Читать книгу Coltreiter: Glorreiche Western Sammelband 9 Western - R. S. Stone - Страница 24

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Jim Burlington blickte die junge Frau gespannt an, als sie sich durch die Büsche zu ihm in die Lichtung zwängte.

„Du könntest mir ruhig ein bisschen helfen“, maulte Betty und strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn, die ihr von einem Zweig gelöst worden war.

Sie war keine Schönheit, aber sie hatte diesen eigenen Reiz, diesen leichten Hauch von Verworfenheit, der besonders Jim Burlington in Bann schlug. Betty war über dreißig, und da sie ein sehr ausschweifendes Leben geführt hatte, sah man es ihr an. Nur Jim schien es nicht zu bemerken. .

„Du bist spät gekommen“, sagte er, stand auf und kam ihr entgegen. Jim Burlington wirkte gegen die Frau wie ein Junge. Das wurde noch von seinem braunen Wuschelhaar unterstrichen und dem dürftigen Flaumbart, der in seinem Gesicht spross.

„Was hast du herausgefunden?“, fragte er.

Die schlanke Betty ließ sich auf Jims Sattel nieder und schlug sich mit der Hand den Staub aus ihrem dunklen Rock. Während sie einen Knopf an ihrer dunkelgrünen Bluse schloss, erwiderte sie, ohne aufzusehen: „Dein Vater ist unterwegs mit diesem Texas Ranger, der euch auf der Spur war. Aber der Alte, der mit ihm zusammen gewesen sein muss, ist in Greenplains geblieben.“ Sie blickte auf, lächelte und fuhr fort: „Und weißt du, was er dort macht?“

„Nun sag es schon!“, rief Jim.

„Er spielt dort den Sheriff“, erklärte sie, doch dann wurde sie jäh ernst. „Wir müssen natürlich aufpassen, zumal die Leute Wut auf Nevada Scotts Bande haben. Das ändert aber nichts daran, dass wir beide unser Ziel erreichen.“

„Ich habe diesen Kerl noch nie aus der Nähe gesehen, auch Tom Cadburn nicht. Nur von Kenwood und von Martin weiß ich, was das für Burschen sind“, erklärte Jim.

„Die kochen auch nur mit Wasser, also werden wir mit ihnen fertig.“

„Das ist eine Redensart von Nevada Scott“, entgegnete Jim. „Man sollte einen Gegner nicht für zu leicht befinden, sagte Kenwood immer - vielleicht hatte er recht.“

„Dieser Ranger ist jedenfalls zusammen mit deinem Vater in die Berge geritten.“

„Sag nicht immer mein Vater!“, fuhr er sie an. „Er ist nicht mein Vater.“

Sie sah ihn an, schüttelte den Kopf und erklärte: „Du musst nicht alles glauben, was dir Scott erzählt. Das hat er dir doch nur eingeredet. Natürlich ist er dein Vater.“

Jims Gesicht verzog sich wie im Hass.

„Das sagst du doch nur, weil du mit ihm geschlafen hast.“

Betty erschrak.

„Wie redest du mit mir? Was ist das für ein Quatsch? Wer hat dir das erzählt?“

„Die anderen haben es mir erzählt. Sie haben mir erzählt, dass du ein Verhältnis mit ihm hattest. Ein Verhältnis mit dem Sheriff.“

Sie lachte und machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Hör doch auf, solchen Quatsch zu erzählen. Ich bin ein bisschen um ihn herumscharwenzelt, natürlich, weil ich ein paar Informationen nötig hatte. Für Scott, für uns alle. Aber deswegen habe ich doch nicht mit ihm geschlafen.“

„Hast du wirklich nicht?“, fragte er eindringlich.

„Mein Gott, und wenn schon. Bin ich dir Rechenschaft schuldig?“

„Du hast gesagt, dass du mich liebst. Du hast es gesagt!“

„Natürlich habe ich es gesagt. Und es ist auch so. Aber du warst ja lange Zeit nicht da. Und außerdem wollte ich ja nur Informationen von ihm.“

„Also ist es wahr“, sagte er und starrte vor sich hin. Er hatte jetzt einen Stock in der Hand und malte Figuren in den Sand.

„Hör doch mit diesem Quatsch auf!“ Sie erhob sich, strich ihm zärtlich übers Haar. Aber eine Weile reagierte er gar nicht darauf. Plötzlich stieß er ihren Arm weg, sprang auf und fuhr sie an: „Wenn du mich betrügst, dann bringe ich dich um! Hast du verstanden? Dann bringe ich dich um!“ Sie strich ihm wieder mit der Hand über das Gesicht, lehnte sich an ihn. Und sie merkte ganz deutlich, dass die Berührung ihres Körpers an dem seinen ihn nicht kalt ließ.

„Ich liebe dich doch, du kleiner Narr. Nun gebärde dich nicht so wild. Ich gehöre dir ganz und gar. Glaub es mir!“ Und wie zum Zeichen, dass es ihr ernst war mit dem, was sie sagte, schlang sie ihre Arme um seinen Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. Das Feuer ihrer Leidenschaft riss ihn mit, ob er nun wollte oder nicht. Zwei Sekunden später konnte er nicht mehr anders. Er riss sie an sich und küsste sie so heftig, dass ihre Lippen aufsprangen. Erst wollte sie sich wehren, wollte sich von ihm lösen, aber das schien seine Erregung nur noch zu steigern. Und so gab sie ihm nach, auch dann, als seine Hände an ihrem Körper abwärts tasteten und ihre eigene Begierde gesteigert wurde. Sie gab sich ihm hin und ertrug es mit dem Wissen, dass sie damit sein Misstrauen verwischt hatte.

Ihm aber betäubte das körperliche Verlangen jede Überlegung. Mit einer alle anderen Gefühle auslöschenden Hingabe widmete er sich Betty.

Als es abklang und sie nebeneinander im Gras lagen, sagte Betty leise: „Glaubst du mir nun, dass ich dich liebe?“

„Ja, ich glaube dir“, entgegnete Jim, dann stützte er sich auf, lauschte und sagte: „Ist da nicht Hufschlag, ganz dumpf. Hörst du’s?“

„Sieh doch nach, wer es ist!“

Er kleidete sich hastig an und ging zu den Büschen und verschwand im Gestrüpp. Nach einer Weile kehrte er zurück, rannte zum Sattel und fingerte an der Satteltasche herum.

„Was ist denn?“

„Ich brauche das Fernglas, was mir Scott gegeben hat.“ Dann hatte er es schon und rannte zurück.

Unruhig geworden, ordnete Betty ihre Kleider und wollte schon zu ihm gehen, da kehrte er zurück. Sein Gesicht drückte deutlich aus, was in ihm vorging. Sie las in seiner Mimik wie in einem offenen Buch.

„Dein Vater?“, fragte sie.

„Mein Vater. Jedenfalls der Sheriff. Und er hat jemand bei sich. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es Barry.“

„Barry Martin? Der mit dir gekommen ist?“

„Ja, es ist Barry. Ich habe den Eindruck, ihm sind die Hände ans Sattelhorn gefesselt. Genau kann ich das nicht erkennen.“

„Da wird es ja Zeit, dass wir uns um den Sheriff kümmern. Von hier aus sind es nur noch fünf Meilen bis zur Stadt.“

„Das Dumme ist nur, es gibt keine Deckungsmöglichkeit. Er sieht uns schon von weitem“, erwiderte Jim.

„Trotzdem, wenn es stimmt, was du sagst, und Barry Martin ist sein Gefangener, darf er nicht bis zur Stadt kommen. Wir müssen sofort zugreifen. Hier draußen, nicht in der Stadt. Wenn er einen Gefangenen hat, wird es schwierig.“

„Aber wir können doch nicht an ihn heran. Er wird uns beizeiten sehen.“

Sie legte den Finger ans Kinn, grübelte einen Augenblick lang und sagte: „Nicht, wie du denkst. Ich decke dich hier. Ich werde mich zeigen, er soll mich sehen. Und du wirst erleben, dass er hier herüberkommt. Ja, ich locke ihn hierher.“

„Und dann? Glaubst du, ich kann ihn umlegen? Auch wenn er nicht mein Vater ist?“

„Natürlich ist er dein Vater“, widersprach sie. „Und du sollst ihn auch nicht umlegen. Hör doch auf, solchen Blödsinn zu reden! Wir werden ihm Barry abnehmen, weiter nichts.“

„Das wird er nicht zulassen. Es muss ja zu einer Schießerei kommen. Verdammt noch mal, das möchte ich nicht! Immerhin habe ich mein ganzes Leben bisher, von den letzten Monaten abgesehen, bei ihm verbracht. Ich kann doch nicht ...“

„Wer sagt denn so was?“, erwiderte sie mit nachsichtigem Lächeln. „Lass mich machen! Versteck dich!“ Sie zwängte sich zwischen den Büschen die schmale Gasse entlang, bis sie aus dem Gestrüpp heraus war und die freie Prärie vor sich hatte. Da entdeckte sie in der Ferne die beiden Reiter. Sie waren so weit, dass sie schon fürchtete, von den beiden gar nicht bemerkt zu werden. Ihr fiel ein, dass Jim den Sheriff und dessen Gefangenen durchs Fernrohr beobachtet hatte. Vielleicht, dachte sie, sehen die mich gar nicht. Sie winkte, sie schrie, und kurze Zeit schien es tatsächlich so, als würde sie nicht bemerkt. Doch dann hielten die beiden Reiter an und hatten offensichtlich Betty entdeckt. Sie schwenkten ein und kamen herüber in Bettys Richtung.

Betty winkte immer noch. Sie benutzte ihr Halstuch, damit man sie besser sehen konnte.

Die Reiter kamen rasch. Jetzt konnte sie mit bloßen Augen die Gestalten der Männer erkennen. Breitschultrig und kräftig der Sheriff, neben ihm hager der Gefangene.

Sie kannte Barry Martin nur flüchtig. Aber schon bei seiner Ankunft zusammen mit Jim und Kenwood war er ihr aufgefallen. Er gefiel ihr.

Während sich die Reiter weiter näherten, musste sie an ihr Verhältnis zu Jim denken. Dieser Junge, sagte sie sich, ist nicht mehr als ein Spass. Er ist so fanatisch, er glaubt wirklich, dass ich ihn liebe. Dabei ist er noch so grün. Er muss erst noch ein Mann werden. Sein Vater dagegen ... Ihre Gedanken schweiften kurz zu der Zeit, da sie sich mit Hank Burlington, auf Nevada Scotts Geheiß, amüsiert hatte. Ausnahmsweise war dies ein Auftrag gewesen, den sie mit allergrößtem Vergnügen erfüllte, so sehr, dass ihr die Trennung von Nevada Scott überhaupt nicht schwerfiel. Im Gegenteil.

Jetzt aber blickte sie aus schmalen Augen auf Barry Martin. Hank Burlington sah sie nur kurz an. Das, was einmal gewesen war, hatte keine Bedeutung mehr für sie. Und sie ahnte nicht, dass ihr Schicksal mit dem von Hank Burlington aufs Engste verknüpft sein sollte.

Hank Burlington war jetzt nahe genug, zügelte zehn Schritt von Betty entfernt sein Pferd und fragte rau: „Wo hast du ihn? Du bist doch nicht allein hier.“

Betty musterte Barry Martin, der seinerseits Betty prüfend ansah. Ohne Burlington anzublicken, entgegnete Betty: „Er ist in der Nähe. Was bekomme ich denn von dir, wenn ich ihn dir gebe?“

„Du mir gibst?“ Hank Burlington lachte rau. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mir was zu geben hast, was ich mir nicht nehmen kann.“

„Es hat Zeiten gegeben, da hast du netter zu mir gesprochen als jetzt.“

„Ich wüsste nicht, welche Zeiten das sein sollten“, bellte sie Burlington an.

„Du hast wirklich ein schlechtes Gedächtnis. Ich kann begreifen, dass es keine Frau bei dir aushält.“

„Werde nur nicht frech“, schnauzte sie Burlington an. „Solche Flittchen wie dich habe ich immer noch kleinbekommen.“

„Ich bin höchstens dein Flittchen gewesen, wenn ich an die Anträge denke, die du mir gemacht hast.“

Plötzlich raschelte es hinten in den Sträuchern, und es trat das ein, was Betty befürchtete. Jim war nicht auf der Lichtung geblieben. Sie sah es schon an der Blickrichtung Burlingtons und auch an der von Barry Martin. Sie schauten beide an ihr vorbei. Da irgendwo hinten schien Jim aufgetaucht zu sein.

„Na ja, da bist du schon“, meinte Burlington. „Und wie geht es weiter? Willst du den Banditenhäuptling spielen? Oder wie hast du es dir vorgestellt?“

Betty blickte sich um und sah Jim. Er stand mit verschränkten Armen breitbeinig da mit einer herausfordernden Haltung. Auf dem Gesicht ein verächtliches Lächeln, ganz der Bursche, der sich nicht vor Tod und Teufel fürchtet.

„Ich bin da“, sagte er, „und dafür, dass du sie ein Flittchen nennst, werde ich dich zur Rechenschaft ziehen.“

„Hoho“, machte Hank Burlington und fuhr fort: „Was sind das für große Worte. Wo hast du denn das her? Zur Rechenschaft ziehen! Du Rotzjunge ziehst mich doch nicht zur Rechenschaft. Was willst du mir denn erzählen? Willst du sie etwa beschützen?“

„Genau das werde ich. Und wenn du zehnmal behauptest, mein Vater zu sein. Sie behauptet das ja auch. Aber Scott sagt etwas anderes.“

„Was mir dein Scott erzählt oder was er dir sagt, das interessiert mich nicht. Du bist mein Sohn, und das ist auch mein Problem. Mir wäre lieber, du wärst der Sohn von sonst wem. Da würde ich dich jetzt schnappen und einlochen.“

„Versuch mich doch zu schnappen! Glaubst du, dass es dir gelingt?“

„Du könntest mich kaum daran hindern“, erwiderte Hank Burlington. „Und was dieses Flittchen angeht ...“

„Du sollst sie nicht Flittchen nennen, sie ist kein Flittchen! Wenn du es noch einmal sagst, dann schieße ich auf dich. Und wenn du zehnmal mein Vater sein willst.“

Hank Burlington lachte polternd. Sogar Barry Martin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was weißt du von diesem Mädchen?“, erklärte Hank Burlington.

„Ich werde sie heiraten. Sie wird meine Frau. Ob du da noch Sheriff bist oder nicht. Ob es dich noch gibt oder nicht. Das ist mir gleichgültig.“

„Sie wird deine Frau?“ Hank Burlington lachte schallend. „Dieses Drei-Cent-Liebchen wird deine Frau werden? Das ist ja nicht zum Aushalten. Mein Gott, dann frage sie mal, mit wem sie alles geschlafen hat!“

„Mit dir schon mal nicht!“, schrie Jim.

„Mit mir nicht?“ Hank Burlington lachte noch lauter. „Hat sie dir das erzählt? Was hat sie dir denn noch für Märchen vorgegaukelt?“

Jim wandte sich von seinem Vater ab und starrte Betty an.

„Sag ihm, dass er lügt!“, fauchte er sie an. „Sag es ihm!“

Betty glaubte die Männer zu kennen. Aber die Warnung, die aus Jims Blick sprach, übersah sie. Und statt die Gefahr richtig einzuschätzen, lachte sie schrill auf und rief: „Na und? Bin ich dir vielleicht Rechenschaft schuldig? Mich heiraten. Ich will nicht, dass du mein Mann wirst. Weder du noch ein anderer. Und er schon gar nicht!“ Sie deutete auf Hank Burlington. „Keiner von euch Narren.“

„Da siehst du, was sie für eine ist“, sagte Hank Burlington. „Und du Idiot lässt dich von ihr einwickeln. Heiraten! Was für große Worte.“

Jim Burlington war bei Bettys Worten dunkel im Gesicht angelaufen. Seine Augen wurden schmal. Er presste die Lippen zusammen. Sein Atem ging flach, aber er sprach kein Wort.

„Nimm es nicht so wichtig, Junge! Das Beste ist, du besinnst dich und reitest mit mir. Irgendwie deichseln wir die Geschichte wieder, und alles kommt ins Lot.“

Jim hörte gar nicht hin. Er starrte nur Betty an. Seine Nasenflügel blähten sich, und er atmete heftig. Noch immer schwieg er.

Auch jetzt ahnte Betty nichts von der Gefahr, obgleich sie nicht mehr zu übersehen war.

„Ja, nimm ihn dir, deinen Liebling, und zieh damit ab! Das fehlte noch. Du kannst ja dafür Barry freilassen. Gleich kommt Jim mit. Dann ist er wieder bei seinem geliebten Daddy.“

„Nun hör aber auf! Du brauchst ihn nicht bis zur Weißglut zu reizen“, sagte Barry Martin und mischte sich zum ersten Mal in dieses Gespräch. Er wandte sich an den Sheriff und fragte: „Was hältst du davon, mich freizulassen und ihn mitzunehmen?“

Da schien Jim aus seiner Erstarrung zu erwachen.

„Mitnehmen? Mich nimmt keiner mit. Keiner! Und dieser Kerl schon gar nicht. Mit ihr geschlafen hast du also. Ein Verhältnis mit ihr gehabt, nicht wahr? Also gut, du sollst sie haben. Du sollst sie für immer haben.“

Jim Burlington hatte die Arme verschränkt. Und was sein Vater, was niemand sehen konnte, unter diesen Armen versteckt hielt er einen Revolver. Der zeigte sich jetzt, und die Mündung war auf Hank Burlington gerichtet. Er schoss. Und Hank Burlington, der immer als schneller Schütze gegolten hatte, saß wie erstarrt im Sattel. Zu keiner Bewegung fähig. Er brachte es einfach nicht fertig, zum Revolver zu greifen, um sich gegen den eigenen Sohn zu verteidigen. Der Schuss brüllte auf. Hank Burlington spürte nur noch diesen Stich in der Herzgegend. Dann schien sich die ganze Erde um ihn zu drehen. Ihm war, als befände er sich in einer rasenden Spirale, die ihn wie ein Sog hinabzog in die schwarze Finsternis.

Als er vom Pferde stürzte und auf den Boden schlug, da spürte er schon nichts mehr davon. Und er hörte auch nicht den zweiten Schuss.

„Nein!“, schrie Betty noch gellend, als sie sah, wie die Mündung des Revolvers herumzuckte, wie diese Feuerblume aufblühte, die von so tödlicher Schönheit war. Der, dem sie galt, sah sie am größten und schönsten. Er blickte genau in ihre Mitte hinein. Und wenn er sie ansah, dann war es oft auch das Letzte, was er in diesem Leben erkennen konnte. Eine große Feuerblume von bizarrer Schönheit war auch der letzte Eindruck, den Betty mit hinüber ins Jenseits nahm. In die Stirn getroffen, brach sie zusammen und schlug aufs Gesicht.

Barry Martin, dessen Hände ans Sattelhorn gefesselt waren, sah aus weit aufgerissenen Augen entsetzt auf den Jungen. Er versuchte vergeblich seine Hände zu befreien, rechnete damit, ebenfalls erschossen zu werden. Aber zu seiner großen Erleichterung steckte Jim den Revolver in den Hosenbund und ging auf Betty zu. Er kniete neben sie, wälzte sie auf den Rücken und blickte ihr in das blutverschmierte Gesicht. Dann stand er wieder auf, ohne nur das geringste Zeichen von innerem Mitgefühl zu erkennen zu geben, trat neben das Pferd, das neben dem toten Sheriff stehengeblieben war und nur eine leichte Unruhe zeigte und mit den Hufen scharrte. Mit der Fußspitze stieß er den Körper seines Vaters herum, sah auch auf ihn herab und wandte sich dann ab, als ginge ihn das alles nichts mehr an.

„Nun schneide mir doch die Fesseln durch!“, rief ihm Barry nach.

Jim wandte sich um, kam wie ein Schlafwandler auf Barry zu, zog sein Messer aus dem Stiefelschaft und zerschnitt die Fesseln. Ohne ein Wort zu verlieren, wandte er sich wieder ab, steckte das Messer in die Scheide und sagte: „Ich hole mein Pferd, dann können wir reiten.“

Barry Martin war ein abgebrühter Bursche. Aber irgendwie gab es auch für ihn eine Grenze, wo das Bösartige aufhörte und das Gute begann.

„Wir müssen sie begraben, das ist das Mindeste, was wir tun. Oder wir schaffen sie in die Stadt, damit andere sie beerdigen.“

„Glaubst du? Was gehen sie mich an? Sie haben miteinander geschlafen, sollen sie zusehen, wer sie unter die Erde bringt. Ich nicht.“

„Aber Junge, das kannst du doch nicht machen.“

Jim fuhr herum.

„Merke dir eines, Barry Martin, ich bin nicht dein Junge! Und was ich machen kann, das wirst du schon sehen. Du brauchst nicht mit mir zu kommen, du kannst dich von mir aus sonst wohin scheren. Aber wenn du mit mir reitest, dann sage nie wieder Junge zu mir. Sonst sollst du mich kennenlernen.“

„Reiß lieber dein Maul nicht so weit auf! Die Tatsache, dass du jetzt einen Revolver hast, macht dich nicht groß. Sie macht dich nur vorübergehend überlegen, vergiss das nicht!“

Jim blieb stehen.

„Ach, so meinst du das? Ja, das müssen wir ändern. Da wollen wir doch gleich mal reinen Tisch machen.“

Barry Martin hätte seine Worte am liebsten zurückgeholt. Aber es war zu spät. Denn nun hatte Jim abermals den Revolver in der Hand und schoss. Er schoss auf Barry Martin hintereinander. Zwei Schüsse trafen den Mann. Dann bäumte sich das Pferd auf. Und Jim traf auch das Pferd. Als er den Revolver leergeschossen hatte, nahm er den anderen, der im Holster steckte. Er erschoss das Pferd, und er traf noch einmal den Mann, der mit seinem Pferd zu Boden stürzte.

Ohne sich noch um Barry Martin zu kümmern, ohne nachzusehen, ob der noch lebte, drehte sich Jim um und ging zur Lichtung zurück. Dort standen die Pferde von Betty und ihm.

Es kümmerte ihn nicht, dass des Sheriffs Tier nun ebenfalls in wilder Panik davonpreschte und in die Prärie hinaus galoppierte. Als er auf der Lichtung stand, sattelte er die Pferde auf, band den Zügel von Bettys Tier an das Sattelhorn von seinem Schecken und ritt an.

Die Tiere scheuten, weil sie das Blut witterten.

Der von vier Schüssen getroffene Barry Martin war nicht tot. Als Jim an ihm vorbeiritt, ächzte der Schwerverwundete: „Jim ... Jim, du kannst doch ... du kannst mich doch nicht liegenlassen ...“

Jim sah ihn nicht einmal an. Er ritt an Barry vorbei, trieb die Pferde an und galoppierte mit ihnen in nordwestliche Richtung davon.


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