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Bildungsenthalpien und Molecular Modeling

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Wir haben gesehen, wie wir durch Kombination geeigneter Standardbildungsenthalpien zu Standardreaktionsenthalpien gelangen. Nun stellt sich die Frage, ob wir Standardbildungsenthalpien berechnen können, wenn wir die chemische Zusammensetzung und Struktur der betreffenden Substanz kennen. Einen thermodynamisch exakten Weg der Berechnung von Bildungsenthalpien aus Beiträgen einzelner Atome oder Bindungen gibt es, kurz gesagt, nicht. Näherungsverfahren beruhten früher meist auf mittleren Bindungsenthalpien ΔH(A–B), der mittleren Enthalpieänderung beim Bruch einer Bindung A–B:

A – B(g) → A(g) + B(g) →H(A – B)

Eine solche Näherung ist wenig zuverlässig, unter anderem, weil es sich bei ΔH(A– B) um Durchschnittswerte handelt, die für ganze Verbindungsreihen verwendet werden. Der Ansatz unterscheidet auch nicht zwischen geometrischen Isomeren, deren Bildungsenthalpiendeutlich voneinanderabweichen können, obwohl die Artder enthaltenen Atome und der Bindungen zwischen ihnen identisch ist.

Diese eher primitiven Verfahren wurden in jüngerer Zeit durch das computergestützte Molecular Modeling weitgehend verdrängt. Hier berechnen kommerziell verfügbare Softwarepakete die Standardbildungsenthalpien von Molekülen, die man zuvor am Bildschirm konstruiert hat, auf der Grundlage von Methoden, die wir in Kapitel 10 kennen lernen werden. Diese Verfahren unterscheiden z. B. auch zwischen Konformationsisomeren. Die Differenz zwischen den berechneten Standardbildungsenthalpien der Konformere von Methylcyclohexan beträgt zum Beispiel 5.9 bis 7.9 kJ mol–1, was mit dem experimentellen Resultat (7.5 kJ mol–1) sehr gut übereinstimmt (die kleinere Standardbildungsenthalpie gehört dabei zur äquatorialen Konformation). Eine derart gute Übereinstimmung zwischen experimentellen und berechneten Werten findet man allerdings recht selten. Während die Programme fast immer richtig reproduzieren, welches Konformer stabiler ist, können sie den Zahlenwert der Energiedifferenz in der Regel nicht besonders exakt vorhersagen. Die zuverlässigste Methode zur Bestimmung von Standardbildungsenthalpien ist nach wie vor die Kalorimetrie, meist mithilfe von Verbrennungsenthalpien.

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