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Wachstumshormon statt Muckibude – keine gute Idee

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Doping – eine gute Überleitung zu unserem nächsten Hormon. Es geht um das Wachstumshormon, englisch: Human Growth Hormone (HGH). Das heißt so, weil es in der Kindheit und Jugend tatsächlich für den allgemeinen Wachstumsprozess verantwortlich ist. Aber auch bei Erwachsenen kann es noch zum Wachstum beitragen, vor allem wenn es um die Muskulatur geht. In Bodybuilding-Studios wird HGH daher seit Langem illegal unter der Ladentheke gehandelt. Und wenn Action-Stars wie Arnold Schwarzenegger oder Silvester Stallone im gereiften Alter noch einmal für Terminator 5 oder Rambo 6 mit nacktem Oberkörper vor der Kamera stehen müssen, dann ist es auch kein Geheimnis, dass sie dem Muskelaufbau gerne einmal mit ein wenig Wachstumshormon nachhelfen. Oder sogar auch mit ziemlich viel.

Die Tatsache, dass HGH ein äußerst wirksames Anabolikum ist, steht außer Zweifel. Aber ist es damit auch ein Anti-Aging-Hormon? Aber hallo, lautete dazu die Antwort vor allem der amerikanischen Anti-Aging-Ärzte in den 1990er-Jahren. Die erklärten HGH sogar geschwind zum »Königshormon der Anti-Aging-Medizin«. Kliniken, die sich auf die Gabe von Wachstumshormon spezialisierten, sprossen wie Pilze aus dem Boden. Inzwischen hat sich die Begeisterung ziemlich gelegt. Zum einen ist die Therapie aufwendig und teuer. HGH ist – ähnlich wie Insulin – ein langkettiges Eiweißhormon. Das bedeutet: Es muss täglich unter die Haut gespritzt werden. Gelangt es in den Magen, so wird es wie jedes andere Eiweiß auch gnadenlos in seine Aminosäuren zerlegt. Sollte Ihnen also jemand »orales HGH« andrehen wollen, wissen Sie spätestens jetzt: Es handelt sich um einen Scharlatan.

Zum anderen ist der Spaß auch nicht ganz billig. Je nach benötigter Dosierung ist man mit einigen hundert Euro Monatskosten mit von der Partie. Schwerer noch als die Kosten wiegt allerdings ein anderes Argument: Auch wenn es natürlich ein schöner Effekt ist, wenn die Muskeln wachsen und das Fett weniger wird, eine Lebensverlängerung muss damit nicht unbedingt einhergehen. Auch hier hält zunächst einmal die Veterinärmedizin einige Beispiele parat. Wie überall in der Medizin experimentiert man auch in der Langlebigkeitsforschung gerne mit Mäusen. Ziel ist es, die »Methusalem-Maus« zu schaffen, also eine Maus, die länger als fünf Jahre lebt und damit ihre durchschnittliche Lebenszeit nahezu verdoppelt. Der Preis für diesen Rekord ist inzwischen vergeben. Gewinnerin ist eine sogenannte »Dwarf-Maus «, eine kleinwüchsige Variante der Hausmaus, der man künstlich die Rezeptoren für das Wachstumshormon blockiert hat.13 Außerdem entwickelten diese Mäuse weniger Alterskrankheiten. Das heißt, man braucht nicht unbedingt das Wachstumshormon für ein gesundes und langes Leben.

Von den wissenschaftlichen Forschungslaboren zum täglichen Leben: Auch da weiß zum Beispiel jeder Hundebesitzer, dass die Lebenserwartung seines vierbeinigen Lieblings vor allem von einem Faktor abhängt, nämlich von der Größe. Kleine Hunde erreichen mühelos ein Alter von 15 bis 18 Jahren. Sehr große Hunde, die deutlich mehr Wachstumshormon aufweisen, werden selten älter als zehn bis zwölf Jahre.

Und auch die aktuelle Anti-Aging-Forschung beim Menschen geht inzwischen andere Wege. Im Mittelpunkt stehen jetzt nicht mehr so sehr das Zellwachstum stimulierende Substanzen wie Testosteron oder HGH, welche den Körper in Richtung Wachstum treiben. Sehr viel effektiver, wenn es um das gesunde Altern geht, sind offenbar Substanzen, die dem Körper eher einen Energiemangel vortäuschen und statt Wachstums- eher Reparatur- und Regenerationsprozesse anregen. Zu solchen Substanzen gehören etwa die Sirtuine, die Ihnen im Kapitel »Nahrung fürs Köpfchen – Brainfood« (> bis >) noch begegnen werden.

Gute Gründe also, sich das mit den Wachstumshormonspritzen noch einmal zu überlegen. Dennoch gilt: Hormone sind natürlich nie nur gut oder nur schlecht. Wichtig ist, dass sie in der richtigen Konzentration und im richtigen Verhältnis zu anderen Hormonen vorhanden sind. Für das Wachstumshormon bedeutet das: Eine Zufuhr von außen ist wahrscheinlich wenig hilfreich. Die Anregung der körpereigenen Wachstumshormonsekretion ist aber durchaus sinnvoll, da man damit niemals in den »Dopingbereich« kommt.

Und auch da haben wir es wieder einmal weitgehend selbst in der Hand, auf dieses Hormon Einfluss zu nehmen. Zunächst einmal gilt: HGH ist ein Hormon mit einer ausgeprägten circadianen, also tageszeitabhängigen Rhythmik. Ausgeschüttet wird es von der Hirnanhangsdrüse vor allem nachts in der ersten Tiefschlafphase, also zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens. Wer da noch vor dem Computer sitzt oder im Club rumtanzt, schüttet definitiv wenig HGH aus. Schlaf ist also wichtig.

Sport auch. Das Wachstumshormon verhält sich da sehr ähnlich wie das Testosteron. Für die Praxis bedeutet das: Muskeltraining ist entscheidend. Beim Ausdauersport sollte man also ebenfalls kurze Phasen mit möglichst maximaler Belastung einbauen, wie etwa beim HIIT (siehe >).

Und noch etwas stimuliert die Produktion und Ausschüttung von Wachstumshormon nachhaltig: eine leichte Unterzuckerung. Die ist einer der wichtigsten Reize für die Hirnanhangsdrüse, unser körpereigenes Wachstumshormon rauszurücken. In der Endokrinologie beruht darauf im Übrigen der sogenannte funktionelle HGH-Belastungstest. Durch die Injektion von einigen Einheiten Insulin versetzt man den Körper in eine leichte Unterzuckerung und misst dann, wie als Reaktion darauf die Ausschüttung von HGH ansteigt. Das ist – wie gesagt – ein klassisches klinisches Testverfahren. So etwas sollten natürlich nur endokrinologisch geschulte Mediziner durchführen. Ein paar Einheiten Insulin zu viel und man landet im Koma.

Stellt sich also die Frage: Kann ich das auch trotzdem selbst gefahrlos für mich nutzbar machen? Das funktioniert in der Tat. Und zwar mit einer einfachen Maßnahme, die mein Wiener Kollege Prof. Johannes Huber schon seit vielen Jahren empfiehlt. Es handelt sich dabei um das sogenannte Dinner Cancelling. Im Prinzip ist es nichts anderes als das inzwischen unter dem Namen Intervallfasten bekannte Verfahren. Wichtig dabei ist allerdings, dass man nicht das morgendliche Frühstück sondern gezielt das Abendessen (Dinner) ausfallen lässt. Wenn ich ab 17 Uhr keine Kalorien mehr zu mir nehme, so erreiche ich den Punkt einer leichten Unterzuckerung exakt zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens. Und genau diese Phase haben wir ja als das Zeitfenster identifiziert, an dem die Hirnanhangsdrüse ihr Maximum an Wachstumshormon ausschüttet.

Zu den vielen positiven Effekten des Fastens (siehe dazu auch > und > bis >) gesellt sich also beim Dinner Cancelling noch ein weiterer: Wir beeinflussen gezielt die Produktion und Ausschüttung eines Hormons, das zwar seinen Nimbus als »Anti-Aging-Königshormon« eingebüßt hat, das aber dennoch weiterhin für einen gesunden Alterungsprozess von Bedeutung ist.

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