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PHILOSOPHISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS

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In seiner von Platon literarisch gestalteten Verteidigungsrede vor einem athenischen Gericht beschreibt Sokrates seine philosophische Tätigkeit. Er habe sein Leben lang eine ihm von Gott auferlegte Pflicht erfüllt: nach der Wahrheit zu suchen und sich selbst und andere zu prüfen und infrage zu stellen (Platon, Apologie 28e). Dieser Aufgabe durfte er sich auch unter Lebensgefahr nicht entziehen.

Den Tod zu fürchten, ist wirklich nichts anderes als zu glauben, man sei weise, ohne es zu sein. Denn glauben bedeutet zu wissen, was man nicht weiß . Niemand weiß zwar etwas über den Tod, nicht einmal ob er vielleicht sogar das größte Gut für den Menschen ist. Aber man fürchtet ihn, als ob man genau wüsste, dass er das größte Übel sei (Platon, Apologie 29a).

Für Sokrates ist Philosophie offensichtlich keine Privatsache, sondern ein göttlicher Auftrag, den er zum Wohl seiner Mitmenschen ausführt.

Ich gehe herum und überrede die Jüngeren genauso wie die Älteren unter euch, dass ihr euch nicht stärker um euer körperliches und materielles Wohl kümmert – und auch nicht so heftig – als um die möglichst gute Entwicklung eurer Seelen. Dabei weise ich darauf hin, dass moralisches Handeln nicht aus materiellem Besitz entsteht, sondern aus moralischem Handeln materieller Besitz und alle anderen Güter für die Menschen, und zwar für jeden Einzelnen wie für die Gesellschaft (30a-b). Etwas später vergleicht sich Sokrates mit einer Stechfliege, die ein zwar tüchtiges, aber etwas träges Pferd aus seiner Müdigkeit aufscheucht. Genauso habe Gott ihn, Sokrates, zu den Menschen geschickt, damit er sie antreibe, sie überzeuge und ihnen ihr falsches Verhalten vorwerfe. Sokrates habe dafür alles andere aufgegeben und schon so viele Jahre lang wie ein Vater oder älterer Bruder jedem Einzelnen zugeredet, Anstand und Moral zu verwirklichen, wie Platon in der Apologie (30e–31c) feststellt. Die Menschen aber ärgerten sich darüber wie Schlafende, die abrupt geweckt würden und dann erschrocken und noch schlaftrunken um sich schlügen. Wenn sie aber Sokrates wie eine Stechfliege zerquetscht hätten, könnten sie weiterschlafen, bis Gott einen anderen Quälgeist schicke.

Man sieht, Sokrates hat bei Platon eine klar umrissene gesellschaftliche Rolle, wie sie heute vielleicht von einem engagierten Journalisten gespielt wird, und alle späteren Philosophen waren in diesem Sinne Nachfolger des Sokrates: Sie sahen ihre Aufgabe stets darin, aufzuklären, anzuregen, zu verändern, zu mahnen, aber auch zu lehren, zu helfen, zu heilen und zu trösten.

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