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Die statistische Deutung der Entropie

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Unser Einstieg in die mikroskopische Interpretation des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik beginnt mit der (auf Boltzmann zurückgehenden und bereits im Abschnitt G.5 diskutierten) Erkenntnis, dass die Energie eines Atoms oder Moleküls nur bestimmte Werte annehmen kann, die so genannten Energieniveaus. Die Moleküle einer Probe bei T > 0 sind durch die ständige thermische Anregung auf alle verfügbaren Energieniveaus verteilt. Boltzmann stellte auch die Verbindung zwischen der Verteilung der Moleküle aufdie Energieniveaus und der Entropie her. Für die Entropie eines Systems schlug er folgende Beziehung vor:

(3-5)

wobei die Konstante k = 1.381 ×10–23 JK–1 die Boltzmannkonstante ist und W die Anzahl der Mikrozustände angibt – der unterscheidbaren Möglichkeiten, die Moleküle bei gegebener Gesamtenergie eines Systems auf die zur Verfügung stehenden Energieniveaus zu verteilen. Wenn wir die Eigenschaften eines Systems messen, ermitteln wir eigentlich den Mittelwert über die verschiedenen Mikrozustände, die das System unter den Versuchsbedingungen einnehmen kann. Das Konzept der Mikrozustände stellt die unscharf definierten qualitativen Konzepte der „Unordnung“ und der „Verteilung von Stoffen und Energie“, anhand derer die Entropie meist eingeführt wird, auf eine qualitative Grundlage: Eine „ungeordnete“ Verteilung von Materie und Energie entspricht einer größeren Anzahl bei einer bestimmten Gesamtenergie möglicher Mikrozustände.

Gleichung (3-5) ist unter der Bezeichnung Boltzmanngleichung bekannt; die so berechnete Entropie wird oft als statistische Entropie bezeichnet. Wir sehen sofort, dass für W = 1 (wenn nur ein Mikrozustand oder eine Möglichkeit, die gegebene Gesamtenergie zu erreichen, denkbar ist; wenn sich also alle Moleküle exakt im gleichen Zustand befinden) wegen ln 1 = 0 sofort S = 0 gilt. Wenn das System in mehreren Mikrozuständen existieren kann, ist hingegen stets W > 1und S > 0. Wenn für die Moleküle in einer Probe mehr Energieniveaus erreichbar sind, gibt es automatisch auch mehr Mikrozustände zu einer bestimmten Gesamtenergie, folglich ist W und somit auch die Entropie größer als wenn nur wenige Energieniveaus erreichbar sind. Die statistische Sicht der Entropie, wie sie in der Boltzmanngleichung zusammengefasst ist, steht deshalb mit unserer qualitativen Beziehung zwischen der Entropie und der Energieverteilung im Einklang. Für das zuvor diskutierte Gas in einem Behälter rücken die Energieniveaus dichter zusammen, wenn das Volumen des Behälters größer wird (Abb. 3-4; diese Konsequenz aus der Quantentheorie werden wir in Kapitel 8 näher untersuchen). Dadurch werden mehr Mikrozustände möglich, W nimmt zu und somit auch die Energie, genau wie wir es auch aus der thermodynamischen Definition der Entropie abgeleitet hatten.


Abb. 3-4 Wenn die Wände eines Behälters sich voneinander entfernen, rücken die Energieniveaus dichter zusammen, sodass mehr Niveaus für die Moleküle zugänglich werden. Im Ergebnis nimmt die Zustandssumme und folglich auch die Entropie zu.

Boltzmanns mikroskopische Interpretation führt auch zur thermodynamischen Definition der Entropie gemäß Gl. [3-1]. Um dies zu verstehen, führen wir uns vor Augen, dass den Molekülen in einem System mit hoher Temperatur bereits viele Energieniveaus zur Verfügung stehen, weshalb eine geringe zusätzliche Zufuhr von Energie in Form von Wärme nur eine geringfügige Zunahme der Zahl von erreichbaren Niveaus nach sich zieht. Deshalb nimmt die Anzahl der Mikrozustände nur unwesentlich zu und die Entropie wächst kaum. In einem System mit niedriger Temperatur sind dagegen nur wenige (bei T = 0 sogar lediglich ein einziges) Energieniveaus besetzt. Die relative Zunahme der Zahl von erreichbaren Niveaus und der möglichen Mikrozustände bei Zufuhr der gleichen Wärmemenge wie oben fällt dann viel deutlicher aus. Aus diesem Grund nimmt die Entropie bei Erwärmung eines kalten Körpers stärker zu als bei Erwärmung eines warmen Körpers. Man kann also vermuten, dass die Entropieänderung umgekehrt proportional zu der Temperatur ist, bei der der Wärmeaustausch stattfindet, genau wie von Gl. [3-1] vorhergesagt.

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