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Filippos Panos Parikia, Paros, Juni 2018

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Filippos Panos stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus. Ungeduldig hatte er auf den Anruf des Pensionsbesitzers gewartet. Endlich klingelte sein Telefon. Die vier Urlauber waren soeben zurück im Gästehaus eingetroffen. Unmissverständlich gab er Manolis Theodorakis ein zweites Mal zu verstehen, auf keinen Fall vom Tod des Brennereibesitzers zu berichten. Das wollte der Kriminalbeamte selbst erledigen, um die Reaktionen der Gäste aus nächster Nähe zu beobachten. Seit dem Auffinden der Leiche war in dem Polizisten mehr und mehr der Verdacht gewachsen, dass hier etwas nicht stimmte. Er konnte es nicht begründen, aber alleine die Tatsache, dass es keinerlei Bremsspuren gab, erschien dem Leiter der Dienststelle äußerst suspekt.

Er wies den Wirt an, die Truppe unter einem Vorwand festzuhalten, bis er mit Katharina eintreffen würde. Wie er das anstellen sollte, überließ er Manolis.

So machten sich die beiden Beamten erneut auf den Weg nach Naoussa, in der Hoffnung, ein paar offene Fragen zum Tode von Jannis Petridis zu erhalten.

»Ich hatte einen Anruf von der Polizei«, begrüßte Manolis seine Gäste, als sie sich zu einem Drink in seinem Garten niederließen. »Die suchen Zeugen zu einem Unfall und möchten dringend mit euch reden«, duzte er jetzt die Urlauber und vermied jeglichen Augenkontakt mit den vieren. »Die sind in ein paar Minuten hier und es dauert auch nicht lange«, ergänzte er noch und brachte ein paar Flaschen Bier in den Garten.

»Wie kommen die auf uns? Ich habe keinen Unfall gesehen.« Sylvia machte Andeutungen, in ihr Zimmer zu gehen.

»Keine Ahnung, ich musste der Polizei nur versprechen, euch bis zu deren Eintreffen festzuhalten.«

»Das fängt ja gut an. Kaum sind wir hier, will die Polizei mit uns sprechen. Da kommen bei mir böse Erinnerungen hoch.« Alex sprach aus, was alle in diesem Moment dachten. »Hat sich Jannis eigentlich bei dir gemeldet?«, fragte er Manolis.

»Hat er nicht«, erwiderte der Wirt und verschwand in seinem Büro.

Eine lautstarke Diskussion begann. Alle waren gespannt, was die Polizei mit ihnen Dringendes zu besprechen hatte.

Das Schlagen von Autotüren kündigte nur wenig später das Eintreffen der Beamten an. Filippos erschien kurz darauf am Eingangstor, Katharina folgte ihm schnellen Schrittes.

»Entschuldigen Sie die Störung, aber wir haben ein paar Fragen.« Filippos zückte seinen Dienstausweis und hielt ihn hoch. »Das ist meine Kollegin Katharina Waldmann«, stellte er die Kommissarin vor. »Sie sind gestern zusammen mit Jannis Petridis unterwegs gewesen?«, fragte er ohne Umschweife in die Runde.

»Wir waren essen. Was ist mit Jannis?« Sylvia war aufgesprungen und wurde ganz blass um die Nase.

»Wo waren Sie genau und um welche Uhrzeit sind Sie dort gewesen?«, wollte Filippos wissen, ohne die Frage zu beantworten.

»Wir sind gegen sieben los ins Minoli und hatten ganz schön was getrunken.« Alex schilderte ihr Ankommen im Gästehaus und ihren Begrüßungsumtrunk.

»Und dann? Sind Sie zusammen nach Drios gefahren?« Katharina bohrte nach.

»Nach Drios? Wir sind bis gegen zehn im Minoli sitzen geblieben. Jannis ist früher weg.« Sven hatte sich eingemischt.

»Wann ist er weg und wohin wollte er? Ist er vielleicht nach Drios gefahren? Und war er allein?«

»Fahren konnte der bestimmt nicht mehr, wir haben in dem Restaurant unser Wiedersehen weitergefeiert. Er hätte noch eine Verabredung, hat er erwähnt.« Sylvia wusste das zu berichten. »Aber warum wollen Sie das alles wissen? Was ist mit Jannis los? Wir waren heute Morgen verabredet und er ist nicht erschienen. Wir haben ihn auch telefonisch nicht erreicht.«

»Das konnten Sie auch nicht. Jannis ist tot. Überfahren worden in der Nähe von Drios. Jetzt sind wir auf der Suche nach dem Unfallfahrer.« Filippos konfrontierte die Urlauber unverhohlen mit der traurigen Nachricht.

»Fahrerflucht? Wie schrecklich.« Sylvia sank in ihren Stuhl zusammen. Den restlichen dreien hatte es die Sprache verschlagen, bis Sven plötzlich wild mit seinen Armen zu fuchteln begann.

»Zeig ihm das Foto. Du musst ihm das Foto zeigen«, schrie er Frank an, der das eingeschweißte Bild vom Friedhof an sich genommen hatte.

»Welches Foto? Wovon reden Sie?« Katharina wollte es genau wissen.

Frank starrte mit offenem Mund ins Leere. Svens Gefühlsausbruch hatte ihn völlig überrascht. Dann kramte er in seinem Rucksack und reichte die Aufnahme wortlos der Kommissarin.

Intensiv studierte sie zusammen mit Filippos das Foto.

»Sind Sie das?« Ihr Blick wanderte zu jedem der Urlauber auf der Suche nach Ähnlichkeiten. »Wann wurde das aufgenommen?«

»Vor dreißig Jahren und das haben wir heute Morgen auf dem Friedhof gefunden.« Sylvia versagte die Stimme. Stotternd berichtete sie von dem Treffen an dem vermuteten Grab von Lisa, zu dem Jannis nicht erschienen war. »Das alles ist uns sehr komisch vorgekommen. Wir haben zunächst an einen üblen Scherz geglaubt. Nachdem wir unseren griechischen Freund nicht erreicht haben, sind wir zum Strand aufgebrochen und wollten es am Abend noch einmal versuchen.«

»Das ist alles mehr als merkwürdig.« Filippos betrachtete erneut das Bild. Eine gelungene Gruppenaufnahme, darauf sechs fröhliche, junge Menschen, die in die Kamera lachten. Wäre da nicht eine nachträglich eingetragene Markierung vorgenommen worden, die dem Bild eine makabre Note gab. Über den Köpfen von zwei Personen war dick ein schwarzes Kreuz gezeichnet worden. Über dem Kopf von Lisa und dem von Jannis. »Und Sie haben keinen Fremden am Grab beobachtet, der das Foto abgelegt hat?« Filippos ließ das Bild nicht los.

»Außer uns war nur noch eine alte, ganz in schwarz gekleidete Frau auf dem Friedhof. Das Gelände ist nicht sehr groß und weitere Personen wären uns aufgefallen«, bemerkte Sven.

»Wer ist die Frau mit dem Kreuz?«, wollte Filippos wissen.

»Ein Mitglied aus unserer früheren Clique. Sie ist damals hier auf Paros ums Leben gekommen«, schluchzte Sylvia.

Die Kommissarin schaute wie elektrisiert auf.

»Lisa hieß sie.« Der Wienerin liefen die Tränen die Wangen hinunter. »Und jetzt Jannis!« Sie schnäuzte in ein Taschentuch. »Was hat das alles zu bedeuten?«

»Das würden wir auch gerne wissen.« Filippos’ Aussage war klar und deutlich. Seine anfängliche Vermutung, dass hier etwas nicht stimmte, verstärkte sich mit jeder Sekunde.

»Ich möchte von jedem eine genaue Beschreibung, was Sie gestern Abend, nachdem Jannis das Lokal verlassen hat, noch gemacht haben. Schreiben Sie es am besten auf. Lückenlos und wenn möglich mit Angabe von Zeugen.« Seine Ansage war unmissverständlich.

Alex war aufgesprungen. Er fixierte den Kommissar, als verstände er die Welt nicht mehr. »Was wird das hier? Ich will Urlaub machen. Dürfen Sie das überhaupt?« Er war außer sich.

»Das dürfen wir! Wir suchen einen flüchtigen Unfallverursacher und so wie es aussieht, waren Sie die Letzten, mit denen Jannis Petridis zusammen war. Und bis wir den gefunden haben, möchte ich Sie bitten, sich zu unserer Verfügung zu halten.« Filippos überreichte jedem der vier seine Visitenkarte. »Falls Ihnen zu dem Abend noch etwas einfällt … Ich komme morgen früh, um Ihre Aufzeichnungen zu besprechen«, verabschiedete er sich.

Stille! Mit versteinerten Gesichtern verharrten alle eine Weile, bis Alex abrupt aufsprang.

»Verflucht, wenn ich das gewusst hätte …«, schrie er und trat voller Wut gegen einen Stuhl. Erschrocken beobachtete die Clique seine Empörung und auch die Kommissarin registrierte es mit Unbehagen auf dem Weg zu ihrem Wagen.

»Dieser Alex gefällt mir nicht, wie aggressiv er sich verhält«, stellte sie fest, als sie zurück in ihrem Dienstwagen saßen. »Ein Freund kommt ums Leben. Da muss ich doch an einer Aufklärung interessiert sein oder sehe ich das falsch?«

Filippos überlegte angestrengt, bevor er antwortete. Katharina bemerkte, dass ihn die Angelegenheit stark beschäftigte.

»Sind das wirklich Freunde? Oder ist das mehr eine lockere Gruppe von Leuten, die einer Einladung gefolgt sind?«

»Wie meinst du das?«

»Wie enge Freunde kamen sie mir nicht vor. Wenn du ein solches Foto gefunden hättest und dann noch Jannis nicht erreichbar gewesen wäre, was hättest du gemacht? Wärest du in aller Seelenruhe zum Strand gefahren?«

Die Kommissarin wurde nachdenklich. »Wahrscheinlich nicht. Ich hätte alles darangesetzt, herauszufinden, was mit ihm los ist.«

»Genau, das hätte ich auch getan.« Filippos startete den Wagen. »Wir müssen mehr über die vier in Erfahrung bringen und mich würde wahnsinnig interessieren, was da vor 30 Jahren genau passiert ist.«

»Daran habe ich auch schon gedacht, aber das wird schwierig. Ist verdammt lange her. Da kann uns wahrscheinlich nur mein Vorgänger Adonis Georgidis helfen.« Katharina dachte an den früheren Polizeichef von Paros, mit dem sie eine langjährige Freundschaft pflegte und der nun schon viele Jahre seinen Ruhestand genoss.

»Und da sind noch viele weitere Fragen, die ich habe. Wer hat die Einladung verschickt?« Jetzt fiel ihm ein, dass er ganz vergessen hatte, sich den Brief zeigen zu lassen. »Denke bitte mit daran, dass wir uns dieses Einladungsschreiben zeigen lassen. Vielleicht ergeben sich daraus ein paar Hinweise«, überlegte er an Katharina gewandt, während er das Polizeifahrzeug aus Naoussa heraus in Richtung Parikia lenkte. »Und wer hat das Foto auf dem Friedhof abgelegt? Mal sehen, was die Aufzeichnungen der vier ergeben und außerdem erwarten wir noch die Ergebnisse der Gerichtsmedizin. Das wird ein spannender Tag morgen.« Die Kommissarin spürte einmal mehr die Angespanntheit ihres Vorgesetzten.

Brennender Sommer

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