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Sophia Petridis Naxos, Juni 2018

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Sophia Petridis war mit dem nächsten Schiff zurück nach Naxos gefahren. Am Hafen warteten weitere nahe Angehörige auf sie. Alle begleiteten die Witwe mit zu ihrem Haus und boten ihre Hilfe an. Es war ein kleiner Trost, in dieser schweren Zeit nicht alleingelassen zu werden. Die meisten waren sehr vertraut mit der Familie, die in dem kleinen Ort ein hohes Ansehen genoss.

Ihr Betrieb war eine Institution auf der Insel und Kitron von Petridis war das berühmteste Exportprodukt von Naxos. Laut einer Verordnung des Europäischen Parlaments durfte nur dort der Likör produziert werden. Das half natürlich bei der Vermarktung dieser besonderen Spirituose. Über die Jahre hatten sie drei Varianten des Likörs entwickelt, die sich anhand zugesetzter Lebensmittelfarbstoffe voneinander unterschieden. Der Kitron mit dem höchsten Alkoholgehalt war gelb gefärbt und kam mit seinen 36% schon einem Schnaps gleich, die farblose Variante war süßer und mit 33% nicht ganz so stark und die grün gefärbte Sorte hatte 30%, ein fruchtiger Likör, der besonders von den Damen äußerst gern getrunken wurde.

Viele Anwohner halfen schon seit Jahren in der Brennerei aus, meistens während der Erntezeit der Blätter des Zitronat-Zitronenbaums im Herbst jeden Jahres. Die Möglichkeit, in der traditionsreichen Manufaktur mit anpacken zu dürfen, schaffte eine besondere Verbundenheit unter den Dörflern. Der Betrieb sorgte für bescheidenen Wohlstand, denn gerade in den letzten Jahren kamen immer mehr Touristen, um sich die Herstellung dieses geschätzten Brandes anzuschauen. Davon profitierte nicht nur die Familie Petridis, davon profitierte die gesamte Region.

Sophia spürte das Bemühen der Leute und ihre fürsorgliche Anteilnahme, aber sie wollte jetzt alleine sein. Der Tag hatte einiges von ihr abverlangt und jetzt, wo sie zurück in ihrer heimischen Umgebung war, bemerkte sie, welche Kraftanstrengung sie in den vergangenen Stunden geleistet hatte. Sie war einem Zusammenbruch nahe und in ihrem Kopf herrschte ein völliges Chaos. Er drohte ihr auseinanderzuspringen. Es gab so viele Fragen, die sich ihr stellten und auf die sie keine Antworten hatte. Fragen, die den Tod ihres Mannes betrafen, aber auch Fragen, die den Betrieb angingen. Dazu kam dieses schwer zu beschreibende Gefühl einer Ohnmacht, was sie so noch nie erlebt hatte. Sie war immer der Meinung gewesen, mit ihrer Ehe sei alles in Ordnung und jetzt das.

Warum hatte ihr Mann nichts von diesem Treffen erzählt? Immer und immer wieder suchte sie nach einem Grund. Sie hatte sich bei der Vernehmung zwar nichts anmerken lassen, doch dass Jannis ihr hier etwas verschwiegen hatte, war für sie sofort klar gewesen. Spätestens bei seiner Ankündigung, noch zwei weitere Tage auf Paros zu bleiben, hätte er ihr davon berichten müssen. Diese Tatsache war für sie am schlimmsten zu ertragen. Da waren die offenen Fragen, wie sie den Betrieb aufrechterhalten sollte, zweitrangig.

Vor ihrer Abfahrt zurück nach Naxos hatte sie kurz in Erwägung gezogen, zu dieser Pension zu fahren, um mehr über das Wiedersehenstreffen zu erfahren. Ihre Schwester hatte ihr davon abgeraten.

»Komm erst mal zur Ruhe. Wir müssen die Beerdigung organisieren«, hatte sie ganz pragmatisch reagiert. »Außerdem musst du im Betrieb einiges regeln, damit du dich um alles andere kümmern kannst.« Sie war zu müde gewesen, um etwas dagegenzuhalten.

»Wer weiß, wann ich Jannis nach Hause holen kann«, hatte sie in einem Weinkrampf gestottert. »Ich will mir nicht vorstellen, was die in Athen alles mit ihm anstellen.« Ihre Schwester hatte sie tröstend in den Arm genommen und sie zur Anlegestelle bugsiert.

Mit letzter Kraft schickte sie die Trauergemeinde nach Hause, bis auf ein paar Familienmitglieder und engste Betriebsangehörige, die in den nächsten Tagen ihre Vertretung übernehmen sollten. Die Aufgaben waren schnell verteilt. Die Besichtigungen der Produktion mit anschließender Verkostung strich sie für die nächste Zeit. Zumindest, bis sie Jannis beerdigt hatten. Sie hoffte auf das Verständnis der extra angereisten Urlauber. Flink wurde ein Schild in die Eingangstür gehangen mit der Aufschrift: Closed due to bereavement – Wegen Trauerfall geschlossen. Dann zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück, mit ihr, der nur durch einen Zufall aufgefundenen Einladung.

Mehrfach überflog sie die wenigen Zeilen und versuchte zu verstehen, warum sie darüber nicht informiert worden war. Ihr fiel partout nichts dazu ein. Lediglich die Aufforderung einer Rückmeldung an die Pension wegen der Reservierung der Zimmer registrierte sie als einen ersten Hinweis. Sophia nahm sich fest vor, am nächsten Morgen im Christianos anzurufen.

Brennender Sommer

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