Читать книгу Jung bleiben ist Kopfsache - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - Страница 14
… und was Mann dagegen tun kann
ОглавлениеWas also tun, wenn die Testosteronwerte im Alter zu niedrig werden? Da gibt es zunächst einmal eine gute Nachricht: Männer haben nämlich sehr viel mehr Möglichkeiten, ihre Hormonspiegel zu beeinflussen, als Frauen. Wohlgemerkt – wir sprechen hier über die Hormone selber, nicht über die hormonmangelbedingten Beschwerden.
Die mit Abstand wichtigste Maßnahme, seine Testosteronspiegel vor dem Absinken zu schützen, lautet: Vermeiden Sie Übergewicht. Beziehungsweise wird es in den meisten Fällen wohl eher darum gehen, Übergewicht zu reduzieren.
Warum aber ist Fettgewebe ein Testosteronkiller? Vor allem, weil sich dort ein spezielles Enzym befindet, nämlich die sogenannte Fettgewebsaromatase. Die hat eine ganz besondere Eigenschaft: Sie verstoffwechselt Testosteron zu Östrogen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Testosteron erfüllt viele seiner Wirkungen nicht selber, sondern über Metabolite (Zwischenprodukte bei Stoffwechselvorgängen), zu denen es umgewandelt wird. Das ist zum einen
>> das Dihydrotestosteron (DHT), eine Art Superandrogen, das deutlich stärker wirkt als das Testosteron und auch die Abnahme der Kopfhaare bewirkt, und zum anderen
>> das Östrogen, das zum Beispiel auf das Skelettsystem und das Gehirn Einfluss nimmt.
Wer sich bei den vorangegangenen Seiten über die Östrogenmangelkrankheiten Osteoporose und Demenz gefragt hat, warum daran vor allem Frauen erkranken, wo die Männer doch sehr viel weniger Östrogene produzieren – hier ist die Antwort. Männer wandeln einen Teil ihres Testosterons in Östrogen um und leiden daher im Alter deutlich weniger unter diesen Krankheiten. Ein 60-jähriger Mann verfügt im Allgemeinen über einen höheren Östrogenspiegel als eine 60-jährige Frau, die keine Hormonersatzpräparate einnimmt. Das ist sicherlich noch ein weiterer Aspekt für Frauen, über das Thema Hormonsubstitution nach den Wechseljahren noch einmal nachzudenken.
Doch zurück zur Fettgewebsaromatase. Die verstoffwechselt also das Testosteron zu Östrogen. Wir haben gesehen, dass dies für Männer unter dem Aspekt Alterserkrankungen durchaus nützlich ist. Ist das Fettgewebe allerdings allzu reichlich angelegt – und das ist ja leider bei nicht wenigen älteren Männern der Fall – dann ist eben auch die Fettgewebsaromatase übermäßig aktiv. Anders ausgedrückt: Das von den Hoden immer weniger produzierte Testosteron wird im Fettgewebe immer mehr in Östrogen verwandelt. PADAM klopft nachdrücklich an die Tür.
Gewichtsreduktion ist also der erste und wichtigste Schritt, wenn Männer das Ziel haben, das körpereigene Testosteron zu retten.11 Jeder Bauer weiß: Ein guter Hahn wird nicht fett. Endokrinologen können inzwischen erklären, warum das so ist.
Neben der Gewichtsreduktion kommt auch dem Sport eine besondere Bedeutung zu. Auch der hebt die Testosteronspiegel nachweisbar an. Allerdings tut das nicht jede Sportart in gleicher Weise. Kraftsport ist hier besonders effektiv. Wer Muskeln aktiviert, der stimuliert auch sein Testosteron. Wer eher Ausdauertraining bevorzugt, der sollte gezielt kurze Phasen maximaler Belastung (high intensity interval training – HIIT) einbauen. Es ist offensichtlich dieses Erreichen der Belastungsgrenze (beziehungsweise auch deren kurzes Überschreiten), das die Androgene besonders intensiv stimuliert. Reines Jogging über lange Strecken scheint dagegen für das Testosteron eher kontraproduktiv. Marathonlaufen mögen männliche Geschlechtshormone eher nicht so gerne.
Ein echter Lust- und Hormonkiller ist auch der Stress. Cortisol – das hauptsächliche Stresshormon – kann geradezu als ein direkter Gegenspieler des Testosterons angesehen werden. Ich werde darauf im folgenden Kapitel noch genauer eingehen. Für jetzt gilt: Neben der Reduktion von Übergewicht und dem Kraftsport sind Stressreduktion und ausreichender Schlaf die wichtigsten Maßnahmen, die wir Männer gezielt nutzen können, um unseren Androgenen etwas Gutes zu tun.
Bei der Ernährung wird der Effekt dagegen häufig überschätzt. Hyperkalorische Ernährung führt natürlich zu Übergewicht und sollte vermieden werden. Die Hoffnung, mit speziellen Lebensmitteln die männlichen Geschlechtshormone gezielt zu erhöhen, hat sich allerdings nicht erfüllt. Da gibt es zwar viele Empfehlungen. In wissenschaftlichen Studien konnte jedoch keines der pflanzlichen »Aphrodisiaka« seine Wirksamkeit unter Beweis stellen.12 Aber es gibt ja immer noch den Placeboeffekt. Und der ist, wenn es um die Sexualität geht, sogar ganz besonders ausgeprägt. Also nutzen Sie auch weiterhin die Spargelsaison intensiv. Zumindest kulinarisch führt das Gemüse ja tatsächlich zum Genuss.
Für eine Substanz konnten allerdings doch leicht positive Effekte nachgewiesen werden, nämlich Zink. Dieses Spurenelement fehlt uns häufig und ist bekanntermaßen von großer Bedeutung für das Immunsystem. Dass es sich auch positiv auf den Testosteronspiegel auswirkt, lässt sich mit dem Wissen, das wir inzwischen erworben haben, sogar schlüssig begründen. Zink ist nämlich ein sogenannter Aromatasehemmer. Anders ausgedrückt: Es hemmt genau jenes Enzym im Fettgewebe, das wir soeben als dasjenige identifiziert haben, welches Testosteron zu Östrogen weiterverstoffwechselt. Das Lebensmittel mit der höchsten Zinkkonzentration sind übrigens Austern. Casanova wusste definitiv, was er tat, wenn er vor jedem Liebesabenteuer erst einmal eine große Platte Austern verputzte.
Wenn es weder mit dem Abnehmen noch mit den Austern klappt, besteht natürlich auch die Möglichkeit, das fehlende Testosteron im Rahmen einer Hormonbehandlung zu ersetzen. Ähnlich wie das Östrogen bei Frauen lässt sich Testosteron recht elegant und individuell dosiert als Gel über die Haut zuführen. Eine andere Möglichkeit der Substitution besteht in Depotspritzen, die alle drei Monate verabreicht werden. Eine solche Therapieform gehört allerdings definitiv in die Hand eines Facharztes. Und immer gilt dabei der Grundsatz: Hormonersatz bedeutet die Wiederherstellung des normalen Hormonspiegels. Alles, was darüber hinausgeht, ist Doping.