. Wenn ich es mir so überlege, eigentlich nur, dass der Alte, alles von ihm wissen wollte: Wo und wie wir leben. Wer Landesregent ist. Die Ernte der Bauern und der Fischertrag aus dem See. Einfach alles.«
Vor Ungeduld platzend, unterbreche ich ihn: »Und dann gab er Euch die Waffen?«
Armedus korrigiert mich sofort. Jetzt aber mit frischer, klarer Stimme ohne jede Angst: »Nein, er zeigte Vater, wo er die Waffen finden konnte und er nahm ihm den Heiligen Schwur ab, dass er die Waffen nicht für eigene Zwecke nutzen dürfe, sondern sie nur dem rechtmäßigen Eigentümer übergeben darf.«
»Dem rechtmäßigen Eigentümer,« wiederhole ich in Gedanken.
»Der alte Mann zeigte ihm in einem... hm... einem Art Fenster in einer silbernen Truhe... ich weiß nicht genau... ich habe meinen Vater damals nicht richtig verstanden. Er erzählte immer wieder, wie er durch dieses Fenster in die Truhe schauen konnte und wie in der Truhe viele kleine Pferde, so groß wie ein Daumennagel wohnten und die Berge nur handbreit hoch waren. Mein Vater erkannte die kleine Gegend als die Gegend seiner Kindheit, aber er hat nie verstanden warum das große Land so klein wurde. Er vermutete, es war die Magie des Mannes. Der alte Mann zeigte ihm in der Truhe die Stelle, an der wir die Waffen finden sollten. Vater wurde immer wunderlicher. Immer wieder erzählte er, der alte Mann sagte ihm, diese Waffen werden uns die Freiheit bringen. Keiner von uns hat sein Gerede verstanden.«
»Und dann habt Ihr die Waffen geholt?« frage ich.
Armedus zuckt mit den Schultern, seufzt kurz und antwortet: »Ja, Vater wurde immer unruhiger und wiederholte immer wieder den Satz mit der Freiheit, bis wir mit einem Fuhrwerk die Landschaft seiner Kindheit besuchten. Trotz der langen Zeit fand er das Ziel ohne Umwege. Auch die Höhle, die mit Steinen und Sand zugeschüttet war, entdeckte er ohne jeden Zweifel, als wäre er erst gestern dort gewesen. In der Höhle ging er so sicher zu der Waffenkammer, wie ich zu unserem Wasserfass. Obwohl es ein wahres Labyrinth aus Stollen und Treppen war.«
»Woher weißt Du das denn alles so genau?« Frage ich ihn.
»Ich, als sein Sohn war natürlich dabei. Ein Sohn hat doch immer an der Seite seines Vaters zu stehen.« erklärt er mir verwundert und ich schäme mich für die dumme Frage.
»Natürlich!« sage ich entschuldigend.
Ohne ihn auffordern zu müssen, erzählt er weiter.
»Schnell stellten wir fest, unser kleiner Pferdewagen würde nie ausreichen, die schweren Waffen zu transportieren. Auch waren wir viel zu wenig Männer. In den nächsten Wochen bauten wir drei massive Ochsenwagen. Einer brach später unter der Last zusammen. Wir mussten ihn zurück lassen. Mein Vater sprach mit anderen Familien, bis wir genug Leute und Proviant zusammen hatten. Dann machten wir uns erneut auf den Weg, bis Du uns...«
Er schluchzt und bricht in Tränen aus.
Ich nehme ihn in den Arm und versuche ihn zu trösten. Von der Neugierde geplagt, frage ich taktlos nach: »Aber warum wolltet Ihr die Waffen König Aldara bringen, der Euch unterdrückt und Euch keine Rechte gibt?«
Die Tränen mit dem linken Arm verscheuchend, stottert er: »Mein Vater glaubte, wenn er König Aldara die Waffen der Götter bringen würde, bekäme er als Belohnung ein kleines Stück Land, auf dem wir leben und für immer bleiben könnten. Und... und, weil der Druide doch auch noch sagte, wir dürften die Waffen nur dem Eigentümer geben, dachten wir, das sei König Aldara, weil der doch auch der Eigentümer des ganzen Landes ist. Wir dachten König Aldara gibt uns allen die Freiheit und eigenes Land, wenn wir ihm die Waffen geben. Wir hofften, dann endlich wieder sesshaft werden zu können.«
Armedus Gedankengang ist so einfach und doch so erschreckend. Diese Leute bringen dem größten Schlächter die Waffen, nur weil er sich König nennt. Aber was wollte der alte Druide, oder was immer er auch ist, wirklich mit den Waffen?
Den Rest des Tages sprechen wir nicht mehr über dieses Thema und gehen nur noch den täglichen Aufgaben nach, die uns das Überleben im bevorstehenden Winter sichern sollen.
Den alten Druiden und die Waffen erwähnen wir nicht mehr.
Mit Wehmut denke ich über die Zukunft des jungen Armedus nach. Wie soll ich ihn erziehen, was soll ich ihn lehren und will er das alles überhaupt? Ich denke alleine an die große Mühe, die es mich kostete, Armedus das „Lord“ abzugewöhnen.
Trotzdem muss ich mir eingestehen, Armedus stellte sich eigentlich schnell auf das einfache »Geward« um, obwohl es ihm die alten Verhaltensmuster in seinem Kopf sicher oft nicht leicht machten.