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Sven Lindner Köln, März 2018

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Vorsichtig wagte Sven einen Blick nach draußen, in der Hoffnung, dass das Wetter heute gnädiger gestimmt war. Die Nacht hindurch hatte es pausenlos geschüttet, wie schon in den Tagen zuvor. Der Regen wurde von heftigen Windböen gegen sein frisch gereinigtes Panoramafenster gepeitscht. Ärgerlich, denn erst gestern war seine Reinigungskraft stundenlang damit beschäftigt gewesen, alle Fenster seiner Wohnung streifenfrei auf Hochglanz zu bringen. Er hatte darauf bestanden, obwohl sie mehrfach auf das schlechte Wetter hingewiesen hatte. Sie wären einfach fällig, hatte er ihre Bedenken ignoriert, denn er hasste jede Art von Schmutz in seiner Wohnung. So war es nicht verwunderlich, dass sein minimalistisch eingerichtetes Appartement mehr einem frisch desinfizierten Operationssaal glich als einer gemütlichen Wohnung. Die schicke Behausung, welche er sein Eigen nennen konnte, befand sich im dritten Stock eines vor dreizehn Jahren errichteten Gebäudes in einem ehemaligen Hafengebiet, direkt am Rhein gelegen. Lange Zeit fristete die Gegend ein eher unbeachtetes Dasein, bis ein paar clevere Investoren das Potential erkannt und mit der Sanierung und Vermarktung begonnen hatten. Mittlerweile zählte der Rheinauhafen zu einer der teuersten Wohngegenden von Köln. Ein Glücksgriff, wie sich schnell herausgestellt hatte. Nachdem in den letzten Jahren die Immobilienpreise explodiert waren, hatte man ihm schon das Vielfache für das Objekt geboten.

Das Umfeld stimmte, man grüßte sich, blieb aber stets auf Distanz, bevor es zu persönlich wurde. Keiner interessierte sich füreinander. Wenn er Lust auf Menschen hatte, standen genügend Kneipen und Brauhäuser bereit. In seiner Freizeit besuchte er aber meistens eine der zahlreichen Schwulenbars, mit denen Köln reichlich aufwarten konnte.

Es gab keinen Fetisch, der nicht in einem der zahlreichen Clubs bedient werden konnte.

Sven schälte sich aus seinem Bett. Sein erster Blick galt seinem immer noch recht ansehnlichen Körper. Ein großer Spiegel in seinem Schlafzimmer nahm die halbe Wand ein. Kritisch musterte er sich von oben bis unten, schaute genau nach, ob die Liaison mit dem gut gebauten Südländer letzte Nacht Spuren hinterlassen hatte. Der Bursche war nicht schlecht gewesen, vielleicht ein bisschen zu grob und mindestens zwanzig Jahre jünger als er selbst. Er verbuchte es als einen persönlichen Erfolg.

Trotz eines Gefühls von Stolz konnte er einen Anflug von Ärger nicht verdrängen. Ärger über sich selbst, dass er schon wieder in diesem Schuppen gelandet war. Etwas zu häufig in der letzten Zeit. Er nahm sich fest vor, seinen Trieb besser in den Griff zu bekommen. Es war halt so bequem, wenn man Lust auf schnellen Sex verspürte. Dating-Portale, die viele seiner jüngeren Bekannten bevorzugten, lagen ihm nicht. Damit hatte er keine guten Erfahrungen gemacht. Zu sehr kaufte man dort die Katze im Sack, war seine feste Meinung. Außerdem war die Wirklichkeit meistens meilenweit von den vielfachen Versprechungen entfernt. Aufgemotzte Profilbilder und falsche Altersangaben waren da an der Tagesordnung. Auch sein Profil war leicht geschönt, mit Anfang fünfzig musste man schließlich in die Trickkiste greifen. Das peinliche Gerede vor und nach der Nummer kam erschwerend hinzu, obwohl Sven es vermied, seine Sexpartner mit zu sich nach Hause zu nehmen. Jeder Fremde in seiner Luxuswohnung stellte für ihn einen Fremdkörper dar, der nur Unordnung und Schmutz in sein akribisch sortiertes Leben brachte.

Draußen hatte es wieder zu regnen begonnen, eine Nachreinigung seiner Fenster machte heute keinen Sinn. Er sehnte sich nach Sonne, Strand und braungebrannten Männerkörpern. Ein wohliger Schauer ereilte ihn, wenn er darüber nachdachte.

In drei Monaten sollte er genug davon bekommen. Mit seinem Hotel auf Mykonos, in dem er regelmäßig ein paar Tage im Jahr verbrachte, hatte er schon alles geregelt. Jetzt musste er nur den Abstecher nach Paros klarmachen, so wie es in der Einladung geschrieben stand.

Er hatte keine Sekunde gezögert, auch wenn er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was man sich nach dreißig Jahren noch zu sagen hatte.

Von Mykonos aus war es nur ein Katzensprung bis nach Paros, falls das Treffen aus dem Ruder laufen sollte, konnte er die nächste Fähre auf seine Lieblingsinsel nehmen.

Im ersten Moment hatte er einen Anflug von Wut verspürt, nachdem er die Zeilen mehrfach überflogen hatte. Wut auf Alex, wegen dem er sich damals überhaupt auf diese Reise eingelassen hatte. Als eine fürchterliche Demütigung war ihm die Abfuhr in jenem Sommer 88 im Gedächtnis geblieben und selbst nach so langer Zeit nagte das stark an seinem Ego.

Wie er wohl aussehen würde? Der tolle Mann, von dem er sich in jenem Sommer so viel mehr versprochen hatte.

Leichte Verlegenheit kam auf, als er an Sylvia dachte. Sie hatte ihn überraschend einige Wochen nach ihrer Rückkehr eines Abends angerufen und geschickt die ganze Misere mit Alex aus ihm herausgekitzelt, mit ihrem ganzen Handwerkszeug aus dem Psychologie-Baukasten. Zu dumm von ihm, dass er es erst viel zu spät gecheckt hatte. Heute, mit weitaus mehr Weitblick, kam ihm das Verhalten der Wienerin seltsam vor, mit ihren dauernden Analysen, so als wäre der Urlaubstrip auf die Kykladen ein Praxissemester für ihr Studium gewesen.

Ob sie wohl noch mit Frank in Kontakt stand? Ihm womöglich seine Beichte brühwarm zum Besten gegeben hatte? Durchaus vorstellbar, denn sie war die Bezugsperson des Berliners gewesen, nachdem ihn Wut und Trauer um den Verlust an Lisa aus der Bahn geworfen hatten. Fragen über Fragen, so langsam bekam er Lust auf ein Treffen mit dem Haufen.

Brennender Sommer

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