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ALLES IST ZAHL: PYTHAGORAS

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Lukians satirischer Dialog auf dem Markt der philosophischen Möglichkeiten beginnt mit einem kurzen Vorgespräch zwischen den Göttern Zeus und Hermes:

(1) Zeus: Bereite das Podium vor und mach den Platz für die Besucher frei! Die Philosophen sollen sich der Reihe nach aufstellen, aber sich vorher noch anständig anziehen, damit sie gut aussehen und möglichst viele Käufer anlocken. Du, Hermes, betätige dich als Ausrufer und lass die Leute herkommen!
Hermes: Mit dem Segen des Himmels sollen die Käufer jetzt auf den Platz strömen! Wir werden Philosophen jeder weltanschaulichen Richtung zum Verkauf ausrufen. Wenn aber jemand kein Geld dabei hat, um bar zu zahlen, dann soll er eine Sicherheit hinterlegen und die Rechnung nächstes Jahr begleichen.
Z.: Es sind schon ganz viele Leute da. Darum dürfen wir keine Zeit verlieren und die Käufer nicht weiter hinhalten. Wir wollen also mit dem Verkauf beginnen.
(2) H.: Wen soll ich zuerst vorführen?
Z.: Den Kerl da mit den langen Haaren, den Ionier. Er sieht nämlich ganz gut aus.
H.: Du da, du Jünger des Pythagoras, tritt vor und lass dich von den versammelten Leuten ansehen!
Z.: Biete ihn an!
H.: Ich verkaufe euch hier den besten und würdigsten aller philosophischen Entwürfe. Wer will kaufen? Wer will mehr sein als ein Mensch? Wer will die Harmonie des Alls begreifen und wiedergeboren werden?
Käufer: Der Mann macht zwar einen ordentlichen Eindruck. Aber was kann er besonders gut?
H.: Arithmetik, Astronomie, Scharlatanerie, Geometrie, Musik, Quacksalberei. Einen erstklassigen Weissager hast du hier vor Augen.
K.: Darf ich ihn etwas fragen?
H.: Frag ihn ruhig!
(3) K.: Woher kommst du?
Pythagoreer: Von der Insel Samos.
K.: Wo hast du studiert?
Py.: In Ägypten bei den dortigen Weisen.
K.: Nun gut. Was wirst du mir beibringen, wenn ich dich kaufe?
Py.: Ich werde dir nichts beibringen, sondern dich nur erinnern.
K.: Wie wirst du das anstellen?
Py.: Zuerst werde ich deine Seele reinigen und sie von ihrem Schmutz befreien.
K.: Stell dir einmal vor, dass ich schon sauber bin, wie wirst du dann vorgehen, um meine Erinnerung in Gang zu bringen?
Py.: Zuerst herrscht Stille, und fünf Jahre lang ist Schweigen angesagt.
K.: Mein Bester, du hättest den stummen Sohn des Kroisos unterrichten sollen! Denn ich rede gern und will keine Bildsäule sein. Aber – was kommt nach dem Schweigen und nach den fünf Jahren Sprachlosigkeit?
Py.: Du wirst in Musik und Geometrie unterwiesen.
K.: Das ist ja toll, wenn ich zuerst lernen muss zu fiedeln, um Philosoph zu werden!
(4) Py.: Du musst außerdem zählen lernen.
K.: Aber ich kann doch auch jetzt schon zählen.
Py.: Wie zählst du denn?
K.: Eins, zwei, drei, vier...
Py.: Pass auf! Was du für die Vier hältst, ist in Wahrheit die Zehn und ein vollkommenes (gleichseitiges) Dreieck und zugleich unser Amtseid.
K.: Bei eurem höchsten Eid, bei der Vier also, schwöre ich, noch nie göttlichere und heiligere Worte gehört zu haben!
Py.: Dann, mein Freund, wirst du erfahren, wie Erde, Luft, Wasser und Feuer ineinanderfließen, welche Gestalt sie haben und wie sie sich bewegen.
K.: Haben denn überhaupt Feuer, Luft oder Wasser eine Gestalt?
Py.: Ja gewiss, eine ganz deutliche Gestalt. Denn nichts bewegt sich ohne Gestalt und Form. Und außerdem wirst du erfahren, dass Gott Zahl, Geist und Harmonie ist.
K.: Das ist ja großartig.
(5) Py.: Abgesehen von den erwähnten Erkenntnissen wirst du erfahren, dass du, der du glaubst, eine bestimmte einzelne Person zu sein, in Wirklichkeit ein anderer bist.
K.: Wie soll denn das gehen? Ich bin ein anderer und nicht derjenige, der jetzt mit dir spricht?
Py.: Jetzt bist du, der du bist. Du musst dir aber vorstellen, dass du früher in einem anderen Körper stecktest und einen anderen Namen trugst. Bald wirst du wieder in einen anderen Körper wandern.
K.: Meinst du damit, dass ich unsterblich sein werde, wenn ich mehrere verschiedene Gestalten annehme? Doch das reicht jetzt.
(6) Wie steht es mit deiner Lebensweise?
Py.: Ich esse überhaupt nichts, was eine Seele hat, sonst aber alles andere – außer Bohnen.
K.: Warum denn das? Oder magst du einfach keine Bohnen?
Py.: Darum geht es nicht. Sie sind vielmehr heilig und ein Wunder der Natur. Denn erstens entsprechen sie ganz und gar der Anatomie des Menschen: Wenn man eine Bohne aufschneidet, solange sie noch grün ist, wird man sehen, dass ihre Struktur dem Inneren eines Menschen entspricht. Wenn man sie aber kocht und einige Nächte lang dem Mondlicht aussetzt, kann man Blut aus ihr gewinnen. Aber noch wichtiger ist es, dass die Athener ihre öffentlichen Ämter mit Hilfe von Bohnen auslosen.
K.: Du hast das alles sehr schön und würdevoll erklärt. Doch jetzt zieh dich aus, denn ich will dich nackt sehen. (Etwas später) Um Gottes willen, seine Hüfte ist ja aus Gold! Er scheint mir ein Gott und kein Mensch zu sein! Darum werde ich ihn auf jeden Fall kaufen. (Zu Hermes) Was verlangst du für ihn?
H.: Zehn Minen.
K.: Dafür nehme ich ihn.
Z.: (Zu Hermes) Schreib den Namen des Käufers auf und woher er kommt.
H.: Er stammt anscheinend aus Italien, mein Zeus, aus der Umgebung von Kroton, Tarent oder irgendeiner anderen griechischen Kolonie dort. Allerdings ist er nicht der einzige Käufer. Es haben ungefähr dreihundert Leute gleichzeitig für ihn geboten.
Z.: Gut. Sie sollen ihn mitnehmen. Den Nächsten bitte!

Das war das erste Angebot der Verkaufsaktion. Jetzt sind einige seriöse Informationen nachzuliefern, die den fiktiven Verkauf zweifellos rechtfertigen. Danach werden die Vorgänge auf dem Markt wieder in den Vordergrund treten.

Heureka!

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