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2 Die neue Ordnung der Geschlechter

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Die Menschen haben zweitausend Jahre gebraucht, um die Schreckensbotschaft „all men are equal“ in ihren Konsequenzen auch nur zu erahnen. Noch nicht einmal eine historische Sekunde lang, nämlich zwei Jahrzehnte, beginnt ihnen die noch völlig unabsehbare Katastrophe zu dämmern: „and women are equal too“!175

Was Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim hier so schön auf den Begriff bringen, meint schlicht: In unserer Gesellschaft herrscht eine neue Ordnung der Geschlechter, und nichts ist hier mehr so, wie es noch vor kurzem war.

Die neue Lage ist ebenso einfach zu beschreiben wie komplex in ihren Ursachen und völlig unübersehbar, und dies im doppelten Sinn des Wortes: unüberblickbar und (eigentlich) nicht zu übersehen. Festzuhalten ist dabei zuallererst: Männer und Frauen werden gegenwärtig „freigesetzt aus den zur Natur verklärten ständischen Schalen des Geschlechts“176. Das klingt einfach, ist aber schlicht eine Revolution. Diese kulturelle Revolution, in ihren Auswirkungen wohl nur vergleichbar mit der Freisetzung aus den ständischen Gehäusen der vormodernen Gesellschaftsordnung, führt zu nichts weniger als einer völligen „Neuchoreographie der Geschlechter“177. Diese aber betrifft nun einmal so ziemlich jede und, wenn es auch noch nicht alle wahrhaben wollen, jeden.

Die neue Ordnung der Geschlechter ist vor allem nicht (mehr) nur ein intellektuelles und daher marginalisierbares politisches Phänomen, wie es die sogenannte Erste Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts weitgehend war, als es um die politische Forderung nach gleichen Rechten für Frauen, vor allem Wahl- und Bildungsrechten, ging. Sie ist vielmehr ein umfassendes (psycho-)soziales Phänomen geworden.

Die Alltagswirklichkeit und eben nicht nur das Selbstverständnis der halben Menschheit haben sich seit einigen Jahrzehnten dramatisch verändert. Diese dürfte auf lange Sicht die einschneidendste kulturelle Veränderung westlicher Gesellschaften in den letzten fünfzig Jahren darstellen, vergleichbar im 20. Jahrhundert höchstens mit der ungefähr gleichzeitig stattfindenden medialen und ökonomischen Globalisierung. Die Revolution der Geschlechterverhältnisse hat stattgefunden. Ihr entscheidender Durchbruch aber gelang ihr in der Neugestaltung von Frauenbiografien.

Am augenfälligsten ist dieser Durchbruch darstellbar an den Zahlen der Bildungsintegration von Frauen. Bildung stellt in unserer Gesellschaft den zentralen Mechanismus der Statuseinweisung dar. Über Bildungsqualifikationen erreicht man in der Regel aus eigener Kraft gesellschaftlich statushohe Positionen. Frauen waren aber bis vor wenigen Jahrzehnten in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit beinahe völlig von allen Bildungschancen und so ziemlich gänzlich von wissenschaftlichen Qualifizierungschancen abgeschnitten. In der Breite ist der Zugang zu gleichen Bildungschancen in Österreich und auch in Deutschland erst ein Ergebnis der Bildungsreformen der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Es legen in Deutschland wie Österreich mehr Frauen das Abitur bzw die Matura ab als Männer und sie stellen auch bei jenen, die ein Studium beginnen die Mehrheit und in Österreich auch schon unter den Studierenden überhaupt.

Als Frauen rechtlich und zunehmend auch real den gleichberechtigten Zugang zu den Bildungsressourcen der Gesellschaft und damit zu Positionen mit eigenständigen Einkommens- und damit Selbsterhaltungschancen bekamen, erreichten sie, wovon die übergroße Mehrheit ihrer Mütter und Großmütter nur träumen konnte: die Möglichkeit zur Befreiung von der Zwangskopplung an Männerbiographien. Diese Befreiung von der ökonomischen Abhängigkeit vom Mann bildet den ebenso nüchternen wie in seinen Konsequenzen für die konkreten Partnerschaftsverhältnisse ausgesprochen „heißen“ Kern der neuen Geschlechterordnung. Denn damit gelang der entscheidende Durchbruch.

Die fundamentale Neuordnung der Geschlechterverhältnisse zieht tiefgreifende kulturell-gesellschaftliche wie politische Veränderungen nach sich. Partnerschafts- und Eltern-Kind-Verhältnisse, Arbeits-, Wohn- und eben auch und vor allem Wahrnehmungsverhältnisse sowie emotionale und soziale Strukturen werden in diesem Wandel völlig neu arrangiert. Und damit auch die religiösen Verhältnisse.

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