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Gun

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Augusta Alder fuhr durch Clearwater, zum ersten Mal unter diesem Namen und mit einem solchen Wagen. Sie wollte ein paar bestellte Sachen abholen und Kraftfutter für die Pferde kaufen. Eben die Sachen, die wegen der Hochzeitsvorbereitungen liegen geblieben waren. Nachdem die Futtersäcke verstaut waren, fuhr sie zum Gemischtwarenladen. Sie parkte den Wagen vor dem Store und wollte eintreten, aber die anderen Frauen versperrten ihr den Weg.

„Entschuldigen Sie bitte,“sagte sie freundlich. Keine Reaktion.

„Würden Sie mich bitte durchlassen?“fragte Augusta jetzt deutlicher. Noch immer völlige Ignoranz. Augusta wollte sich nicht durchdrängeln. Zum Glück kam jetzt Myrna Jenkins und versuchte durchzukommen. Sie erzielte kein besseres Ergebnis als Augusta.

„Es ist grausam, daß wir keinen Sheriff haben,“begann jetzt eine der Frauen.

„Ja, sonst würden solche Personen nicht frei hier herumlaufen,“sekundierte eine Zweite.

„Es ist eine Schande!“sagte eine Dritte mit einem deutlichen Seitenblick auf Myrna und Augusta. Augusta sah, wie sich Myrnas Gesicht veränderte. Sie wollte nicht an ihrem zweiten Tag als ehrbare Ehefrau Randale machen, aber Myrna war wahrscheinlich zu zerbrechlich, um dem etwas entgegenzusetzen.

„Und wenn ihr nicht endlich den Weg freimacht, lernt Ihr mich kennen!“tönte von drinnen ein wohlbekanntes Organ.

„Und warum sollten wir ausgerechnet auf Dich hören, Ethel?“fragte die Erste.

„Sehr richtig, wo Du Dich ja sogar mit denen verbrüderst,“half die Zweite weiter.„So kriegen wir die Moral in Clearwater nie gerettet.“

„Und Du warst einmal so ehrbar,“sagte die Dritte.

„Und jetzt bin ich das etwa nicht mehr?“fragte Ethel.

„Eine anständige Christin gibt sich nicht mit solchem Gesocks ab,“beantwortete die Zweite die Frage.

„Und ihr bibelfesten Hohlköpfe wißt sicher auch, was die Pharisäer unserem Herrn Jesus vorwarfen?“Ethel zwang sich richtig zur Ruhe.

„Auf jeden Fall…,“begann eine der Frauen.

„ … waren die Pharisäer gegen Euch Engel der Barmherzigkeit,“explodierte es hinter Myrna und Augusta,„denn sie gaben zu, daß es eine Umkehr geben kann.“

„Mary-Rose, ich schaffe das schon,“meinte Ethel, aber Mary-Rose überhörte das.

„Wer gibt Euch drei Spinatwachteln eigentlich das Recht, über ehrbare Frauen zu urteilen?“donnerte sie mit ihrer immernoch sehr kindlichen Stimme. Myrna sah jetzt hin. Mary-Rose hatte nicht einmal die Hand am Colt.

„Ehrbare Frauen sind wir,“kam die prompte Replik,„und Du …“

„Ehrbare Frauen? Ist es ehrbar, Unschuldige zu verurteilen und das Tun der eigenen Ehemänner zu vertuschen?“fragte Mary-Rose.„Ihr verrichtet zum Schein lange Gebete und macht alle nieder, die Euch nicht passen.“

„Sie wird diesen Mann schon provoziert haben,“meinte Eine der Drei und zeigte auf Myrna.

Mary-Rose entschied, daß es an der Zeit für ein paar Bibelverse war. Ihr Ton wurde beißend scharf:„Also, von Frau zu Frau …“

„Von Kind zu Frau, meintest Du wohl.“Die Sprecherin lächelte mild.

Mary-Rose lächelte kalt:„‚Von Frau‘ hatte ich gesagt. Heute Nacht geworden.“

Augusta drehte sich weg. Niemand sollte ihr Lächeln sehen. Die drei Frauen waren schockiert.

„Aus Euch spricht doch nur der pure Neid.“Ethel fragte sich, was jetzt wohl käme.

„Neid?!“

„Weil sich für Euch niemand mehr interessiert.“Mary-Rose beachtete die erschrockenen Gesichter nicht.„Nicht 'mal Eure Ehemänner, denn die sind ja die besten Kunden bei Augustas ehemaligen Kolleginnen. ‚Sohn und Vater gehen zur gleichen Hure und entweihen meinen heiligen Namen!‘“Mary-Rose kniff ihre Augen zusammen.„Ach, ich vergaß: Ihr habt ja gar keine Kinder. Na, so ein Glück aber auch.“ Auf der Hauptstraße hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Auch Mary-Roses Vater stand jetzt mit da, unfähig ein Glied zu rühren und an die Zeit der alten Propheten erinnert.

„Eure Ehemänner sind die größten Förderer der hiesigen Hurerei, weil ihr ihnen nicht, die eheliche Pflicht leistet, wie Paulus es befiehlt,“legte Mary-Rose nach, und lächelte jetzt selbst milde:„Aber es hat ja auch sein Gutes, daß Ihr die Beine nicht auseinanderkriegt. Sonst hätten nämlich zwei von Euch einen Tripper.“

Myrna sah Augusta an. Die nickte nur.

„Augusta weiß, was ein guter Ehemann wert ist. Sie hat ihre Erfahrungen gemacht. Und Myrna wird ihrem Kind, daß ihr aufgezwungen wurde, eine gute Mutter sein, was Ihr niemals fertigbrächtet.“

„Was weißt Du schon davon.“Der Ton war mehr als wegwerfend.

„Ich weiß, was eine Mutter ist. Ich kenne meine,“antwortete Mary-Rose gefährlich leise,„und ich habe Ohren, die mir sagen: Daß ich keine Geschwister habe, liegt gewiß nicht daran, daß meine Mutter ihren Mann so behandelt, wie Ihr Eure.“

Isaiah Jenkins blickte den Pastor an. Der nickte nur leicht, offensichtlich unfähig oder nicht willens, seine Tochter zu stoppen.

„Aber Ihr buhlt ja auch,“lächelte Mary-Rose,„um Macht und Ansehen, um Status und das Recht, andere richten zu dürfen, nicht Tante Hermine.“

Das Gesicht von Hermine Granger-Ford, der Wortführerin der drei, wurde rot vor Wut.

„Ein Glück, daß Du hier nicht Richterin bist.“Der Sarkasmus in Mary-Roses Stimme war nicht mehr zu überbieten.

„Ach! Da wir gerade vom Gesetz sprechen.“Der Pastor fragte sich, was jetzt wohl kommen würde. Anscheinend war seine Tochter auch ohne ihre Colts ziemlich treffsicher.„Myrna hat um Hilfe geschrien, wie es das mosaische Gesetz verlangt. Jedes Eurer Häuser lag näher am Tatort als der Saloon, in dem ich saß. Und jede von Euch hatte ein Gewehr zuhause und hört lange nicht so schlecht wie Tante Ethel.“

Das saß! Jede der Drei wurde unter dieser Anklage und ihrer Schminke kreidebleich.

„Deshalb bin ich jetzt der amtierende Sheriff von Clearwater, und als solcher erfülle ich Euch sogar Euren Wunsch.“Die drei machten überraschte Gesichter.„Aber nicht ganz so, wie ihr meint. Ich sorge hier nämlich erstmal für geregelten Geschäftsverkehr. Ihr geht jetzt nach Hause und kümmert Euch um Eure Ehemänner!“

„Du bist hier nicht der Sheriff,“stellte Hermine Granger-Ford fest, aber ihre Stimme klang alles andere als fest und sicher.

„Ach, nein?“fragte Mary-Rose gefährlich ruhig.

„Definitiv nicht.“

So schnell, daß ihr kein Auge folgen konnte, zog Mary-Rose einen Colt und schoß hart vor den dreien in den Boden.

„Fort,“fauchte sie,„sofort, oder ich ziele höher.“

Sofort eilten die drei Sittenwächterinnen davon. Mary-Rose steckte die Waffe weg und senkte den Kopf.

„Und ich gehe jetzt nach Hause und hole mir von meiner Mutter eine Tracht Prügel ab.“

„Warum von Deiner Mutter?“fragte Myrna verständnislos.

„Die schlägt härter zu, als Dad es jemals könnte.“

Niedergeschlagen ging Mary-Rose weg.

„Mary-Rose,“rief ihr Vater jetzt,„komm bitte her.“

Mary-Rose war so folgsam, wie schon seit Wochen nicht mehr.

„Ich komme gleich noch bei Dir vorbei, Ethel,“sagte der Pastor im Vorbeigehen und nahm Mary-Rose mit in eine stille Ecke von Barneys Saloon, wo jeder sie in Ruhe lassen würde. Robinson zog den Vorhang zu. Normalerweise vergnügten sich hier die Mädchen mit ihrer Kundschaft, schoß es dem Pastor durch den Kopf, aber es war eben die einzige Möglichkeit. Er nahm seine Tochter auf den Schoß. Ungewöhnlich für eine Stadt im Westen, daß der Pastor den Sheriff auf den Schoß nahm. Aber so würde wenigstens die Autorität, die Mary-Rose sich in den letzten Monaten aufgebaut hatte, gewahrt werden, und die Bedürfnisse von Clearwater gingen denen von Arthur und Marge Robinson definitiv vor.

„Waren wir wirklich so laut, Mary-Rose?“Eigentlich hatte er vorgehabt, erzieherisch auf seine Tochter einzuwirken, aber die Frage hatte sich ihren Weg nach vorne gebahnt.

„Eigentlich nicht, Dad,“antwortete Mary-Rose überrascht,„aber ich schlafe in der letzten Zeit nicht mehr tief und hab‘ sehr gute Ohren.“Sie sah ihrem Vater ins Gesicht.„Ihr habt Euch wirklich bemüht, leise zu sein, aber es ist nur eine Bretterwand dazwischen.“Sie blickte wieder zu Boden.„Verzeih mir. Ich wollte das nicht sagen, aber die Selbstgerechtigkeit dieser Schnepfen ging mir einfach zu weit.“Sie war lauter geworden.„Selbst stinken sie als Ehefrauen ab, und ziehen über die her, die wenigstens versuchen, alles richtig zu machen.“

„Mary-Rose, ich mache mir Sorgen um Deine Ausdrucksweise,“kritisierte ihr Vater.„Du hast allmählich einen Ton am Leib, der weder zu Deinem Alter noch zu Deiner Erziehung paßt.“

„Ich weiß, Dad, aber manchmal koche ich einfach über.“

„Und manchmal verläßt Du Dich zu sehr auf Deine Waffen.“Diese Worte taten ihm selbst weh, aber sie waren nötig.

„Vielleicht,“wich seine Tochter aus.

„Innere Stärke kommt nicht durch die Waffe,“belehrte er sie,„sondern die innere Stärke ist nötig, um die Waffe zu beherrschen.“

„Hab‘ anscheinend zu wenig davon,“meinte Mary-Rose jetzt mit echtem Bedauern.

„Wenn das der Fall wäre, hätte ich Dir die Colts längst weggenommen.“

„Wirklich?“Mary-Rose war sehr überrascht.

„Wir sind hier, um Deine Autorität nicht zu zerstören,“belehrte sie ihr Vater,„aber ich möchte, daß Du zu einer gebildeten jungen Dame wirst.“Er hob den Zeigefinger.„Vielleicht zu einer gebildeten jungen Dame mit zwei Colts, aber zu einer gebildeten jungen Dame.

„Und was kommt jetzt?“fragte Mary-Rose vorsichtig.

„Du wirst,“ordnete ihr Vater jetzt an,„von jetzt an Miss Blake und mich zum literarischen Zirkel begleiten, und zwar auch dann, wenn ich einmal nicht kann.“

„Ich alleine mit Miss Blake?“fragte seine Tochter überrascht.„Warum?“

„Du weißt, wie Miss Blake schießt,“antwortete der Reverend trocken.

„Leider,“strahlte Mary-Rose,„schießt sie noch schlechter als Du, und das will was heißen.“

„Duhu,“neckte er sie, und sie fing sofort an zu lachen. Sie war sehr kitzlig.

Robinson zog den Vorhang etwas beiseite.

„Zwei Doppelte, Barney,“rief er, und als Barney die beiden Gläser brachte, prostete er seiner Tochter zu. Sie leerten beide ihre Gläser auf ex.

„Brr,“machte Mary-Rose.„Wieso das jetzt?“

„Weil ich entschieden habe, daß Du das Trinken besser von mir lernst, als von irgendjemand anderem.“

„Darf ich Dich und Mum um etwas Heikles bitten, Dad?“

„Jederzeit.“

„Bitte hört jetzt nicht auf,“flehte Mary-Rose.„Ich stopfe mir auch Watte in die Ohren. Aber ich hätte so gerne noch ein Brüderchen.“

„Wieso ein Brüderchen?“fragte ihr Vater völlig perplex.

„Weil ich dem Schießen und Reiten beibringen kann. Außerdem möchte ich glückliche Eltern.“

„Wir finden für alles eine Lösung,“versicherte ihr Vater, nahm sie noch einmal in den Arm und stand auf,„und ich kümmere mich jetzt zusammen mit Tante Ethel um diese drei sauberen Damen. Mit etwas mehr Schrift und theologisch fester untermauert.“Er lächelte seine Tochter an.„Obwohl, es war schon ein sehr feines Paket, was Du da geschnürt hast. Man könnte fast meinen, Du wärst die Tochter eines Pastors.“

Mary-Rose stand auch auf. Sie lächelte wieder, wenn auch noch nicht voll.

„Und mit Deiner Mutter rede ich auch.“

„Danke, Dad.“Mary-Rose umarmte ihren Vater.„Ich bleibe erstmal bei Myrna.“

„Gute Idee.“

Danach verließen sie den Saloon. Mary-Rose trat breitbeinig auf die Straße, die Hände an den Colts, das Gesicht ausdruckslos. Ihr Vater gab sich große Mühe, nicht zu lächeln. Offensichtlich sollte keiner glauben, sie hätte eine Abreibung bekommen.

Der Erste, den Mary-Rose draußen traf, war Ron Alder.

„Danke, daß Du meine Schwägerin beschützt hast,“sagte er.

„Na, ja,“meinte Mary-Rose verlegen, wollte offensichtlich etwas sagen. Ihr Vater empfahl sich sofort.

„Onkel Ron?“

„Ja.“

Mary-Rose suchte nach Worten, um sich nicht wieder im Ton zu vergreifen. Ach, was sollte das? Sie sprach mit einem Alder.

„Wann hast Du endlich genug Arsch in der Hose, um Miss Blake einen Antrag zu machen?“Ihr Ton stand wieder in seltsamem Kontrast zu ihrem Alter.„Die ganze Stadt sieht, wie Du ihr hinterherstierst.“

„Du hast wohl heute Deinen Tag der unangenehmen Wahrheiten?“fragte der völlig verblüffte Ron Alder zurück.

„Ich dachte immer, Miss Blake wäre eine angenehme Gesellschaft,“antwortete Mary-Rose schnippisch.

Ron Alder lächelte. Wenn ihm das schon eine Dreizehnjährige sagte.

„Du hast Recht, Mary-Rose,“gab er zu.„Ich gehe jetzt zu ihr.“

Mary-Rose lächelte und ging breitbeinig weiter. Ron Alder nahm sich vor, mit seinen Brüdern zu reden.

„Wo ist Mary-Rose?“Marge Robinson betrat das Haus der Jenkins mit dieser Frage und ohne Gruß. Elvira, der Myrna die Vorkommnisse des Nachmittags erzählt hatte, wunderte sich nicht. Sie führte Marge ins Wohnzimmer.

Mary-Rose war längst darauf vorbereitet. Sie kniete vor dem Tisch, den Kopf gesenkt. Ihre Colts lagen auf dem Tisch, hinter dem ein Sessel für ihre Mutter stand. Marge erfaßte die Situation sofort. Sie setzte sich auf den Sessel und sagte eine Weile Nichts. Mary-Rose saß weiter da mit gesenktem Kopf, wagte es nicht, ihre Mutter anzuschauen.

„Ich höre,“sagte Marge streng.

„Mein Mundwerk ist mit mir durchgegangen,“antwortete Mary-Rose,„und es tut mir leid.“

Marge betrachtete lange die beiden Revolver vor sich auf dem Tisch, Mitursache und gleichzeitig Mitlösung der Probleme. Dann faßte sie ihren Entschluß.

„Mary-Rose,“sagte sie,„schau mich an.“

Mary-Rose hob den Kopf und blickte ihre Mutter direkt an. Die deutete auf den Tisch. Jetzt begriff Mary-Rose. Beide Colts lagen mit den Griffen ihr zugewandt. Und ihre Mutter lächelte jetzt.

„Jedenfalls jetzt weiß jeder in Clearwater, daß ich meinen Ehemann anders behandele als Hermine Granger-Ford ihren,“lachte Marge,„denn ich höre auf ihn.“

Elvira und Myrna mußten sich das Lachen verbeißen, während Mary-Rose ihrer Mutter in die Arme flog und dort sehr lange blieb.

„Ich vergebe Dir,“keuchte Marge unter dem Ansturm ihrer Tochter.

Als Mary-Rose ihre Mutter wieder loslies, lächelte die sehr geheimnisvoll:„Eigentlich wollten Dein Vater und ich Dir noch nichts sagen, aber während Du heute Nacht zum ersten Mal geblutet hast, wie jetzt ganz Clearwater weiß, ist meine Blutung schon seit drei Wochen überfällig.“

Mary-Rose hielt sich die Hand vor den Mund, strahlte über das ganze Gesicht:„Ein Brüderchen?“

„Hoffentlich,“lächelte Marge.„Zwei von Deiner Sorte wären schwer zu ertragen.“ Sie hob den Zeigefinger.„Vielleicht ist es auch nur der Anfang von Ende der Regel. Ich bin schon vierzig.“

Mary-Rose schnappte sich ihre Colts vom Tisch, rannte vor die Tür und schoß mehrere Male in die Luft. Die Geräusche, die sie dabei machte, ließen einen Freudensalut vermuten. Aufregung der Nachbarn war nicht zu erwarten. Jeder kannte die Waffen von Mary-Rose, und irgendeinen guten Grund würde sie schon haben.

Jeder sah den Fremden, als er durch Clearwater ritt. Sein ironischer Blick auf die Beschaulichkeit des kleinen Städtchens fiel nicht nur Langes Ohr auf, der einige Kinder mit der Bemerkung „Meine Schwester nimmt die Kinder besser von der Straße.“ zu ihrer Mutter ins Haus schickte.

Der Fremde war lang und hager, saß mit einem krummen Buckel auf seinem Pferd, und seine Augen schauten umher, ohne daß er den Kopf bewegte. Er trug einen langen Ledermantel und einen Hut, dessen Krempe etwas herabhing, so daß seine Augen schwer zu erkennen waren.

„Sieht nach Ärger aus,“meinte Joe Adams leise. Langes Ohr nickte nur und zog seine Uhr, sein Zugeständnis an die weiße Zeitmanie.

„Zum Glück ist gleich Schulschluß.“

Hatte Joe seine Gedanken erraten? War es wirklich schon so weit, daß auch er, ein Krieger der Shoshonen, sich auf ein dreizehnjähriges Mädchen – Squaw korrigierte er sich, weil Mary-Rose darauf Wert legte – verließ? Hinter ihm klapperte es kurz. Joe legte seinen Revolvergurt an, den er sonst im Laden nicht trug. Auch Langes Ohr hatte seine Waffen im Gürtel stecken. Ohne Worte entschieden sich die beiden für einen Spaziergang durch die Stadt, zwei Fremdlinge unter den Bleichgesichtern. Mal sehen, was dieses Bleichgesicht so vorhatte.

Während sie so nebeneinander hergingen, zupfte Joe immer an seinem Gurt herum.

„Was hat mein Bruder?“fragte Langes Ohr.„Sitzt der Gurt nicht richtig?“

„Nein,“antwortete Joe,„der Gurt sitzt perfekt, aber es ist noch garnicht so lange her, da hätte ich schon für einen begehrlichen Blick auf einen Revolver die Peitsche bekommen.“

Langes Ohr verstand ihn:„Du hältst Dich gut als freier Mann.“

„Ich muß noch üben,“grinste sein Begleiter, und der Indianer hätte beinahe laut aufgelacht.

Der Fremde war unterdessen kurz in Tamblyns Laden gewesen, hatte wahrscheinlich Munition gekauft, und hielt jetzt auf den Saloon zu, den er auch betrat. Seine beiden Verfolger entschieden, daß es Zeit zum Mittagessen war.

Im Saloon setzte der Fremde sich alleine an einen Tisch, bestellte ein Bier und beobachtete das Treiben.

Dienstags mittags war allerdings nichts los. Nur drei Mädchen langweilten sich, an einem Tisch wurde gepokert. Der Fremde fragte nach der Speisekarte. Eines der Mädchen präsentierte Brust und Po, wurde aber abgewiesen.

Irgendwann kam Mary-Rose herein, setzte sich an einen der Tische, nahm die Schulsachen aus ihrem Rucksack und fing ihre Hausaufgaben an. Dann brachte ihr eines der Mädchen das Essen, Barneys Beitrag zur Sicherheit der Stadt. Der Fremde, der all das beobachtet hatte, schob jetzt den Hut etwas aus dem Gesicht. Sein Erstaunen war ihm anzusehen. Auch der dampfende Kaffee, der der jungen Frau jetzt serviert wurde, gab ihm offensichtlich zu denken. Bald allerdings wanderte der Hut wieder ins Gesicht, als Mike Alder den Saloon betrat. Das sah nach Ärger aus. Ein kurzer Seitenblick belehrte Langes Ohr, daß Mary-Rose die Veränderung ebenfalls bemerkt hatte. Mike Alder setzte sich mit ein paar Freunden an den Tisch zum Pokern. Sie spielten die erste Runde, dann die zweite. Zu Beginn der dritten Runde stand der Fremde auf und ging zum Pokertisch.

„Immernoch Poker, Mike?“fragte er, und der Angesprochene blickte auf.

„Du solltest damit aufhören, Onkel Mike,“tönte es hinter dem Fremden.„Immerhin muß ich fast jedes Mal eingreifen.“

Der Fremde drehte sich um und bemerkte, daß Mary-Rose hinter ihm stand. Sie hatte ihren Mantel etwas zurückgeschlagen und die rechte Hand am Colt. Die linke hielt immernoch die unvermeidliche Kaffeetasse. Mary-Rose haßte kalten Kaffee. Langes Ohr entschied, daß hier niemand Mary-Rose helfen mußte, und Joe schloß sich der Erfahrung seines roten Bruders an.

„Keine Sorge, Sheriff,“grinste Mike Alder,„den kenne ich.“Er stand auf und die Männer umarmten sich.

„Schön, Dich 'mal wiederzusehen, Gun,“lachte Mike.„Spielst Du 'ne Runde mit?“

„Wenn Du Lust hast, Geld zu verlieren,“lächelte der Fremde und setzte sich.

Mary-Rose ging zurück zu ihrem Tisch, fing aber im Vorbeigehen das leichte Nicken von Langes Ohr auf.

Mary-Rose ließ sich Zeit mit ihren Hausaufgaben und mit dem Essen. Irgendwann entschuldigte sich der Fremde bei seinen Mitspielern für einen Augenblick, kam zu ihrem Tisch und fragte, ob er sich setzen durfte.

„Bitte,“antwortete Mary-Rose nur.

„Sheriff?“Nur dieses Wort, aber als Frage sprach es Bände.

„Scherz von Onkel Mike,“lächelte Mary-Rose,„aber ich bin komme dem in dieser Stadt tatsächlich am Nächsten.“Sie streckte die Hand aus.„Mary-Rose Robinson.“

„Gungadin Mayweather,“antwortete der Fremde.„Daher nennt Freund und Feind mich nur Gun.“

„Paßt der Name zu ihren Schießkünsten?“wollte Mary-Rose jetzt wissen.

„So ziemlich,“antwortete Gun.„Manchmal muß man eben zeigen, daß man mit der Waffe auch umgehen kann.“

„Bitte nicht hier,“sagte Mary-Rose ganz deutlich.

„Sowieso nicht auf meine Initiative,“beruhigte sie Gun.

Von draußen drang jetzt Lärm herein. Irgendeine Streiterei, die offensichtlich eskalierte.

„Was ist denn da draußen los?“knurrte Mary-Rose und ging zur Tür. Gun und die anderen folgten ihr.

Draußen stand eine Frau vor einem Wagen. Ihr Kleid war schmutzig und sie keifte die Fahrerin an:„Kannst Du blödes Weib nicht hinsehen, wo Du fährst?“

„Kannst Du nicht gucken, bevor Du über die Straße gehst?“kam die prompte Antwort.

Einige Umstehende hatten sich schon eingemischt. Mary-Rose versuchte, sich Gehör zu verschaffen, aber ihre Stimme drang nicht durch. Sie seufzte, aber es half nichts. Der Schuß in die Luft brachte alle zum Verstummen, und die Stille hielt an.

„Was ist hier los?“fragte Mary-Rose.

„Dieses … dieses … Straßenflittchen hat mich angefahren,“keifte Hermine Granger-Ford sofort los.

„Wer beleidigt hier meine Schwägerin?“fragte Mike Alder. Gun machte sich eine Gedankennotiz, später danach zu fragen.

„Onkel Mike,“war Mary-Rose wieder zu vernehmen,„das ist mein Job.“

„Sie hat sich genau vor meinen Wagen geworfen,“klagte jetzt Augusta Alder.

Mary-Rose schoß noch einmal.

„Ruhe!“brüllte sie so laut, wie sie konnte.„Alle beide.“

Beide verstummten sofort.

„Hat irgendjemand was gesehen?“

„Ja, ich,“meldete sich eine Stimme, die Mary-Rose nicht sofort zuordnen konnte. Die Frau war um die Dreißig. Mary-Rose wußte, daß sie zwei Kinder hatte und Witwe war. Der Name wollte ihr aber nicht einfallen.

„Brenda Baiter,“half die Zeugin Mary-Rose aus ihrer Verlegenheit.„Es war so, wie Mrs. Alder sagt. Mrs. Granger-Ford hat sich umgesehen, ist vor den Wagen gelaufen und hat sich fallen lassen.“

„Mrs. Alder!“kommentierte das vermeintliche Opfer mit einer wegwerfenden Handbewegung.„Pah!“

„Tante Hermine!“Nur diese beiden Worte, nicht einmal sehr laut gesprochen, aber Totenstille legte sich über den Platz.

„Reife Leistung,“kommentierte Mary-Rose die Situation sarkastisch,„vor allem, wenn man bedenkt, daß Du Schauspielerei für eine Todsünde hälst.“

Die so Gescholtene versuchte krampfhaft, Haltung zu bewahren.

„Und jetzt gibst Du schon wieder eine gekonnte Vorstellung,“fuhr Mary-Rose fort.„Du hast den Beruf verfehlt.“Mary-Roses Stimme wurde eiskalt:„Weil Du nämlich als Ehefrau im Vergleich zu Mrs. Augusta Alder absolut abstinkst.“

„Du … Du … Bastard!“Mehr fiel der selbsternannten Sittenwächterin nicht ein. Marge Robinson, die dabeistand, hätte ihr dafür am liebsten die Augen ausgekratzt, wußte aber, daß ihre Tochter noch viel grausamer sein würde.

„Eigentlich,“fuhr die jetzt im selben Ton fort,„sollte ich Dich ins Gefängnis stecken, weil Du eine ehrbare Bürgerin verleumdet hast und womöglich noch Schlimmeres wolltest. Du bist eine fiese alte Hexe, und ich verachte Dich. Außerdem ist Hexerei, und da sind wir uns wohl einig, eine Todsünde.“Mary-Rose ließ triefendes Mitleid in ihre Stimme einfließen.„Aber, wenn ich Dich jetzt einsperre, kostest Du die Stadt Geld, das für Besseres verwendet werden kann. Auch die Zeit des Richters ist zu kostbar für Dich, und unser schönes Gefängnis sollst Du erst recht nicht besudeln.“Mary-Rose wurde stahlhart:„Deshalb verbanne ich Dich jetzt im Auftrag aller Bürger aus der Stadt. Du hast zwei Stunden Zeit zum Packen. Dein Mann kann bleiben.“

Hermine Granger-Ford stand da, wie vom Donner gerührt.

„Sie sollten die Anweisung des Sheriffs sofort befolgen,“sagte Gun, wobei er sich das „Ma’am“ verkniff.

„Und wer sind Sie?“

„Gungadin Mayweather, der neue Deputy.“

Mary-Rose verzog keine Miene.

„Huren, Frauen mit Bastarden im Bauch und Leute, die man besser wieder an die Kette legte,“keifte die Verbannte.

„Das Bleichgesicht möge sich jetzt entfernen!“Es war Joe, der diese Worte sagte und von einem „Howgh“ seines roten Begleiters unterstützt wurde.

„Und Sie sollten es schnell tun,“sekundierte Gun,„denn ich überlege gerade, ob ich nicht im Interesse ihres Gatten schießen sollte.“

Die so Verbannte trollte sich schließlich.

Mary-Rose blickte ihr hinterher, erblickte dann ihren Vater.

„Dad?“

„Ja?“

„Geh ihr bitte nach, damit sie den armen Mann nicht ganz auszieht.“

Der Pastor nickte nur und wollte sich gerade umwenden.

„Ach, und Dad?“

„Nochwas?“

„Frag‘ ihn bitte, wie oft sie ihm die eheliche Pflicht geleistet hat.“

Wieder Totenstille. Jeder wartete die Antwort des Pastors ab. Der machte zuerst ein ärgerliches Gesicht, lächelte dann aber:„Sehr schlau. Man könnte fast meinen, Du wärst mit einem Geistlichen verwandt.“

Das Gelächter der versammelten Menge, von denen immer mehr begriffen, schallte ihm hinterher.

„Ist nicht der Strafausspruch eigentlich meine Sache?“Großes Feuer war unbemerkt dazugetreten. Sein Ton war freundlich, wenn auch leicht tadelnd.

„Ich habe nur einen Beschluß der versammelten Bürgerschaft verkündet,“wehrte sich Mary-Rose.„Oder bemerkt ihr hier irgendeinen Widerspruch, Euer Ehren?“

„Nein,“antwortete der Richter,„aber, ad-hoc-Quoren sind in solchen Sachen eher ungewöhnlich.“

„Ich denke, die Bürger haben sich mit dieser Frage genauso lange herumgequält, wie mit der Frage nach einem Sheriff,“unterstützte jetzt Mike Alder Mary-Rose.

„Nun gut,“gab der Richter auf. Das war hier der Westen. Die Gerechtigkeit siegte hier so oder so. Daran mußte sich auch ein Harvard-Absolvent gewöhnen. Dem Frieden in der Stadt diente es allemal.

„Danke, Onkel Mike,“sagte Mary-Rose nur und wandte sich an Gun:„Neuer Deputy, hä?“

„Der Sheriff drückt ja noch die Schulbank,“grinste Gun.

„Stellt da 'mal ein paar Dosen hin,“befahl Mary-Rose, und irgendjemand stellte ein paar leere Dosen auf die Straße. Mary-Rose schoß sie mit einer unheimlichen Geschwindigkeit weg.

„Nachmachen,“ordnete sie an.

Gun zog seinen Revolver, wartete, bis die Dosen wieder aufgestellt waren, und schoß sie weg. Mary-Rose betrachtete Guns Revolver sehr genau.

„Ein Whitneyville-Walker?“fragte sie jetzt.

„Genau,“antwortete Gun,„und Deine sind Army-Colts.“

„Ich kann mit kleinen Waffen nicht schießen,“bestätigte Mary-Rose.„Darf ich 'mal?“

„Bitte.“Gun reichte ihr seinen Colt.

Mary-Rose nahm ihn und schoß auf die Dose.

„Schöne Waffe,“sagte sie, gab den Colt zurück und rieb sich das Handgelenk,„aber Mr. Tamblyn hatte Recht. Der wäre zu schwer für mich.“

„Die sind ja schon ganz schön groß,“meinte Gun und zeigte auf ihre Colts.

„Sie passen mir,“grinste Mary-Rose,„meint sogar meine Mum.“

Sie drehte sich um und ging zurück zum Saloon.

„Wenn Sie den Job wollen,“meinte sie dabei,„habe ich Ihnen eben das größte Hindernis aus dem Weg geschafft.“

„Gun als Sheriff?“Mike Alder schüttelte den Kopf, wandte sich an seine Schwägerin:„Kann heute spät werden. Gun schläft bei uns.“

„Gut,“antwortete Augusta und fuhr los.

Im Saloon wartete schon eine neue Tasse dampfend heißer Kaffee auf Mary-Rose. Sie beendete ihre Hausaufgaben und „ging Sheriff spielen“, wie sie sich ausdrückte. Schallendes Gelächter begleitete diesen Witz des „Sheriffs“.

Ihr Vater kam am Haus der Granger-Fords an. Der laute Streit im Haus war deutlich zu hören.

„So weit hast Du’s also gebracht!“donnerte Julius Granger-Ford. Robinson hörte ihn zum ersten Mal in dieser Lautstärke sprechen.„Und wegen Deiner Gier nach Macht und Ansehen soll ich jetzt mein Haus und alles verlassen, was ich mir mühsam aufgebaut habe … ohne Deine Unterstützung.“

Der Pastor entschied, sich den Streit von außen anzuhören.

„Iiich,“keifte seine Frau,„und Dich nicht unterstützt.“

„Ruhe gehalten hast Du, wenn genug Geld da war, damit Du auf andere herabschauen konntest.“Julius steigerte sich noch.„Und wenn ich 'mal krank oder ermattet war, hast Du nur die Nase gerümpft und nach außen die sorgende Ehefrau gespielt. Du kannst Dir Dein Geld demnächst meinetwegen am Theater verdienen. Ich komme nicht mit.“

„Julius,“rief Hermine erschrocken,„versündige Dich nicht.“

„Wer versündigt sich hier?“lachte ihr Mann bitter.„Du hast mir in 24 Ehejahren nicht einmal die eheliche Pflicht geleistet.“Das beantwortete diese Frage. Sein Lachen mußte Julius schütteln.„Wenn man den Maßstab von Matthäus anlegt, bin ich eher mit Jacqueline aus Barneys Saloon verheiratet als mit Dir.“

Dieses Stück Theologie fand der Pastor zwar etwas gewagt, mußte aber innerlich nicken.

„Julius!“Hermines Schrei war beides, voller Angst und voller Zorn.

Robinson entschied, daß es jetzt besser war, hineinzugehen.

„Ich verstoße Dich!“schrie Julius.„Nimm Deine Kleider und das braune Pferd und verlaß mein Haus. Möge Gott Dir gnädiger sein als Du mit Deinen Opfern.“

„Julius hat ganz Recht,“mischte sich der Pastor ein.

„Wieviel haben Sie gehört, Reverend?“fragte die Frau erschrocken.

„Genug, um Julius Worten hiermit Nachdruck zu verleihen,“antwortete der Gefragte und zeigte seine Waffe.„Ich schieße vielleicht schlechter als meine Tochter, aber dafür reicht es mit Sicherheit.“

Hermine Granger-Ford ging ohne ein weiteres Wort zum Schlafzimmer. Die Tür stand offen, so daß zumindest der Pastor sehen konnte, was sie einpackte.

„Sie packt ihren Schmuck ein,“sagte er.

„Soll sie doch,“kam die Antwort,„ihren Hurenlohn mitnehmen.“Julius schnitt eine Grimasse.„Oh, ich habe teuer bezahlt für das Nichts, das sie mir gab.“Es schüttelte ihn.„Selbst wenn das Thermometer 100 Fahrenheit oder mehr zeigte, herrschte hier der Frost.“

„Das braune Pferd?“Nur diese Frage aus dem Schlafzimmer.

„Ja, und nimm den neuen Sattel.“Er lächelte den Pastor an, der glaubte, einen grinsenden Totenschädel anzublicken.„Der alte ist nämlich viel bequemer.“

Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie das Pferd gesattelt und das Gepäck aufgeschnallt hatte. Auch das Aufsteigen war mit dem langen Rock schwierig. Als sie endlich nicht mehr zu sehen war, faltete Julius seine Hände und betete:„Danke, Herr, daß Du mich erlöst hast.“

Dann ging er zum Waffenschrank, holte sein Gewehr heraus und hielt es dem Pastor hin:„Für Mary-Rose. Sie braucht es.“

„Aber, Julius!“stieß der erschrocken hervor.„Dein Henry-Repetiergewehr.“

„Ich habe es so gut wie nie benutzt,“erklärte der,„nicht 'mal zur Jagd. Ich war immer ein Mann des Friedens, habe nur nachgegeben und meinen Weg drumherum gesucht.“Er sackte in sich zusammen.„Ich glaube, man nennt soetwas einen Feigling.“

„Ich weiß es nicht,“log der Pastor,„aber ich weiß, daß Du jetzt neu anfangen kannst.“

„Ja, die Knechtschaft ist vorbei, so wie bei Joe Adams. Vielleicht sollte ich ihm das Gewehr geben, als Zeichen des freien Mannes.“

„Er hat sich schon einen Colt gekauft,“informierte der Pastor,„und heute auch wie ein freier Mann gehandelt.“

„So?“

„Er hat zu Hermine gesagt:‚Das Bleichgesicht möge sich jetzt entfernen.‘ Und Langes Ohr hat nur mit „Howgh!“ bestätigt.“

Der Lachanfall warf den 53-jährigen in seinen Sessel, so daß er am Ende wie ein kaputtes Spielzeug über der Lehne hing.

„Aber,“keuchte er,„erklär mir eins.“

„Gerne,“antwortete Robinson.

„Wie kommt es, daß die beiden so häufig zusammenhängen?“

„Nun, soweit ich weiß, war Langes Ohr der Erste, der Adams in Clearwater begegnet ist. Und Du kennst ja Langes Ohr.“

„Ist wahrscheinlich abgestiegen und hat das Kalumet mit Adams geraucht.“

„Genau so. Er gäbe auch einen guten Häuptling ab.“

„Will er aber nicht. Er sagt, das brächte zuviel Unfrieden.“Julius lächelte.„Ihm, meine ich,“setzte er hinzu.

„Ein weiser Mann,“kommentierte der Pastor.

„Nimm die Waffe bitte trotzdem mit,“bat der Hausherr.„Ich weiß heute Abend nicht, was ich sonst noch damit anstellen könnte.“

Arthur wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um und fragte:„Kann ich sonst noch etwas für Dich tun?“

Julius grinste wieder wie ein Totenschädel:„Ich kann Dich ja schlecht bitten, Jacqueline für einen Hausbesuch zu bestellen.“

„Vielleicht gar nicht 'mal eine so schlechte Idee.“

„Pastor!“Der Schrecken war echt.

„So oft, wie ihr beide ein Fleisch wart, solltet ihr miteinander reden,“erklärte Arthur.„Du warst, korrigiere mich bitte, meines Wissens nur bei ihr.“

Julius atmete tief durch.

„Ja,“bestätigte er, um dann freudlos zu lachen.„Mein ganzes Leben ist immer nur ein Geschäft gewesen, und die einzigen, die mit mir ein schlechtes Geschäft gemacht haben, ist die Munitionsabteilung der Winchester-Company gewesen.“

Der Pastor nickte ihm nur aufmunternd zu.

„Liegt wahrscheinlich an meinen Eltern,“brachen jetzt die Dämme.„Wie die es geschafft haben, mich zu zeugen, kann ich mir bis heute nicht erklären.“

„Ähnelt Hermine Deiner Mutter?“

Julius nickte:„Der gleiche Typ. Sie hatte alle im Griff, und mein Vater floh auf Geschäftsreisen.“

„Und Du hast Dich von Morgens bis Abends in Deinem Kontor vergraben.“

„Auch eine Art der Flucht,“stimmte Julius zu.

„Du hast also keine Geschwister?“

„Weiß ich doch nicht.“Wieder der Totenschädel.„Ich war auf den Reisen meines Vaters nie dabei.“

Der Pastor nickte nur.

„Und als ich das mit den Frauen nicht auf die Reihe bekam, hat meine Mutter Hermine für mich ausgesucht.“

‚Daher diese Katastrophe,‘dachte Robinson, sagte es aber nicht laut.

„Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll,“fuhr Julius fort.

„Komm mit in den Saloon,“riet ihm der Pastor.„Mike hat bestimmt einen Platz am Pokertisch für Dich frei.“

„Glücksspiel und Hurerei.“Nochmal der Totenschädel.„Du bist schon ein seltsamer Heiliger.“

„Muß ich Dich belehren, der Du die Bibel fast auswendig kennst?“

„Nein.“Diesmal lachte Julius Granger-Ford wirklich und stand auf.„Dann los.“

Zusammen verließen sie das Haus.

Gun war nicht schlecht überrascht, als Mary-Rose um neun Uhr abends noch einmal den Saloon betrat. Sie ging zielstrebig zum Tresen und bestellte:„Einen Doppelten, George.“

„Wozu?“Sicher eine seltsame Frage für einen Barmann, aber angesichts des Alters des Gastes …

„Muß mich meiner Mutter stellen, die heute mein loses Mundwerk aus erster Hand mitbekommen hat.“

„Und?“

„Hab‘ Schiß,“gab Mary-Rose zu.

„Reichen die Colts nicht?“

„Definitiv nicht!“

George lächelte und servierte Mary-Rose ein sehr kleines Glas.

„Mehr gibt’s nicht,“meinte er,„sonst werden Deine Probleme noch größer.“

Mary-Rose grinste, kippte den Whisky hinunter und wandte sich dann zum Pokertisch.

„Ihre Wache, Gun,“rief sie so laut, daß alle es hörten.

„Wieso meine Wache?“fragte Gun verständnislos.

Mary-Rose setzte ihr Honigkuchenpferdgrinsen auf:„Wer sich selbst zum Deputy ernennt, muß auch die Konsequenzen tragen.“

„Sch…,“murmelte Gun, verschluckte den Rest, stand auf, nahm seine Sachen und sagte zu Mike Alder:„Ich finde die Ranch schon.“

„Du machst das wirklich?“fragte Mike erstaunt.

„Sheriff spielen können auch große Jungs,“grinste Gun, und beim Hinausgehen murmelte er:„Ich und meine große Klappe.“

„Der erste, der lacht, wird der zweite Deputy,“verkündete Mary-Rose und schritt zur Tür, während alle anderen sich den Mund zuhielten. Erst als sie draußen war, setzte das Gelächter ein.

„Wo warst Du so lange?“fragte Marge ihre Tochter. Sicher, die Zeit des Sorgenmachens war vorrüber, aber Mary-Rose war bei allem Erwachsentun doch erst dreizehn und brauchte ihren Schlaf.

„Mußte über so Einiges nachdenken, Mum,“antwortete Mary-Rose.

„Worüber denn?“Marge sah dem Gesicht ihrer Tochter an, daß das die falsche Frage gewesen war.

„Zum Beispiel über heute Nachmittag,“antwortete das Mädchen trotzdem,„und darüber, ob ich noch ein Mädchen bin.“

Marge Robinson betrachtete das hübsche Gesicht mit den braunen Locken, die Mary-Rose bis auf die Hüften herabhingen, wenn sie den Hut abnahm.

„Die Frage Nummer Zwei kann ich definitiv mit ‚Ja‘ beantworten,“meinte sie deshalb.„Die erste Frage müßtest Du mir schon genauer erklären.“

„Als Tante Hermine mich heute einen … einen ….“Das Wort wollte ihr nicht über die Lippen.

„Ich weiß, wie sie Dich genannt hat,“half ihr Marge.

„ …, da hätte ich Sie beinahe niedergeknallt,“bekannte Mary-Rose,„nicht einmal wegen mir, sondern wegen dem, was sie damit über Dich gesagt hat.“

„Und ich habe ihr nur deshalb nicht die Augen ausgekratzt, weil ich dachte, Du tust es,“bekannte Marge.

„Bist mir jetzt böse, Mum?“

„Deine Mutter und ich sind stolz auf Dich,“sagte ihr Vater, durch die offene Tür des Arbeitszimmers, durch die er jetzt in die Küche kam,„denn wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hätte, daß Du die nötige Charakterstärke für Deinen Waffenladen hast, dann hättest Du ihn heute erbracht.“

Ihr Vater holte den länglichen Gegenstand hervor, den er hinter seinem Rücken versteckt gehalten hatte.

„Hier,“sagte er,„für den Sheriff von Clearwater von Mr. Julius Granger-Ford.“Und er gab ihr das Henry-Gewehr.

Mary-Rose machte große Augen. Sie hatte von diesem Gewehr schon gehört. 16 Schuß im Magazin und Schnellfeuer. Sie nahm es ehrfürchtig in die Hände. Am liebsten hätte sie es wohl sofort ausprobiert, aber es war ja schon dunkel.

„Geh‘ morgen nach der Schule zu Onkel Julius,“riet ihr ihr Vater.„Er kann Dir zeigen, wie man damit umgeht.“

Mary-Rose murmelte nur etwas Unbestimmtes und nahm das Gewehr mit auf ihr Zimmer. Als Marge später nachsah, hing es wie die Colts am Kleider- pardon Waffenständer, denn ihre Kleider legte Mary-Rose ja immer sauber gefalten über ihren Stuhl.

Marge klopfte noch den Mantel ihrer Tochter aus und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen wurde Mary-Rose nicht von ihrem Wecker, sondern von einem seltsam würgenden Geräusch geweckt, das vom Abort kam. Sie brauchte eine Weile, um es einzuordnen, grinste dann aber breit. Also doch ein Brüderchen!

Sie war so aufgeregt, daß sie nicht viel essen konnte. Schließlich nahm sie ihren Mantel, setzte den Hut auf und ging zur Schule. Marge sah kurz in ihr Zimmer. Das Gewehr hing noch da. Zum Glück!

Mary-Rose war früh dran und ließ sich Zeit. Sie liebte es, vor der Schule noch einmal „in alle Ecken zu schauen“, wie sie es nannte. Barneys Saloon war jetzt geschlossen. Er würde erst um zehn wieder öffnen. Jemand stellte gerade den Abfall 'raus, der täglich mit einem Wagen abgefahren wurde. Clayton hatte das schon vor langer Zeit durchgesetzt. Eine saubere Stadt war eine gesunde Stadt, auch im übertragenen Sinne. Mary-Rose gähnte. Ihr fehlten diese Woche einige Stunden Schlaf, sie wußte das, versuchte aber, es erwachsen wegzustecken. Die Nacht war ruhig gewesen. Es lagen nicht einmal Schnapsleichen herum, wie eigentlich sonst jeden Morgen. Sie grinste. Es war gut, einen Deputy zu haben.

Kurz vor der Schule blickte sie noch einmal hinter sich, die Hauptstraße hinunter. Nicht weit vor der Stadt sah sie einen Reiter, der aus der Richtung der Alder-Ranch kam, oder einiger anderer Farmen in dieser Richtung. Er hatte irgendetwas vor sich auf dem Pferd liegen und führte ein zweites Pferd am Zügel. Mary-Rose drehte sich völlig um und ging die Straße hinunter auf den Reiter zu. Wenn das Bündel vor dem Reiter ein Mensch war, konnte die Schule heute warten.

Schon nach wenigen Minuten war der Reiter so nah, daß sie Gun erkannte. Das Bündel mußte ein Mensch sein, ein Mensch mit einem Rock. Mary-Rose fing an, zu laufen. Einige Leute, die sie wohl hatten laufen sehen, verließen ihre Häuser. Mary-Rose blieb stehen und wartete vor dem Saloon auf Gun. Die Rennerei nutzte eh nichts.

Als Gun schließlich ankam, wartete schon eine Menge Menschen zusammen mit Mary-Rose und einige folgten Gun. Mehrere Männer traten zum Pferd und hoben die Leiche herunter. Zuerst wollte man Mary-Rose den Blick versperren, aber ein Blick von ihr genügte, und die Leute ließen sie durch. Hinter Mary-Rose kam Julius Granger-Ford gerade aus dem Saloon. Sie bemerkte ihn nicht. Ihre Augen waren auf die Leiche fixiert. Erst als sie hinter sich Unruhe bemerkte, drehte sie sich verärgert um und blickte in sein Gesicht.

„Es … ist Hermine, nicht?“Diese Frage schien ihn große Kraft gekostet zu haben. Mary-Rose nickte nur. Für einige Augenblicke gingen ihre Gedanken überall hin, dann riß sie sich zusammen:„Wo haben Sie sie gefunden, Gun?“

„Etwa zehn Meilen vor der Stadt, vielleicht drei Meilen von der Alder-Ranch entfernt,“antwortete Gun.

„Wo ist der Arzt?“brüllte Mary-Rose,„Doktor Rivers soll kommen!“

Rivers, der schon benachrichtigt worden war, bahnte sich seinen Weg durch die Gaffer. Mit einem Wink ihrer Augen sorgte Mary-Rose dafür, daß der Leichnam untersucht wurde. Als Rivers den Rock der Toten anhob, drehten sich alle weg.

„Kann ich mit Euch beiden allein sprechen?“fragte der Arzt Julius und Mary-Rose.

„Gun, Sie sorgen hier für Ordnung.“Mary-Rose schob die beiden Männer in den Saloon. Guns „Ja, Sheriff!“ traf nur noch ihren Rücken.

Im Saloon ließ Mary-Rose sich von Barney einen Whisky geben, den sie vor Onkel Julius hinstellte.

„Du brauchst das,“sagte sie,„und ich verkneif’s mir.“

Die drei setzten sich hinter einen der Vorhänge.

„Was können Sie uns sagen?“fragte Mary-Rose Rivers.

Der wartete, bis der Dritte am Tisch genickt hatte.

„Sie wurde vergewaltigt und dabei oder danach stranguliert,“antwortete der Arzt.„Todeszeit vielleicht acht Uhr abends.“

„Drei Stunden, nachdem sie die Stadt verlassen hatte.“Mary-Rose stellte es nur fest.„Halten Sie eine eingehendere Untersuchung für nötig.“

„Nein,“schüttelte Rivers den Kopf.“Aber ein paar Photographien schon.“

„Gut,“meinte Mary-Rose,„dann lasse ich die Leiche zu Ihnen in die Praxis schaffen. Sie sagen dann Bescheid, wenn sie beerdigt werden kann.“

„Sicher.“

„Ach, sagen Sie doch dem Deputy bitte gleich Bescheid. Ich hab‘ hier gerade noch zu tun.“

„Sicher.“Der Arzt stand auf und ging nach draußen.

Onkel Julius, der seinen Whisky ausgetrunken hatte, starrte nur auf die Tischplatte.

„Ich fühle mich auch schuldig,“sagte Mary-Rose.

Der ältere Mann blickte sie an:„Können wir wirklich was dafür?“

„Schwierige Frage.“

Beide schwiegen einige Zeit. Dann kam Gun herein:„Noch irgendwelche Anweisungen, Sheriff?“

„Geh zu meinem Vater, Onkel Julius,“sagte Mary-Rose.„Und Sie setzen sich kurz hierher.“

Julius Granger-Ford verließ den Saloon und Gun setzte sich.

„Haben Sie irgendwelche Spuren gefunden?“

„Ein paar Hufspuren, wo der Boden sandig war,“antwortete Gun.„Hätte Sie sowieso nicht gefunden, wenn ich den Weg zur Ranch genau gekannt hätte.“

„Wahrscheinlich waren die Pferde unbeschlagen,“meinte Mary-Rose, und Gun klappte die Kinnlade nach unten. Wie konnte sie das wissen?

„Weiße Desperados mit beschlagenen Pferden hätten das Pferd und die anderen Sachen mitgenommen,“erklärte Mary-Rose ihre Vermutung. Das war plausibel.

„Nehmen Sie die Sachen bitte mit zu meinem Vater. Mr. Granger-Ford soll feststellen, ob irgendwas fehlt.“

„Gut.“

„Und sagen Sie bitte dem Bürgermeister, daß ich ihn nach der Schule aufsuchen werde. Irgendjemand muß bei den Indianern nachfragen.“

„Mach‘ ich.“

„Und dann sehen Sie zu, daß Sie zur Ranch kommen. Um alles Weitere kümmere ich mich nach der Schule.“

Mary-Rose verließ zusammen mit Gun den Saloon.

„Guten, Morgen, Deputy Mayweather,“begrüßte Clayton den Neuling.„Was führt sie zu mir?“

„Morgen, Bürgermeister,“antwortete Mayweather.„Ich soll Ihnen nur sagen, daß der Sheriff nach der Schule vorbeikommt, um zu besprechen, wer bei den Indianern die Fragen stellt.“

„Bei den Indianern?“Clayton hatte natürlich schon von der Leiche gehört, wußte aber nichts Genaueres.

„Die Hufspuren bei der Leiche stammten von unbeschlagenen Pferden,“erklärte der neue Deputy.

„Darüber reden Sie bitte mit keinem Menschen, bis die Untersuchung abgeschlossen ist,“bat Clayton erschrocken.„Unser Friede ist zu wertvoll, um durch Gerüchte gefährdet zu werden.“

„Sicher,“antwortete sein Gegenüber.„Sie können sich auf mich verlassen.“

„Danke.“

Mayweather wollte sich schon zum Gehen wenden, als sein Blick auf ein Photo an einer Pinwand fiel. Er zeigte darauf und fragte:„Wer ist das?“

„Der Kerl, der Myrna Jenkins vergewaltigt hat,“antwortete der Bürgermeister.„Mary-Rose hat ihn erschossen. Kennen Sie ihn?“

„Wenn es der ist, den ich meine.“Der Deputy ging nahe an das Bild heran und besah es sich ziemlich lange.„Nicht wahr, er ritt einen ziemlich gut gebauten Falben.“

„Stimmt,“bestätigte der Bürgermeister erstaunt. Mayweather studierte die ausgehängten Dokumente.

„Elijah Ferguson,“las er auf einer Rechnung.„Ja, er war es.“

„Sie kennen ihn wirklich?“fragte Clayton erfreut.

„Wir sind ein- oder zweimal zusammengetroffen,“erklärte die hagere Gestalt.„Er stammte wie ich aus gutem Haus und hat sich wie ich herumgetrieben.“Mayweather lächelte schief.„Ich gab mir Mühe, dabei ehrlich zu bleiben. Er nicht.“

„Wissen Sie, ob er noch irgendwo Verwandtschaft hat?“

„Seine Eltern leben, glaube ich, in Baltimore,“erinnerte der Deputy sich.„Ich hab‘ einmal das Zimmer mit ihm geteilt. War ein eher labiler Charakter, der immer meinte, die Menschen haßten ihn, und er würde jung getötet werden. Hat mir, glaube ich, sogar die Adresse gegeben, falls ihm etwas zustieße.“Er suchte nach seiner Brieftasche.„Ich hatte sie doch noch irgendwo.“Er fand die Brieftasche und holte einen Zettel hervor.„Hier ist er. Das war vor etwa einem Jahr. Drei Tage später zog ich weiter, und habe ihn danach nicht mehr gesehen. Wollen Sie sich die Adresse kopieren?“

„Aber sicher,“rief Clayton aus und schrieb die Zeilen ab.

„Wenn Sie mich suchen: Ich bin auf der Alder-Ranch.“Mayweather verabschiedete sich, aber Clayton war schon so beschäftigt, daß er das gar nicht mehr mitbekam.

Gegen Abend verließ Clayton sein Büro, um noch ein paar Besuche zu machen. Dabei sah er Mary-Rose und ihren neuen Deputy über die Hauptstraße schlendern, wobei der Sheriff tatsächlich wie eine verkleinerte Ausgabe des Deputies aussah.

Clayton mußte weiter, machte sich aber seinen Reim auf die Geschichte.

Bei Jenkins mußte er mehrmals anklopfen, bis jemand öffnete.

Am nächsten Morgen rief Clayton seinen Sekretär zu sich und diktierte ihm einen Brief:

Sehr geehrte Mrs. und Mr. Ferguson,

leider habe ich die traurige Pflicht, ihnen eine äußerst betrübliche Mitteilung machen zu müssen.

Ihr Sohn Elijah hat sich hier in Clearwater leider nicht ganz so verhalten, wie es seiner Erziehung wohl zuzutrauen gewesen wäre. Um es geradeheraus zu sagen: Er hat einem jungen Mädchen von 15 Jahren Gewalt angetan und wollte sie danach ermorden, was nur durch das beherzte Eingreifen einer anderen jungen Dame verhindert wurde. Dabei fand Ihr Sohn den Tod. Sein Pferd und seine Wertsachen wurden dem Opfer, Miss Myrna Jenkins, als teilweise Wiedergutmachung, sofern man in einem solchen Fall überhaupt davon sprechen kann, zugesprochen. Die persönlichen Papiere sowie eine Durchschrift des Totenscheines übersende ich Ihnen mit diesem Brief.

Es könnte nun damit sein Bewenden haben, aber leider wurde bei diesem notvollen Beischlaf ein Kind gezeugt, dessen Geburt in Kürze (01. Juni 1870) erwartet wird. Es ist der ausdrückliche Wunsch der werdenden Mutter, daß das Kind, soweit das über die beträchtliche Entfernung überhaupt möglich ist, mit allen Großeltern aufwächst. Sie bittet daher um Ihr baldiges Kommen. Leider war uns die Feststellung Ihres Wohnortes erst gestern durch eine Zeugenaussage möglich.

Mit dem aufrichtigsten Bedauern, Ihnen keine bessere Mitteilung machen zu können,

Robert Clayton

Bürgermeister von Clearwater, Colorado

Der Brief ging mit der nächsten Postkutsche ab.

Clearwater

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