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1935 – 1970 – 2009 Ursprünge, Aufstieg und Scheitern der „Gemeindetheologie“ als Basiskonzept pastoraler Organisation der katholischen Kirche 1 Gemeindetheologie: Definition und Charakteristika
ОглавлениеDie katholische Kirche Deutschlands – und in anderer Form auch die evangelische – bewegt seit einiger Zeit kaum etwas mehr als der ressourcenbedingte Umbau ihrer pastoralen Basisstruktur. Die Konfliktlinie verläuft dabei im Wesentlichen zwischen den Anhängern der „Gemeindetheologie“ und den Pastoralplanern der Seelsorgeämter, die, so jedenfalls im katholischen Bereich, die wenigen verbliebenen Priester auf einer höheren Ebene des kirchlichen Stellenkegels ansiedeln müssen und daher das lange propagierte Idealbild einer um den Pfarrpriester gescharten, überschaubaren, lokal umschriebenen, kommunikativ verdichteten Glaubensgemeinschaft auflösen.194
So lange freilich existiert dieses gemeindliche Idealbild kirchlicher Basisorganisation im katholischen – und übrigens auch im evangelischen – Bereich noch gar nicht. Dessen Aufstieg ab 1970, sein Anfang in den 1930er Jahren, die Modifikationen, die es dabei durchmachte sowie die aktuelle Lage der Gemeindetheologie im Bereich der deutschsprachigen katholischen Kirche sollen im Folgenden nachgezeichnet werden. Es geht dabei primär um eine diskursive, nicht um eine soziale Größe, wenn auch der pastoraltheologische Diskurs seit Maria Theresias Gründungszeiten des Faches nicht mehr so erfolgreich gewesen sein dürfte wie bei der realen Durchsetzung der Gemeindetheologie als quasi selbstverständliche Normalform kirchlicher Basisverfassung.
Gemeindetheologie meint dabei das, was Petro Müller, einer ihrer vehementesten Verteidiger, mit Blick auf ein prominentes Beispiel der Nachkonzilszeit, die Wiener „Machstraße“, in den programmatischen Satz zusammenfasst: „Überschaubare Gemeinschaften mündiger Christen sollten die anonymen Pfarrstrukturen aufbrechen und an ihre Stelle treten.“195 Zentrale Bezugsgröße der Kirchenmitgliedschaft ist in der Gemeindetheologie nicht mehr, wie eigentlich katholisch programmatisch üblich und in der Pianischen Epoche auch sozial weitgehend realisiert, die römisch-katholische Gesamtkirche mit dem Papst an der Spitze, sondern der überschaubare Nahraum einer kommunikativ verdichteten, letztlich nach dem Modell einer schicksalhaft verbundenen Großfamilie gedachten „Gemeinde“.