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Die Idee

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Randall Beddowes schaute auf, als die Tür ging. Den eingetretenen Indianer erkannte er als Shoshonen, der östlich von Clearwater lebte. Der Mann hatte ein Konto, wollte wohl etwas einzahlen oder abheben.

„Ich grüße meinen roten Bruder,“sagte er.„Was kann ich für ihn tun?“

„Ich grüße meinen weißen Bruder,“antwortete der Indianer und hielt eine Zeitung hoch.„Ist es wahr, daß eine Eisenbahn gebaut werden soll. Hier steht, man habe eine Gesellschaft dafür gegründet.“

Beddowes überflog den Artikel und nickte:„Diese Gesellschaft will hier Eisenbahnen bauen.“

„Kann ich bei meinem weißen Bruder Aktien erwerben?“

„Natürlich. Wieviele denn?“

Der Indianer wuchtete eine Satteltasche auf den Banktresen:„1000 Stück.“

Beddowes öffnete die Satteltasche und schüttete das Gold auf eine Waage. Mit der kleinen Goldwaage gab er sich dabei garnicht erst ab. Selbst, wenn er ein paar Unzen zuviel bezahlte, war es immernoch ein gutes Geschäft. Beddowes rechnete schnell, gab seinem Kunden eine Quittung und schrieb einen Auftrag, den dieser unterzeichnete.

„Es dauert etwa drei bis vier Tage,“meinte er,„und einen eventuellen Restbetrag schreibe ich dem Konto meines Bruders gut.“

„Howgh!“

Damit war die Sache abgemacht, aber eine Frage pisackte Beddowes dann doch:„Warum kauft mein Bruder diese Anteile? Ich dachte immer, Indianer wären gegen die Eisenbahn.“

„Der kluge Mann weiß,“antwortete der Rote,„daß sich auch diese Eisenbahn nicht verhindern läßt. Wer aber viele Anteile hat, kann sie kontrollieren.“

Beddowes stutzte. Der Mann hatte vollkommen Recht!

„Mein Bruder ist ein sehr kluger Mann,“sagte er deshalb,„und er hat mich auf einen noch besseren Gedanken gebracht.“

„Dann nutze ihn klug,“antwortete der Indianer und verließ die „Clearwater First Savings Bank“ wieder.

Beddowes sah auf die Uhr, machte die Bank dicht und sich selbst auf den Weg zum Bürgermeister.

Marge Robinson schaute nach der Uhr und der Sonne. Letztere ging bald unter.

„Was ist?“fragte ihr Mann.

„Mary-Rose ist noch nicht zuhause, und es wird bald dunkel,“antwortete sie besorgt.

„Möchte den sehen, der so blöd ist, sich mit den Colts unserer Tochter anzulegen,“grinste ihr Mann.

„Mach Dich bitte nicht über mich lustig, Arthur,“lächelte sie,„Ich kann eben nichts aus meiner …“

In diesem Moment ertönte ein Schuß.

„Das muß der letzte Apfel gewesen sein,“brummte der Pastor.

„Auf jeden Fall war es der linke Colt,“meinte Marge

„Was Du alles hörst,“wunderte sich ihr Mann.„Also alle Sorge umsonst.“

Zwei Minuten später kam Mary-Rose durch die Tür. Sie schien sehr nachdenklich, grüßte nur kurz und setzte sich sofort an ihre Hausaufgaben, für die sie länger als gewöhnlich brauchte. Am Klavier war sie so unkonzentriert, daß sie nach einer Viertelstunde frustriert aufgab, sich trotz des Dämmerlichtes ein paar Dosen suchte und draußen wie wild auf sie einballerte. Sie mußte dabei die Reste ihres Monatsvorrates vernichtet haben. ‚Sei’s drum‘, dachte Marge,‚morgen ist der Erste.‘

Beim Essen fragte ihr Mann dann:„Mary-Rose? Was ist los?“

„Was soll denn los sein?“Mary-Rose hatte kein Talent darin, die Unschuldige zu spielen.

„Du kommst viel zu spät, verpatzt am Klavier so ziemlich alles und feuerst im Halbdämmer mindestens zwanzig Schuß auf ein paar Dosen ab,“zählte Marge auf.„Also, was ist los?“

Mary-Rose blickte lange auf den Boden ihres Tellers. Endlich fand sie Worte:„Ich war noch mit Myrna und ihrer Mutter bei Doktor Rivers. Myrna ist schwanger.“Eine betretene Pause.„Ich hab‘ das Schwein zu schnell erwischt. Wenigstens am Galgen hätte er baumeln sollen. Wäre sicher lustig geworden.“

„Mary-Rose!“tadelte ihr Vater, aber die Kleine stand nur auf und ging in ihr Zimmer.

„Wir wußten es,“kommentierte Marge.

„Das macht es nicht besser,“seufzte ihr Mann.

Tamblyn öffnete seinen Laden. Normalerweise tat er das nicht so früh, aber heute war der Erste. Wie erwartet, kam Mary-Rose, um ihre Munition abzuholen. Auch Myrna Jenkins betrat den Laden, schien sich aber nicht sehr wohl zu fühlen. Sie betrachtete die Damenrevolver in der Auslage, die Mary-Rose damals verschmäht hatte, lange und eingehend, bis Mary-Rose sie wieder mit hinauszog. Sie mußten zur Schule.

„Denk nicht 'mal dran,“sagte Mary-Rose zu Myrna, als sie draußen waren.„Du würdest auf Gespenster schießen.“

Myrna sagte sich, daß Mary-Rose wohl Recht hatte, und folgte ihr.

Ihre Befürchtung, Myrna könnte sich selbst etwas antun, behielt Mary-Rose vorsichtshalber für sich.

10 Uhr morgens. Robert Clayton schaute aus dem Fenster seines Büros. In Clearwater ging alles seinen gewohnten Gang. Gerade eben war die wöchentliche Postkutsche durchgekommen. Er hatte die Löcher nicht gezählt, aber es schienen keine dazugekommen zu sein. Die Fahrt war also ruhig verlaufen. Clayton ging zurück zum Schreibtisch. Wahrscheinlich verspäteten sich seine Gäste. Vielleicht konnten einige auch nicht. Die Einladung war ja auch sehr kurzfristig gewesen.

Beddowes traf als Erster ein. Er entschuldigte sich sogar für sein Zuspätkommen, bis er feststellte, daß er der Erste war.

Nach und nach trafen die anderen vermögenden Bürger des Städtchens ein. Allesamt Miteigentümer der Goldmine. Auch die beiden größten Farmer und die vier größten Rancher waren vertreten. Zuletzt trafen die vier Häuptlinge ein. Insgesamt saßen jetzt 20 Personen im ‚großen‘ Sitzungssaal des Rathauses. Es war eng geworden. Clayton begrüßte alle und überließ es Beddowes, die Sachlage zu erklären. Danach trat für einige Minuten Stille ein. Erstaunlicherweise war es Lange Hand, der Häuptling der Shoshonen, der sie brach:„Wieviel kostet eine solche … Aktie?“

„Zur Zeit etwa 15 $,“erklärte Beddowes,„dafür habe ich heute Morgen die Aktien für Langes Ohr geordert.“

„Und wieviele Aktien wurden ausgegeben?“Der Rancher Sir Waldo, der Engländer, unverkennbar am Akzent, stellte diese Frage.

„200000,“antwortete der Bankier,„aber die Zeichnung läuft schleppend.“

„Bei einer Eisenbahngesellschaft?“Jack Alder, der älteste der Alder-Brüder, klang nicht nur ein wenig überrascht.

„Ist aber möglich,“kommentierte sein jüngerer Bruder Ron, Bergbauingenieur.„Das Gelände ist schwierig, die Strecke daher teuer, und sie führt nur durch kleine Käffer wie Clearwater. Keine riesigen Gewinnaussichten.“

„Glaubt mein Bruder, das Unternehmen könnte scheitern,“fragte Lange Hand jetzt.

„Nur vorübergehend,“antwortete Ron Alder.„Die Berge hier sind so reich, daß es früher oder später kommen wird.“

„Dann lieber jetzt,“ließ sich nun Schneller Pfeil, der Häuptling der Cheyennes vernehmen.

„Howgh!“bestätigten die anderen Häuptlinge ihren Amtskollegen.

Auch Farmer und Rancher schienen dieser Ansicht zu sein. Trotzdem blieben noch einige Fragen.

„Wie verteilen wir die Lasten?“fragte Grand, der Gemischtwarenhändler.

„Jeder zeichnet, soviel wie er kann,“schlug Clayton vor.„Die Gemeinde hat noch Goldreserven, die werden ebenfalls zum Teil investiert. Aber da ist noch etwas.“

„Was denn?“fragte Beddowes, der dieses Detail auch nicht kannte.

„Das Land,“bemerkte Sir Waldo trocken.

„Welches Land?“fragte einer der Farmer, ging aber im Stimmengewirr unter.

„Jeder Bahnbau braucht Land,“erfaßte Ron Alder sofort die Situation.

„Richtig,“bestätigte der Bürgermeister,„und wenn wir bei den Kaufverhandlungen mit einer Stimme sprechen, …“

„ … wird jeder mehr bekommen, weil sie dann nicht den einen gegen den anderen aufhetzen können,“vollendete Lange Hand den Satz.

„Und wenn wir uns dafür Aktien geben lassen, …,“begriff jetzt Jack Alder.

„ … wird unser Einfluß so groß werden, daß wir die Gesellschaft lenken können,“bestätigte Sir Waldo.

„Eben,“grinste der Bürgermeister.

Eine Stunde später war die Vereinbarung perfekt und unterschrieben. Heute Nachmittag mußte sich noch der Gemeinderat damit befassen, aber die meisten Mitglieder waren ja schon hier.

Zuletzt wurde über die Vereinbarung noch das Kalumet geraucht, was einige Zeit dauerte, aber keiner wirklich übel nahm.

Danach ging Clayton zum Mittagessen.

Elvira sah Myrna nach, als sie das Haus verließ.

„Irgendwann muß ich es ja alleine schaffen,“hatte Myrna gesagt und den Einkaufskorb genommen. Elvira wollte ihr natürlich Mut machen, aber sie kannte einige sittenstrenge „Damen“ der Stadt zu genau, um Myrna jetzt schon ein Treffen mit ihnen zu wünschen, wobei diese hochnäsigen Aasgeier zum Glück noch nichts von der Schwangerschaft wußten.

Als ihr Mann nach Hause kam, erzählte sie ihm von Myrnas Mut und ihren Bedenken. Der runzelte die Stirn und antwortete:„Wie sich die Zeiten doch ändern.“

„Warum?“Elvira war verwirrt.

„Vor noch nicht allzulanger Zeit haben wir hier gesessen und uns die Mäuler über andere zerrissen,“erklärte er,„und einige dieser ‚Aasgeier‘ hieltest Du für Deine besten Freundinnen.“

Elvira lief es kalt den Rücken hinunter. Er hatte Recht! Barmherzigkeit hatte nicht sehr hoch auf ihrer Prioritätenliste gestanden. Sie sahen sich an, setzten sich an den Küchentisch und beteten.

Myrna machte derweil ihre Einkäufe. Sie ließ sich Zeit dabei, verließ aber nie die Hauptstraße, wo zumindest noch etwas Betrieb war. Viele grüßten sie freundlich, aber einige Frauen rümpften nur die Nase, eine wechselte sogar die Straßenseite. Myrna konnte sich noch gut an die Kaffeekränzchen erinnern.

„Myrna, meine Liebe,“der laute Ausruf direkt vor ihr, brachte sie ins hier und jetzt zurück. Beinahe wäre sie in Ethel Merman hineingelaufen. Ethel lächelte nur, als Myrna eine Entschuldigung stammelte und lud sie auf eine Tasse Kaffee ein.

„Wirklich sehr nett,“antwortete Myrna ängstlich,„aber ich möchte noch vor Sonnenuntergang zu Hause sein.“

„Keine Sorge,“grinste Ethel und öffnete ihre Handtasche, in der der alte Colt ihres verstorbenen Mannes lag.„Ich höre zwar schlecht, sehe aber noch sehr gut.“

„Dann komme ich gerne.“

„Außerdem streunt Mary-Rose hier irgendwo herum. Sie hat wohl heute niemanden zum Spielen und tut sich etwas wichtig.“Ethel’s Ton war weder angewidert noch süffisant, eher zufrieden.„Und das ist gut so. Inzwischen weiß jeder, daß sie schon einen Mann erschossen hat. Das sorgt für Ruhe.“

Während dieser Worte waren sie an Ethels Haustüre angekommen und traten ein. Nachdem sie abgelegt und Ethel das Kaffeewasser aufgesetzt hatte, setzten sie sich ins Wohnzimmer, wo schon ein Teller mit Gebäck stand.

„Nach dem Gesicht, das Mary-Rose heute machte, möchte ich ihr nicht in die Quere kommen,“setzte Ethel das Thema fort, und Myrna blickte augenblicklich zu Boden.

„Ich kann mir denken, warum sie dieses Gesicht macht,“preßte sie heraus, ohne es wirklich zu wollen.

„So,“hakte Ethel es freundlich nach,„warum denn?“

Jetzt half nichts mehr. Gleich würde Ethel sie achtkantig 'rausschmeißen.„Weil Mary-Rose mit mir bei Doktor Rivers war,“stammelte Myrna,„und … und …“

„Ja?“fragte Ethel immernoch freundlich.

„ … ich bin schwanger.“Myrna fühlte sich seltsam erleichtert und wartete auf den Sturm.

„Wenn es irgendeine Person in diesem Raum gäbe,“fing Ethel streng an,„der deswegen Vorwürfe gemacht werden müßten, dann wäre das allenfalls ich.“Ethel sackte in sich zusammen.„Ich muß Dich noch einmal um Vergebung bitten, Myrna. Ich höre nicht mehr so gut und habe Dein Schreien zuerst für den Lärm spielender Kinder gehalten. Als ich meinen Irrtum erkannte, war es leider schon zu spät, und in der Tür hörte ich dann den Schuß von Mary-Rose.“

„Sie verurteilen mich nicht?“fragte Myrna noch einmal zur Sicherheit.

„Warum denn, mein Kind?“fragte Ethel erstaunt.„Du hast nichts Falsches getan, und den Verbrecher hat sein Schicksal ereilt.“

„Mary-Rose meinte heute morgen,“plapperte Myrna erleichtert,„sie habe womöglich zu gut getroffen. Den Spaß, den Kerl am Galgen zappeln zu sehen, hätte man sich durchaus noch machen können.“

Ethel, die Myrnas Angst längst durchschaut hatte, dachte einen Moment nach und sagte dann:„Recht hat sie.“

Myrnas Augen wurden immer größer.

„Aber der eigentliche Skandal ist, daß Mary-Rose schießen mußte, weil unsere versammelte Männlichkeit sich nie auf einen Sheriff für dieses gottgesegnete Nest einigen kann.“Ethel war bei den letzten Worten dann doch etwas lauter geworden.

„Haben Sie das denen schon 'mal gesagt?“fragte Myrna.

„Nicht nur einmal, mein Kind,“seufzte Ethel resigniert,„nicht nur einmal.“

Es wurde noch eine nette Plauderstunde, so nett, daß beide die Zeit vergaßen.

Elvira blickte besorgt nach draußen. Die Sonne ging unter und noch keine Spur von Myrna. Es klopfte. Sie machte auf. Draußen stand Mary-Rose.

„Ich wollte nur sagen, daß Myrna bei Tante Ethel ist,“verkündete sie.„Soll ich sie abholen?“

„Nein, laß nur und geh nach Hause, Mary-Rose,“meinte Myrnas Vater von hinten.„Ich gehe gleich selbst.“

„Danke,“sagte Elvira.

„Ich wollte nur nicht, daß Ihr Euch Sorgen macht,“antwortete Mary-Rose.„Die beiden haben wahrscheinlich die Zeit vergessen.“

In diesem Moment kam Clayton vorbei und blickte zur Tür hinein:„Guten Abend, Allerseits.“

„Guten, Abend, Bürgermeister,“sagte Elvira,„kommen sie doch herein.“

„Danke,“wehrte der ab,„aber ich habe noch einen dringenden Termin.“

Trotzdem kamen die Jenkins noch nach draußen. Clayton grinste, als er auf den Apfelbaum zeigte:„Den schönsten Apfel haben Sie drangelassen.“

„Er hing zu hoch,“lachte Elvira.„Ich kam nicht dran.“

Plötzlich ertönte ein Schuß, und nur Sekunden später gab Mary-Rose Clayton den Apfel:„Bitte, Herr Bürgermeister.“

Clayton machte riesige Augen, betrachtete den Apfel von allen Seiten.„Ich sehe, daß mein Geld gut investiert ist,“sagte er.„Komm, Mary-Rose, ich muß zu Deinem Vater.“

„Gut,“grinste das Mädchen breit,„ich bringe Sie hin.“

Elvira verdrehte die Augen. Die beiden verabschiedeten sich und gingen.

Eine Stunde später machte ihr Mann sich auf, Myrna abzuholen.

Als Jenkins bei Ethel ankam, mußte er mehrfach klopfen, bis ihn jemand hörte. Endlich öffnete Ethel, nachdem sie durch das Türfenster geschaut hatte.

„Ach, Du bist es, Isaiah,“sagte sie.„Ich glaube, wir haben glatt die Zeit vergessen, Myrna.“

„Mary-Rose hat dran gedacht,“kommentierte Jenkins trocken, lächelte aber.

Myrna packte ihren Korb:„Ich bin sofort fertig.“

„Nicht so hektisch,“bestand Ethel und führte ihre Gäste wieder ins Wohnzimmer, wo eine Öllampe brannte.„Du nimmst doch noch ein Stück vom Gebäck, Isaiah, oder?“

„Wenn Du mich so fragst,“grinste der Angesprochene und setzte sich.

Als die beiden endlich zu Hause ankamen, blickte Elvira sie nur vorwurfvoll an.

„Ethel hatte gebacken,“erklärte ihr Mann.

Nun, gut. Ethel konnte backen, soviel stand fest.

Beim Abendessen war Myrna noch schweigsamer als sonst, rutschte aber unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Ihre Eltern versuchten, das zu ignorieren, bis es Elvira zu dumm wurde:„Was ist los, mein Schatz?“

„Darf ich Euch eine Frage stellen?“kam Myrna ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit sofort mit der Sprache heraus.„Eine heikle Frage.“

Ihr Vater faßte ihre Hand:„Du darfst uns jede Frage stellen.“

„War meine Geburt schwierig?“

Ihre Eltern sahen sich lange an, bis ihre Mutter sagte:„Nicht schwieriger als andere Geburten auch. Ich denke, sie war normal.“Elvira gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben.

„Würdet Ihr Euch ein Enkelkind wünschen?“

Isaiah würgte einen Kloß hinunter. Tränen standen in seinen Augen.„Wir hätten uns für Dich gewünscht, daß Du Dein erstes Kind als glückliche Ehefrau bekommen hättest, aber das Kind kann ja nichts dafür, wie es gezeugt wurde. Du …“Er fing an, zu weinen. Myrna hatte ihren Vater noch nie weinen sehen. Er stand auf und umarmte sie, ihre Mutter auch. Angst stieg in Myrna hoch, auch wenn sie sich die Umarmung gewünscht hatte. Auch, wenn Mary-Rose sie umarmte, hatte sie immer Angst gehabt. Trotzdem wollte sie mit ihren Eltern zusammen sein. Sie wollte die Nähe.

Als ihre Eltern sie losließen, wußte Myrna für einen Moment nicht, was sie tun oder sagen sollte.

Ihre Mutter faßte ihre Hand:„Wir sind Deine Eltern. Wir sind für Dich da.“

„Und für das Kind,“ergänzte ihr Vater.

Myrna sah auf ihren Bauch.„Ich weiß nicht, ob ich Dich je lieben kann.“Tränen stiegen ihr in die Augen.„Aber Du hast ein Recht, zu leben. Wäre … Mary-Rose … auch … nur … Sekunden … später … gekommen, wäre ich jetzt … jetzt … tot.“Myrna weinte hemmungslos.„Aber wenn … Gott wollte, daß … wir beide … leben, dann sollst Du … leben.“

Ihre Eltern faßten ihre Schultern und sie fühlte sich besser.

Clayton saß im Büro des Pastors und sprach mit ihm über dies und das, und Robinson ließ ihn reden. Auch ein Bürgermeister mußte ab und zu so Einiges loswerden. Irgendwann würde er schon zum Punkt kommen.

„Da ist noch etwas, Arthur,“rückte er endlich mit der Sprache heraus.„Ich muß Sie um Verzeihung bitten.“

„Wofür?“fragte Robinson, obwohl er es sich denken konnte.

„Für meine Idee mit den Colts,“antwortete Clayton und schüttelte den Kopf.„Ich weiß nicht, was mich da geritten hat.“

„Ganz ehrlich, Robert,“nahm jetzt Robinson allen Mut zusammen,„und auch wenn es mir nicht paßt, aber es war wahrscheinlich die beste Idee, die Sie je hatten.“Dann erzählte er dem verblüfften Clayton von den nächtlichen Alpträumen, von Myrnas Ängsten und den anderen Geschichten.

„Und auch, wenn es mir absolut nicht paßt,“schloß er,„daß meine zwölfjährige Tochter mit zwei schweren Colts herumläuft, sehe ich die positiven Effekte und habe genug Arsch in der Hose, zuzugeben, daß Sie Recht hatten.“

„Eine Zwölfjährige als Sheriff,“grinste Clayton.„Gott helfe uns!“

„Muß er wohl,“grinste Robinson zurück,„oder wir wählen endlich einen Sheriff.“

„Sie Optimist!“

„Ich bin Geistlicher und glaube von Amts wegen an Wunder!“

Beide Männer lachten.

*

„Na, noch immer interessiert?“fragte der Alte.

Statt einer Antwort sah Craig auf die Uhr und packte sein Schreibzeug ein.

„Morgen um 12?“fragte er, und der Alte nickte.

Nach einem kurzen Gruß machte Craig sich auf den Weg. Wieso eigentlich, fragte er sich, kam ihm der Koffer auf einmal so leicht vor?

Der Alte schaute ihm nach, zahlte die Zeche, ging hinter den Saloon zu seinem Pferd, stieg auf und ritt fort.

Am nächsten Tag kam Craig, mit Schreibzeug und einem kleinen Kassettenrecorder bewaffnet, zum Treffen. Der Alte saß schon da, und als Craig das Mikrophon aufgestellt hatte, ging die Geschichte weiter.

*

Clearwater

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