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Sophia Petridis Naxos, Juni 2018

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Sophia Petridis hatte souverän eine Führung durch ihren Betrieb beendet. Eine siebenköpfige Reisegruppe aus Frankreich war kurz nach Öffnung des Ladens bei ihr aufgetaucht. Jetzt verstauten sie die frisch erworbenen Spirituosen in ihren zahlreichen Rucksäcken. Ungeduldig wartete Sophia darauf, dass die Truppe aufbrach. Schon dreimal hatte ihr Handy geklingelt, doch sie war zu beschäftigt gewesen, den Anruf entgegenzunehmen. Eilig schloss sie die Eingangstür ab und hängte ein Schild mit der Aufschrift – I’m back in a few minutes – Ich bin in ein paar Minuten zurück – ins Fenster. Bestimmt hatte ihr Mann versucht, sie zu erreichen, nachdem er ihre Nummer mehrfach in seiner Telefonliste vorgefunden hatte. Die Vorwahl stimmte, der Anruf kam aus Parikia. Aufgrund ihrer vielfältigen Geschäftskontakte waren Sophia die meisten Vorwahlnummern geläufig. Nur der Rest passte nicht zu der Telefonnummer ihres Gatten. Neugierig tippte sie auf die Liste.

Es erwischte sie wie aus dem Nichts, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr wurde schwarz vor Augen, strauchelnd suchte sie nach einem Stuhl und sank darin zusammen.

»Überfahren?«, stammelte sie überwältigt.

»Wir haben ihn heute früh nahe Drios gefunden«, wiederholte der Polizist einfühlsam. »Wir müssten dringend mit Ihnen reden. Können Sie nach Parikia kommen?« Filippos wusste, dass sich das für die Frau wie ein Überfallkommando anhören musste, aber er brauchte einen nahen Angehörigen zur Identifizierung der Leiche, denn am späten Nachmittag sollte der Tote bereits nach Athen geflogen werden. Dann würde es der Frau nicht erspart bleiben, nach Athen zu reisen, um den Tod ihres Mannes zu bestätigen.

Sophia versuchte, sich zu konzentrieren. Der Schock war so groß, dass sich eine Leere in ihr einstellte. Erst als Filippos seine Frage wiederholte, reagierte sie.

»Ich komme«, stotterte sie mühsam. »Ich komme so schnell wie möglich.« Filippos spürte die Verzweiflung der Frau in ihrer Stimme.

»Melden Sie sich, wenn Sie auf der Fähre sind. Wir holen Sie am Anleger ab. Wir warten in einem Polizeifahrzeug auf Sie.«

Langsam begriff Sophia Petridis die bittere Nachricht. Von einer auf die andere Sekunde hatte sich ihr Leben in einen Albtraum verwandelt. Stoisch wählte sie die Nummer ihrer Schwester, die in der Nähe des Betriebes wohnte. Ein Schrei schallte durchs Telefon, als diese vom Tode ihres Schwagers erfuhr. Wenige Minuten später war sie zur Stelle. Sie hatte alles stehen und liegen lassen, um Sophia zur Seite zu stehen und würde sie auf ihrer Überfahrt nach Paros begleiten.

Filippos war schweren Herzens zum Hafen gelaufen, nachdem Sophias Schwester ihn von der Fähre angerufen hatte. Er suchte nach den richtigen Worten, wie immer, wenn es nach einem Todesfall zu einem ersten Treffen naher Angehöriger mit der Polizei kam. Konnte man überhaupt die richtigen Worte finden? Er hatte für sich entschieden, dass sachliche Routinearbeit am geeignetsten war, mit solch einer Situation fertig zu werden. Er plante, direkt zum Flughafen zu fahren, damit Sophia Petridis ihren Mann identifizieren konnte. Auf der Dienststelle warteten eine Menge Fragen auf sie.

Schweigend, und mit einer Faust im Magen, legte der Polizist die Strecke nach Pounta zurück, die beiden Schwestern verstört auf seiner Rückbank sitzend. Er ahnte, was in wenigen Minuten auf ihn zukommen würde, wenn die Witwe den schrecklich zugerichteten Körper ihres Mannes sehen sollte.

Das Flughafengebäude schmorte in der nachmittäglichen Hitze, als ein Angestellter sie zu einem fensterlosen Raum im hinteren Bereich des Gebäudes führte. Sophia Petridis’ Atem ging stoßweise und ein Stöhnen entwich ihr, als sie den schwarzen Leichensack auf einem Tisch zwischen allerlei Transportkisten erblickte. Zum Glück war es angenehm kühl in dem Verschlag, es war nicht die erste Leiche, die hier auf ihren Abtransport in die Gerichtsmedizin nach Athen wartete. Sophia war einem Zusammenbruch nahe, gestützt durch ihre Schwester wartete sie auf das Unausweichliche. Filippos konnte ihr den Anblick nicht ersparen, ein stummes Nicken bestätigte ihm, dass es sich bei dem Unfallopfer um Jannis Petridis handelte.

»Warum kann ich meinen Mann nicht mit nach Hause nehmen?«, fragte Sophia überrascht.

»Wir haben den Unfallfahrer noch nicht. Fahrerflucht!«, bemerkte Filippos leise. »Sie wollen doch bestimmt, dass wir den Schuldigen finden?«

Sophia nickte abwesend.

Zurück in Parikia wartete Katharina auf ihren Chef samt Begleitung. Nach ihren Beileidsbekundungen stellte sie die erste Frage.

»Was hat Ihr Mann so spät in der Nacht in Drios gewollt?«, fragte sie sanft. »Wie ist er überhaupt dort hingekommen?»

Sophia schaute sie ungläubig an.

»Ich wünschte, ich könnte Ihnen antworten, aber ich weiß es nicht. Er hätte eigentlich längst zurück sein sollen von seiner Tour. Erst gestern hat er mir eine Nachricht hinterlassen, in der er angekündigt hat, zwei weitere Tage auf Paros verbringen zu wollen. Akquise von neuen Kunden.« Sie schnäuzte in ein Taschentuch.

»Wo genau und mit wem?«, hakte Filippos nach.

»Keine Ahnung, aber vielleicht waren das Adressen in Drios?« Sophias Schwester, die bisher nur zugehört hatte, streichelte Sophia zärtlich.

»Was ist mit dieser Einladung, von der du mir erzählst hast?«, mischte sie sich jetzt ein.

Sophia berichtet von dem Umschlag, den sie zwischen den Versandadressen gefunden hatte.

»Und Ihr Mann hat Ihnen nichts erzählt?« Katharina war hellhörig geworden.

»Kein Wort. Ich habe mich auch darüber gewundert. Vielleicht hat er es einfach vergessen.« Sophia konnte ihre Tränen nicht mehr unterdrücken.

»Haben Sie die Einladung dabei?« Filippos wollte sich das Dokument genauer ansehen.

»Nach dieser Hiobsbotschaft sind wir direkt aufgebrochen. Ich weiß nur, dass es eine Einladung zu einem Wiedersehen nach dreißig Jahren war.«

Sie schüttelte ihren Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Jannis ein Wort darüber verloren hat. Das Treffen sollte in einer Pension in Naoussa stattfinden, Christian oder Christine.«

»Christianos, die kenn ich«, korrigierte Katharina. »Ein Gästehaus, das es schon ewig im Zentrum von Naoussa gibt.« Schon suchte sie auf ihrem Handy nach der Telefonnummer.

»Mehr wissen Sie nicht?«

»Es war eine Auslieferungstour, so wie immer. Wenn ich die Einladung nicht zufällig gefunden hätte …«, sie wischte sich ihre Tränen ab. »… dann hätte ich vielleicht nie davon erfahren.«

»Sie glauben, Ihr Mann hätte es Ihnen bewusst verschwiegen?« Filippos stellte die Frage. Ein zorniger Blick von Sophias Schwester traf ihn postwendend.

»Das habe ich nicht gesagt. Aber die Einladung muss schon seit drei Monaten bei uns liegen und dann spricht man doch darüber.« Der Frau aus Chalki versagte die Stimme.

»Ich rufe jetzt im Christianos an. Vielleicht können die uns was zum Verbleib Ihres Mannes in den letzten Tagen sagen.« Katharina verließ den Besprechungsraum und wählte die Nummer der Pension in Naoussa. Sie erreichte eine der Angestellten, die ihr jedoch keine Auskünfte über die Gäste geben wollte. Ohne lange zu überlegen, machte sie sich zusammen mit Filippos auf den Weg dorthin.

Brennender Sommer

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