Читать книгу Schriften in deutscher Übersetzung - Plotin - Страница 30

Der Daimon der uns erloste

Оглавление

Die oberen Prinzipien beharren in sich, wenn aus ihnen die Hypostasen hervorgehen, von der Seele aber wurde schon ausgeführt, daß sie sich bewegt, wenn sie die hypostasierte Wahrnehmungskraft (die Tierseele) und die Wachstumskraft bis herab zur Pflanzenwelt hervorbringt. Die Seele hat nämlich diese Wachstumskraft auch schon wenn sie in uns weilt; aber hier ist sie nur ein Teil der Seele und hat nicht die Herrschaft; wenn die Seele aber in die Pflanzen eintritt, dann hat diese Wachstumskraft die Herrschaft in ihr, da sie ja hier die einzige geworden ist. Diese Wachstumskraft nun, erzeugt sie nichts mehr? Sie erzeugt etwas das von ihr gänzlich verschieden ist. Denn nach ihr gibt es kein Leben mehr, sondern das was sie erzeugt ist leblos. Was ist es denn? Nun, so wie alles was vor diesem erzeugt wurde, als Gestaltloses erzeugt wurde, Gestalt aber erst dadurch erhielt daß es durch seine Hinwendung zu seinem Erzeuger gewissermaßen großgezogen wurde, so muß auch in diesem Falle das Erzeugte nun nicht mehr eine Art der Seele, denn es hat ja nicht mehr Leben, sondern völlige Unbestimmtheit sein. Denn wenn es auch auf den früheren Stufen Unbestimmtheit gab, so war sie doch geformt; denn das Erzeugte war ja nicht völlig unbestimmt, sondern nur im Vergleich zu seiner Vollendung; dies letzte aber ist es völlig. Wenn es vollendet wird, so wird es Körper, nachdem es die Form empfangen hat welche seinem Vermögen entspricht, es ist das aufnehmende Gefäß dieser Kraft, die es zeugt und großzieht. Dies ist das einzige Obere im Körper, der unterste Ableger der oberen Welt im untersten [2]Bereich der Tiefe. Auf diese Art Seele vor allem bezieht sich auch das Wort ‘Jede Seele bekümmert sich um das Unbeseelte’; die anderen verfahren anders. ‘Sie umwandelt den ganzen Kosmos, bald in dieser bald in jener Gestalt’ – nämlich in der Gestalt der Wahrnehmungskraft, der Vernunft oder eben der Wachstumskraft; denn der Seelenteil der die Oberhand hat, bewirkt das ihm Entsprechende, während die andern Teile keine Wirkung haben, denn sie bleiben außerhalb.

Beim Menschen allerdings haben die niederen Seelenteile nicht die Oberhand, sind aber mit dabei; anderseits herrscht aber auch der höhere Seelenteil nicht immer, denn die niederen nehmen auch einen gewissen Raum ein. Deshalb haben wir die Funktionen der wahrnehmenden Wesen (Tiere), denn wir haben ja Wahrnehmungsorgane, und in vielem die der Pflanzen, denn wir haben ja einen Körper der wächst und zeugt. So wirken alle Seelenkräfte mit, vermöge des Überwiegenden aber ist das ganze Wesen Mensch. Wenn aber die Seele aus dem Körper austritt, so wird sie zu dem was in ihr das Überwiegende war. Wir müssen also ‘hinfliehen’ nach oben, damit wir nicht hinabsinken in den wahrnehmenden Teil indem wir den Sinnenbildern nachgehen, und nicht in die Wachstumskraft, indem wir dem Zeugungstrieb Folge geben und dem ‘Gelüst nach leckeren Speisen’, sondern zum Geistigen gelangen, zum Geist und zu Gott. Die nun also den ‘Menschen’ hochgehalten haben, die werden wieder zu Menschen, die aber nur mit der Wahrnehmung gelebt haben, zu Tieren. Lebten sie in bloßer Wahrnehmung die mit Heftigkeit gepaart war, so werden sie zu wilden Tieren, und die speziellen Verschiedenheiten in ihren Seelen haben die verschiedenen Arten dieser Tiere zur Folge. Die aber in Wahrnehmung lebten gepaart mit Begierde und Lüsternheit des begehrenden Seelenteils, das werden die wollüstigen und gefräßigen Tiere. Paarte sich aber mit Leidenschaft und Begierde nicht einmal mehr Wahrnehmung, sondern nur Stumpfheit des Wahrnehmungssinnes, dann werden sie sogar zu Pflanzen; denn das Vegetative war allein oder vorwiegend in ihnen wirksam, und ihr Leben war eine Vorübung im – Baum-Werden. Die sich der Musik hingaben und im übrigen ein reines Leben führten, werden zu Singvögeln, muß man annehmen; und die ohne Vernunft Könige waren, zu Adlern, wenn sie sonst ohne Schlechtigkeit waren; und die Astronomen die ohne tiefere Einsicht sich immer zum Himmel erhoben, zu Vögeln welche in hohe Regionen fliegen. Wer aber die Bürgertugend hochhielt, wird wieder zum Menschen; wer es in geringerm Grade tat, zu einem staatenbildenden Tier, einer Biene oder dergleichen.

[3]Und was ist das für ein ‘Daimon’? Derselbe wie hienieden. Und was für ein ‘Gott’? Nun, derselbe wie hienieden; denn was im Menschen gewirkt hat, das leitet einen jeden nach dem Tode, wie es auch im Leben ihn führte. Ist nun dies der ‘Daimon’ der den Menschen ‘bei seinen Lebzeiten erloste’? Nein, sondern das was vor diesem Wirkenden ist; denn das herrscht über den Menschen ohne zu handeln, und das Wirkende steht unter ihm. Wenn das Wirkende die Seelenstufe ist, durch welche wir wahrnehmen, dann ist die Vernunftseele der Daimon; wenn wir aber nach der Vernunftseele leben, dann ist das über ihr der Daimon, der herrscht ohne selbst zu handeln und das Wirkende nur gewähren läßt. So heißt es denn mit Recht, daß ‘wir wählen werden’; denn wir wählen den Daimon der während des Lebens über uns thront. Aber warum heißt es denn daß dieser selbst uns ‘führt’? Nun, der im Leben wirksame konnte uns nicht weiter führen, sondern nur zuvor als der Mensch lebte, als er aber zu leben aufhörte, mußte dieser Daimon seine Wirksamkeit einem andern überlassen denn er war damit in seinem verwirklichenden Leben gestorben. Dieser andere also will uns führen, und wenn er die Oberhand hat, lebt er nun; aber er hat auch seinerseits einen andern zum Daimon; wird er aber beschwert durch Vorwiegen der niederen Gesinnung, so enthält eben diese Beschwerung die Strafe in sich; weshalb denn auch der Böse, bei welchem das in seinem Leben wirkende Prinzip zum Niederen, zu dem was ihm gleicht hinabzieht, in ein Leben als Tier eingeht. Vermag aber der Daimon einmal dem andern Daimon welcher über ihm ist zu folgen, so gelangt er nach oben indem er jenem oberen Daimon nachlebt und den höheren Teil seiner selbst, zu dem er dabei gelangt, in die Herrschaft einsetzt, und nach diesem wieder einen höheren bis hin in die obere Welt.

Denn das Sein der Seele umfaßt vieles, ja alles, das obere wie das untere bis hinab, soweit das Leben in jeglicher Form reicht; ein jeder von uns ist ein geistiger Kosmos; mit den unteren Seelenteilen berühren wir diese Erdenwelt, mit den oberen, die im Kosmos sind, das Geistige; mit unserem geistigen Teil verharren wir ganz in der oberen Welt, nur mit seinem letzten Stück sind wir gefesselt an die untere Welt; wir leiten gewissermaßen einen Ausfluß des Oberen in die untere Welt oder richtiger: eine Wirkungskraft, wobei das Obere sich nicht mindert. [4]Bleibt nun dieser Seelenteil immer im Leibe? Nein; denn wenn wir uns hinaufwenden, so wendet sich auch dieser Teil mit hinauf. Und bei der Seele des Alls? Trennt sich auch ihr unterer Teil von ihrem Körper, wenn sie sich hinaufwendet? Nun, vielleicht hat sie sich auch mit ihrem untersten Teil gar nicht hinabgeneigt; sie ist ja nicht in den Körper eingegangen noch herabgekommen, sondern sie verharrt und der Leib der Welt berührt sie und wird von ihr gewissermaßen erleuchtet; er beschwert sie nicht und schafft ihr keine Sorgen; denn im Ungefährdeten ruht der Kosmos. Wie denn? Hat sie auch keinerlei Wahrnehmung? Sie hat kein Sehen, heißt es, hat sie doch auch keine Augen; auch keine Ohren nämlich und keine Nase und keine Zunge. Und hat sie auch kein Bewußtsein wie wir von dem was in uns vorgeht? Nun, was sich seinem Wesen nach gleichmäßig verhält, das ist in Ruhe. Auch kennt es keine Lustempfindung. So hat also auch die Wachstumskraft in ihr ein Dasein, ohne da zu sein, und ebenso die Wahrnehmungskraft. Doch über den Kosmos handeln wir anderswo; hier sollte nur soviel darüber gesagt sein als mit unserm Problem zusammenhängt.

[5]Jedoch wenn die Seele dort oben ‘ihren Daimon und wenn sie ihr Leben wählt’, wie haben wir dann noch irgendeine Entscheidung? Nun, das was von der ‘Wahl’ dort oben gesagt wird, soll verhüllt einen allgemeinen und ständigen Willen, einen Zustand der Seele andeuten. – Aber wenn der Wahlwille der Seele entscheidend ist und wenn der Teil in ihr die Oberhand hat, der auf Grund des früheren Lebens ihr zur Hand liegt, dann kann der Leib für den Menschen nicht mehr die Ursache von irgend etwas Bösem sein. Denn wenn die Gesinnung der Seele den Vorrang vor dem Körper hat und das bekommt was sie gewählt hat, und ‘den Daimon’, wie es heißt, nicht wechselt, dann entsteht der Gute oder Schlechte nicht erst hier auf Erden. Nun, vielleicht ist die Entscheidung zwischen gut und schlecht nur potential vollzogen und wird auf der Erde dann aktual? Aber wenn dann der Gutgesinnte in einen schlechten Leib gerät und umgekehrt? Nun, die gute oder schlechte Seele hat das Vermögen, den Körper besser oder schlechter zu machen; denn auch die andern äußeren Schicksale vermögen den Gesamtwillen der Seele nicht aus der Bahn zu werfen. Wenn es aber heißt, daß zuerst die ‘Auslosung’ kommt, dann die ‘Musterbilder der Lebensweisen’, … (?), und daß sie unter den vorhandenen die Lebensform nach ihrer Gesinnung wählen, so gibt er damit mehr den Seelen die Entscheidung, denn sie gestalten das Gegebene gemäß ihrer Gesinnung. Denn daß dieser Daimon nicht schlechterdings außer uns ist, sondern nur sofern er nicht an uns gebunden ist, aber auch nicht tätig in uns wirkt, daß er ‘uns’ angehört, wenn wir darunter unsere Seele verstehen, nicht aber uns angehört sofern wir als diese bestimmten Menschen unter seiner Führung leben, das bezeugt das Wort im Timaios; so verstanden enthält es keinen Widerspruch, während es allerdings, wenn man den Daimon anders auffaßte, eine gewisse Unstimmigkeit enthielte. Auch das Wort ‘als Vollstrecker dessen was man gewählt hat’ ist seinerseits damit im Einklang; denn der Daimon thront über uns und läßt uns nicht viel tiefer ins Schlechte sinken, sondern es wirkt auf uns nur jenes Wirkende was ihm unterstellt ist, aber auch nicht über ihn hinaus noch auf die gleiche Stufe mit ihm; denn der Mensch kann nichts anderes werden als sein Daimon ist (?).

[6]Was ist denn nun mit dem sittlich hochstehenden Menschen? Nun, es ist der welcher mit seinem besseren Daimon handelt. Vielleicht wäre er aber nicht selbst vollkommen, da er den Daimon zum Helfer hat. In dem Hochstehenden wirkt der Geist; entweder also ist er selbst Daimon oder an der Stelle eines Daimon und hat Gott zum Daimon. Er gelangt also über den Geist hinauf? Nein, aber das über dem Geist Stehende ist ihm Daimon. (Weshalb folgt er nun nicht vom Lebensanfang an seinem Daimon? Wegen des ‘Aufruhrs’ welcher durch die Geburt entsteht. Allerdings ist auch schon bevor die Vernunft in ihm wirkt, die Bewegung da, welche in ihm drängt zu dem ihr eignen hin. Setzt sich denn nun der Daimon in jedem Falle durch? Nein, nicht in jedem Falle; denn die Seele ist von der Anlage, daß sie unter den und den Umständen so und so ist und ein diesen Umständen entsprechendes Leben führt und entsprechenden Wahlwillen hat.)

Doch zurück zu dem Daimon von dem wir sprechen. Von ihm heißt es nachdem er die Seele in den Hades geführt habe, bleibe er nicht mehr derselbe, wenn die Seele nicht wieder dieselbe Lebensart wählt. Aber wie verhielt es sich vorher? Das Führen zum Gericht bedeutet daß die Seele nach dem Ableben in dieselbe Gestalt kommt, die sie vor der Geburt hatte; dann wohnt der Daimon, gewissermaßen neu anfangend, die Zeit bis zur nächsten Geburt den Seelen bei die bestraft werden. Und die Seelen welche in Tierleiber eingehen sollen? Haben sie ein Wesen zum Führer das geringer ist als ein Daimon? Wenigstens ist ihr Daimon schlecht oder töricht. Und die welche in die obere Welt kommen? Von den oberen kommen die einen in die sichtbare Welt, die andern nach außerhalb. Die in die sichtbare Welt, kommen auf die Sonne oder einen andern Planeten oder auch auf die Fixsternsphäre, je wie sie im Leben mit Vernunft gehandelt haben; denn man muß annehmen daß auch in unserer Seele ein Kosmos ist, und zwar nicht nur ein geistiger, sondern auch eine der Weltseele gleichgeartete Anlage; wie jene nun verteilt ist nach ihren unterschiedlichen Kräften auf die Fixsternsphäre und die Planetensphären, so sind auch die Kräfte unserer Seele jenen gleichartig und von jeder dieser Kräfte geht eine Wirkung aus, und wenn die Seelen freiwerden kommen sie dort oben zu dem Gestirn welches zu dem in ihnen wirkenden und lebendigen Charakter und Vermögen stimmt, und ein Gott dieser Art wird ihr Daimon sein, entweder dies Gestirn selbst oder das Prinzip welches dieser Kraft übergeordnet ist – jedoch muß das genauer untersucht werden; die aber aus der sichtbaren Welt heraustreten, die sind damit über die Wesenheit der Daimonen hinausgeschritten und über die ganze Schicksalsverkettung des Werdens und überhaupt über alles was in dieser sichtbaren Welt ist, da solange die Seele dort oben weilt, auch ihre werdeliebende Wesenheit mit emporgezogen –; ist von dieser Wesenheit kann man mit Recht sagen, daß sie jene Seele ist ‘welche an den Körpern teilbar wird’, welche mit den Körpern zur Vielheit wird und mit ihnen sich teilt. Sie teilt sich aber nicht der Größe nach; denn sie ist dasselbe in allen als ein Ganzes, und doch wieder Eines; auf dieser ihrer Teilung beruht es daß aus einem Lebewesen stets viele erzeugt werden können, wie auch aus den Pflanzen, denn auch die vegetative Seele teilt sich an den Körpern. Bald bringt die Seele diese vielen Wesen hervor indem sie dabei in demselben Körper bleibt, wie z. B. in den Pflanzen, bald aber, wenn sie aus dem Körper fortgeht bringt sie sie hervor vor ihrem Fortgang; so werden z. B. bei zerstörten Pflanzen viele aus einer oder bei gestorbenen Tieren infolge der Fäulnis. Es wirkt aber dabei auch vom All her die entsprechende Kraft mit, welche dieselbe ist wie die hier unten wirkende.

Wenn aber die Seele wiederum hierher kommt, dann hat sie denselben oder einen andern Daimon für das dann bevorstehende Leben. Sie besteigt also zunächst wie einen Nachen dieses All, geleitet von diesem Daimon, dann empfängt sie die Wesenheit die ‘Spindel’ genannt wird und setzt sie wie in ein Schiff in irgendeinen Schicksalssitz. Während nun der Sphärenlauf wie der Fahrwind den auf dem Schiff sitzenden oder gehenden herumtreibt, gibt es viele bunte Anblicke, viele Wechsel und Fährnisse, gerade wie auf einem wirklichen Schiff man teils durch das Schwanken des Schiffes bewegt wird teils von sich selbst aus eigenem Antrieb, der sich je nach der persönlichen Art bildet auf Grund des Umstandes daß man auf dem Schiff ist; denn auch in der gleichen Lage bewegt sich nicht jeder in gleicher Weise oder will oder handelt. Es widerfährt also den Verschiedenen Verschiedenes entweder aus den gleichen oder aus verschiedenen Umständen, oder andern wieder das Gleiche auch wenn die Umstände verschieden sind. Solcher Art ist eben das Schicksal.

Schriften in deutscher Übersetzung

Подняться наверх