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PYTHAGORAS: DIE WELT IST EIN KOSMOS

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In Platons Gorgias (507e) erinnert Sokrates den Sophisten Kallikles an die Überzeugung der alten Pythagoreer, dass Gemeinschaft, Freundschaft, Ordnung, Besonnenheit und Gerechtigkeit Himmel und Erde, Götter und Menschen zusammenhalten. Deshalb heißt auch das Ganze „Kosmos“ . Weil die weisen Pythagoreer, lieber Kallikles, der Ansicht sind, dass Himmel und Erde, Götter und Menschen von Freundschaft, Anständigkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit zusammengehalten werden, bezeichnen sie die ganze Welt, mein Freund, auch als Kosmos und nicht als Durcheinander oder Regellosigkeit. Du jedoch – so Sokrates zu Kallikles – hast das ganz vergessen, und es ist dir entgangen, dass Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit, d. h. die geometrische (und nicht die arithmetische) Gerechtigkeit, auch unter Göttern und Menschen gelten. Du meinst vielmehr, mit allen Mitteln Überlegenheit erreichen zu müssen, indem du die Verhältnismäßigkeit (Proportionalität) vernachlässigst.

Aristoteles befasst sich übrigens später in seiner Nikomachischen Ethik (5, 7) mit dieser proportionalen (geometrischen) Gerechtigkeit, bei der es nicht um Gleichheit, sondern um Angemessenheit geht.

In seiner Jugend soll Pythagoras noch die Philosophen Thales und Anaximander gehört haben. Wegen der Tyrannenherrschaft des Polykrates muss er die Insel Samos im Alter von vierzig Jahren verlassen. Er gründet in Kroton, einer Stadt in Unteritalien, eine philosophische Gemeinschaft, die einerseits das Verständnis der menschlichen Natur zu einer ihrer Hauptaufgaben erhebt und andererseits eine besondere ethischreligiöse Form der Lebensführung entwickelt, für die Pythagoras – wie Platon (Politeia 10, 600a-b) sagt – besonders verehrt wurde. In der pythagoreischen Gemeinschaft sollen die von Pythagoras aufgestellten Lebensregeln auch in die Praxis umgesetzt werden. Dazu gehören aber auch die Mitwirkung am politischen Geschehen und die Verfolgung entsprechender Interessen.

Die Grundlagen dieser Lebensauffassung werden nicht erst von Pythagoras entwickelt. Bemerkenswert bleiben aber die Macht seiner Persönlichkeit, sein Charisma, seine Überzeugungskraft und sein Durchsetzungsvermögen. Sein Vorbild muss so wirksam gewesen sein, dass er schon zu Lebzeiten von seinen Anhängern wie ein Gott verehrt wurde.

Empedokles (VS 31 B 129), selbst ein Anhänger des Pythagoras, sagt über ihn:

Es gab unter den Pythagoreern einen unendlich klugen und gebildeten Mann, der nun einmal den größten Reichtum an vernünftigen Gedanken besaß und vielerlei kluge Fähigkeiten ganz besonders gut beherrschte. Denn wenn er sich mit all seinen geistigen Kräften reckte, dann war ihm ganz leicht jede Einzelheit aus seinen zehn oder zwanzig Menschenleben gegenwärtig.

Eine Gegenposition vertritt Heraklit (VS 22 B 40), indem er Pythagoras Vielwisserei (Polymathie) vorwirft. An anderer Stelle (B 81) bezeichnet er ihn sogar als den Urvater aller Schwindler. Dieses Urteil stützt sich nicht nur auf Berichte über vermeintliche Wundertaten des Pythagoras, sondern ist vielleicht auch auf Konkurrenzneid gegenüber einem ernst zu nehmenden philosophischen Gegner zurückzuführen.

Man erzählt, er habe auch Reisen in die Unterwelt unternommen. Einmal habe er nach langer Abwesenheit in der Volksversammlung glaubhaft berichtet, er sei gerade – fast bis zum Skelett abgemagert – aus dem Hades zurückgekehrt (D. L. 8, 41). Aus Ovids Metamorphosen (15, 160 ff.) und vielen anderen Berichten ist zu entnehmen, dass Pythagoras sich daran erinnerte, im troïschen Krieg Euphorbos, der Sohn des Panthoos, gewesen und von der Lanze des Menelaos durchbohrt worden zu sein.

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