Читать книгу Big Ideas. Das Management-Buch - Philippa Anderson - Страница 8
ОглавлениеERFOLG HAT, WER WEISS, WAS KEIN ANDERER WEISS
HEBEN SIE SICH VON DER MASSE AB
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Differenzierung
WICHTIGE DATEN
1933 In dem Buch Theory of Monopolistic Competition beschreibt Edward Chamberlin die Differenzierung als Maßnahme, um für Produkte und Dienstleistungen einen höheren Preis zu erzielen, da sie sich dann von denen der Konkurrenz unterscheiden.
1940er-Jahre Rosser Reeves von der Werbeagentur Ted Bates Inc. in New York erfindet das Konzept des Alleinstellungsmerkmals (»Unique Selling Proposition«, USP)
2003 Philip Kotler vertritt in Philip Kotlers Marketing-Guide (dt.: 2004) die Ansicht, dass USPs von emotionalen Merkmalen (»Emotional Selling Propositions«, ESPs) abgelöst werden sollten.
Nur wenige Firmen nehmen in ihrem Geschäftsfeld eine Monopolstellung ein. Mit zunehmender Globalisierung werden die Märkte immer voller und stärker umkämpft. So kommt es darauf an, etwas anderes zu machen als die Konkurrenz. Der griechische Reeder Aristoteles Onassis sagte, ein Unternehmer müsse etwas wissen, was sonst niemand weiß, um sich von den Wettbewerbern zu unterscheiden.
Alleinstellungsmerkmale
Die meisten Firmen verfolgen eine Differenzierungsstrategie gegenüber ihren Wettbewerbern. Sie bieten ihren Kunden etwas an, das die Konkurrenz nicht hat – ein Alleinstellungsmerkmal. Das Konzept der »Unique Selling Proposition« (USP) wurde von dem amerikanischen Werbefachmann Rosser Reeves in den 1940er-Jahren entwickelt. Er beschrieb damit das entscheidende Merkmal, mit dem sich ein Produkt zu einem höheren Preis verkaufen lässt als konkurrierende Produkte. Echte USPs sind schwer zu erreichen und auch zu kopieren – sie sind eben einzigartig.
Firmen müssen sich in jeder Produktionsphase von ihren Wettbewerbern abgrenzen, das gilt von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Kundendienst. Produkte wie Nespresso-Kaffeemaschinen und Crocs-Schuhe oder Dienstleister wie die Hotelgruppe Tune Hotels sind stark differenziert mit einem starken Alleinstellungsmerkmal.
Der wichtigste Vorteil der Einzigartigkeit: die Loyalität der Kunden und die Möglichkeit, Produkte teurer zu verkaufen. Differenzierung schützt vor billigen Konkurrenzprodukten. Sie rechtfertigt höhere Preise, sorgt also dafür, dass die Rentabilität länger erhalten bleibt. Zudem kann sie einem Unternehmen den Wettbewerbsvorteil verschaffen, mit dem es sich von der Menge abhebt.
Der feine Unterschied
Es können nicht alle Produkte einzigartig sein, denn Differenzierung kostet Geld, Zeit und Mühe. Neue Funktionen sind zudem leicht zu kopieren und Nachahmer gibt es wie Sand am Meer. Zum Beispiel war die Touchscreen-Technologie ursprünglich ein Differenzierungsmerkmal des iPhones von Apple, inzwischen ist fast jedes Smartphones damit ausgestattet. So erweisen sich Differenzierungsmerkmale oft als nicht langlebig.
Marketing-Guru Philip Kotler fordert Firmen daher auf, sich auf die »Emotional Selling Proposition« (ESP) zu konzentrieren. Durch Marketing müsse eine emotionale Bindung an die Marke entstehen, die so stark ist, dass die Kunden sie als Alleinstellungsmerkmal empfinden. Turnschuhe von Nike und Adidas haben beide ein charakteristisches Design und hohe Funktionalität, aber bei aller Differenz besteht nur ein winziger Leistungsunterschied. In der Kundenwahrnehmung wird er jedoch durch Marketing und Markenpolitik vergrößert: Die Einzigartigkeit wird einerseits durch die Bilder erzielt, die die Kunden mit der Marke verbinden, und andererseits durch Werbe- und Sponsoring-Aktivitäten.
Apple differenzierte sich auf dem noch jungen Markt der digitalen Musik mit leichtbedienbarer Software, hervorragend gestalteter Hardware und einer Benutzeroberfläche, die beides perfekt verband. Der iPod allein unterschied sich in seiner Funktion als tragbarer MP3-Player kaum von anderen Modellen, aber zusammen mit der iTunes-Software ermöglichte er den Apple-Kunden eine einzigartige Nutzung. Diese Erfahrung ist Apples ESP, sie wurde mit der Werbekampagne Think Different (»Denke anders«) beworben.
»Es gibt keine Massenware. Alle Waren und Dienstleistungen lassen sich differenzieren.«
Theodore Levitt Ökonom (1925–2006)
Der große Unterschied
Die britische Modemarke Superdry, die mittlerweile über 300 Läden in Europa, Asien, Nord- und Südamerika sowie Südafrika unterhält, genießt den Status der Einzigartigkeit. Sie ist auf neuartige Weise von japanischer Grafik und traditionellen Symbolen der USA beeinflusst und verbindet diese mit den Traditionen des britischen Schneiderhandwerks. Superdry erreichte bald nach der Einführung 2004 eine starke Position auf dem hart umkämpften Bekleidungsmarkt. Die ersten Läden eröffneten in britischen Universitätsstädten, was der Marke ein jugendliches Flair verlieh. Sie wurde schnell populär, obwohl wenig Werbung betrieben und auf die Unterstützung von Berühmtheiten verzichtet wurde. Der besondere Stil erregte von selbst die Aufmerksamkeit bekannter Persönlichkeiten, die kostenlos für die Marke sprachen. Eine Jacke, die David Beckham trug, war eines der meistverkauften Produkte, er wurde daher zum inoffiziellen Glücksbringer für die Firma.
Superdry konzentrierte sich auf modisch geschneiderte Kleidung mit viel Liebe zum Detail bis hin zu Stickereien. Büroangestellte tragen sie in der Freizeit ebenso wie Studenten, Sportler und Stars, sie ist für eine breite Kundenbasis interessant. Die meisten Differenzierungsstrategien zielen auf ein bestimmtes Marktsegment, doch Superdry zielt auf alle. Die unnachahmliche Mischung aus Mode und Tragekomfort, Stil und Bequemlichkeit zusammen mit den geheimnisvollen, aber sinnlosen japanischen Schriftzeichen sind für die Wettbewerber sehr schwer zu kopieren.
Auf lange Sicht
Viele Firmen müssen feststellen, dass die Differenzierung schwerer fällt, je beliebter ihre Marken werden. Da sich die Kleidung von Superdry weltweit immer weiter verbreitet, ist sie nicht mehr so einzigartig. Für Superdry ist es schwer, gleichzeitig die Reichweite zu vergrößern und das Besondere zu bewahren. Das gilt für alle Firmen: Wer kann sich von der Masse abheben, während er die Massen in seine Läden lockt?
Differenzierung ist in jeder Phase der Wertschöpfungskette möglich – nicht nur bei den Produkten und Dienstleistungen, sondern auch bei allen internen Prozessen, die die Kauferfahrung der Kunden prägen. Die schwedische Möbelhauskette IKEA differenziert sich nicht nur durch zeitgemäßes Design und kleine Preise, sondern auch durch die gesamte Kauferfahrung der Kunden. Sie wählen in den riesigen Ausstellungs- und Lagerräumen die Produkte selbst aus, bringen sie nach Hause und bauen die Möbel selbst auf: So kann die Firma ihr niedriges Preisniveau halten.
Sogar die »Einbahnstraße« durch die Verkaufsräume bei IKEA ist einzigartig. Sie fördert nicht nur Spontankäufe, sondern betont auch die Unterschiede gegenüber der Konkurrenz: Die Kunden schlendern durch fertig eingerichtete Zimmer, die den zeitgemäßen Stil der Möbel betonen. Die Preise sind niedrig, weil die Kunden kaum Hilfe vom Personal benötigen.
Die Modemarke Superdry ist eine junge Firma, die sich erfolgreich Marktanteile sichern konnte. Sie wuchs sehr schnell, vor allem wegen ihres stark differenzierten Faux-Vintage-Looks.
Anders, aber immer gleich
Auch Vertrautheit kann ein gutes Differenzierungsmerkmal sein. Der Erfolg der ganzen Fastfood-Kette McDonald’s beruht zum Beispiel darauf, dass sie überall auf der Welt beinahe identische Mahlzeiten bietet – in gleichartigen Restaurants mit dem gleichen Service. Dadurch unterscheidet sich McDonald’s von unbekannten örtlichen Restaurants ebenso wie von vielen globalen Wettbewerbern, denen es nicht gelingt, eine derart einheitliche Erfahrung zu bieten.
Differenzierung ist weniger wichtig, wenn die Produkte Ihrer Firma genau die Wünsche Ihrer Kunden erfüllen und sich nicht mit denen der Konkurrenz überschneiden. Am bedeutsamsten ist sie, wenn Ihre Produkte beliebt sind, aber etwas mit den Konkurrenzprodukten gemeinsam haben. Allerdings ist in diesem Fall das Risiko, Kunden zu verlieren, höher.
Inzwischen bewerben rivalisierende Unternehmen die Einzigartigkeit ihrer Produkte immer lauter und immer raffinierter, aber die Verbraucher erkennen auch sehr viel genauer, wo die Wirklichkeit von der Werbung abweicht. Es kommt zwar kaum auf greifbare Unterschiede an, denn alles deutet darauf hin, dass emotionale Alleinstellungsmerkmale häufig genügen, aber die hervorgehobenen Eigenschaften müssen echt und glaubwürdig sein. Kunden entwickeln nur dann eine emotionale Bindung zu einer Marke, wenn die Differenzierung erkennbar ist, und zwar in der gesamten Organisation. Genau festgelegte Kernelemente, die die Einzigartigkeit eines Unternehmens betonen, sollten bei jedem Kontakt zu Kunden deren Erfahrung prägen – der Unterschied muss zuverlässig überall und immer erkennbar sein, denn nur dann ist er glaubwürdig.
Nachhaltig anders
Ein fest etabliertes Alleinstellungsmerkmal – ob bei der Funktion oder im Gefühl – sollte eine Firma gut bewahren und kontinuierlich festigen. Köpfe und Herzen der Mitarbeiter und Kunden müssen laufend neu gewonnen werden. Oft sind – wie das Beispiel Apple gegen Samsung zeigt – Alleinstellungsmerkmale sogar Anlass für Rechtsstreitigkeiten.
In jedem Industriezweig gibt es Pioniere und Nachahmer, die sich nur durch ihre mehr oder weniger gut zu verteidigenden Differenzierungsmerkmale unterscheiden. Einzigartigkeit bei der Funktion, beim Markenimage, bei Prozessen oder beim Service muss etabliert und kommuniziert werden, sonst verschwindet eine Firma in der Masse. Für einen langfristigen Erfolg muss die Differenzierung möglichst lange erhalten bleiben.
»Wer unersetzlich sein will, muss immer anders sein als alle anderen.«
Coco Chanel Modeschöpferin (1881–1971)
Rosser Reeves
Rosser Reeves (1910–1984), der Vorsitzende einer New Yorker Werbeagentur, war der Ansicht, dass Werbung weniger die Brillanz des Texters, sondern besser den Wert des Produkts hervorheben sollte. Nachdem Reeves wegen Fehlverhaltens unter Alkoholeinfluss von der Universität in Virginia geflogen war, arbeitete er zunächst als Journalist und später als Werbetexter. 1940 stieß er zur Werbeagentur Ted Bates, Inc. in New York. Da er äußerst begabt und fähig war, stieg er 1955 zum Vorsitzenden der Firma auf. Ihm wird nachgesagt, die Fernsehwerbung neu definiert zu haben. Er formulierte Slogans wie: »Schmelzen im Mund, nicht in der Hand« für M&M’s. Die Unique Selling Proposition, das »Alleinstellungsmerkmal«, erfand er um 1940, in dem Buch Reality of Advertising (dt. Ausgabe: Werbung ohne Mythos) lieferte er 1961 die Theorie dazu. Auch nach seinem Tod lebt sein Erbe weiter: Sein wegweisender Führungsstil diente als Vorlage für die Hauptfigur der US-Fernsehserie Mad Men.