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»DU BIST NICHT GUT GENUG.« IST DAS WAHR?

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Wenn ich Menschen mithilfe der Work begleite, steckt hinter ihren Themen häufig ein Glaubenssatz wie: »Ich bin nicht gut genug.« Hier skizziere ich dir an diesem Beispiel eine mögliche Work.

Eine Klientin, nennen wir sie Angelika, hatte bereits einige Erfahrung mit The Work und bat mich, sie bei einem für sie aufreibenden Thema zu begleiten. Sie war relativ frisch in einer Partnerschaft und hatte Angst, ihren neuen Partner wieder zu verlieren. Schon oft war sie verlassen worden und sie befürchtete, dass ihr das auch bei ihrem aktuellen Partner wieder passieren würde.

Ich fragte sie, in welcher Situation diese Befürchtung aufgetreten sei. Angelika überlegte kurz und erzählte dann Folgendes: »Letztes Wochenende habe ich Martin vorgeschlagen, zusammen spazieren zu gehen. Aber er wollte nicht. Seine Reaktion hat mich gelähmt, ich habe mich ganz elend gefühlt. Ich habe mich dann gefragt, was dieses Gefühl ausgelöst haben könnte – und bemerkte, wie wertlos ich mich fühlte. Ich fühlte mich nicht gut genug, um eine erfüllte Beziehung zu haben. Ziemlich übertrieben, oder?«

Ich antwortete: »Es hilft ja nicht, das zu bewerten. Du hast dich so gefühlt, wie du dich gefühlt hast – und du hast bereits die Chance genutzt, dich zu fragen, was diese Gefühle ausgelöst haben könnte. Das ist ja nie die Situation an sich, sondern immer das, was wir über die Situation glauben. Und du hast schon Gedanken genannt, die dich in der Situation gequält haben. Diese können wir uns nun mit der Work genauer anschauen.« Dafür gäbe es verschiedene Möglichkeiten, doch ich möchte es bei diesem ersten Beispiel ganz einfach halten. Ich fragte Angelika also: »In dieser Situation, die du beschrieben hast, welche Gedanken hast du da möglicherweise geglaubt?«

»Am stärksten war das ›Ich bin nicht gut genug‹. Ja, das hat mich wirklich getroffen.«

Ich bin nicht gut genug – durch diesen Gedanken begleitete ich Angelika nun mit der Work. Zur Einstimmung sagte ich zu ihr: »The Work ist ein meditativer Prozess. Ich werde dir ein paar Fragen stellen und ich lade dich ein, die jeweilige Frage zu hören, sie wörtlich zu nehmen, innezuhalten und zu bemerken, welche Antwort in dir auftaucht. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Vertraue einfach der Antwort, die sich in dir zeigt.«

Ich lud Angelika ein, ihre Augen zu schließen (das kann den inneren Prozess erleichtern) und sich noch einmal ganz und gar in die Situation mit Martin hineinzuversetzen: »Es ist Wochenende, die Sonne scheint, Martin sitzt am Tisch, du kommst ins Wohnzimmer hinein und fragst ihn, ob er mit dir spazieren gehen will. Er sagt Nein.« Angelika begab sich innerlich in diese Situation und beantwortete dann die Fragen, die ich ihr stellte, aus dieser konkreten Situation im Wohnzimmer heraus. Ich stellte ihr die erste Frage der Work: »In dieser Situation: Du bist nicht gut genug – ist das wahr?«

Angelika spürte der Frage nach, ich ließ ihr Zeit dafür. Schließlich hörte ich von ihr ein leises Ja.

Ich fragte weiter: »In deiner Situation: Du bist nicht gut genug – kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?«

Wieder ließ sie sich Zeit, um ihre Antwort zu bemerken. Schließlich schüttelte sie den Kopf: »Nein.« Sie wirkte ein wenig erleichtert.

DIE FRAGEN EINS UND ZWEI BEANTWORTEN WIR NUR MIT JA ODER NEIN.

Ich stellte die dritte Frage: »In deiner Situation im Wohnzimmer – wie reagierst du, was passiert, wenn du den Gedanken glaubst ›Du bist nicht gut genug‹?«

Aus Angelika sprudelte es hervor: »Ich sinke in mich zusammen, meine Schultern hängen, ich atme nur ganz flach. Ich fühle mich schwer und traurig. Da ist eine riesige Traurigkeit in mir. Ich fühle mich einsam und verloren. Gelähmt. Ich versinke in diesem Loch aus Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit. Ich bin überzeugt, dass es niemals besser werden wird. Niemand wird jemals bei mir bleiben … Ich merke gerade, dass ich Martin gar nicht richtig wahrnehme, weil ich so in meinem Ärger und in meiner Trauer versunken bin. Ich bin auch wütend auf ihn. Ich fühle mich abgelehnt – und so abhängig von ihm … Ich könnte die Tür zuknallen und wegrennen – und zugleich wünsche ich mir seine Nähe. Ich fühle mich so bedürftig … Das fühlt sich alles so scheußlich an.«

Ich hätte Angelika jetzt noch eine der Unterfragen stellen können, die du weiter hinten in diesem Buch kennenlernen wirst. Sie hatte jedoch die dritte Frage schon umfassend beantwortet – und war dabei auch mit ihren Gefühlen verbunden. Also ging ich weiter zur vierten Frage:

»In der gleichen Situation im Wohnzimmer: Einfach mal angenommen, der Gedanke ›Du bist nicht gut genug‹ hätte gar nicht auftauchen können – wer wärest du ohne diesen Gedanken?«

Angelika wurde ganz still. Sie hatte die Augen immer noch geschlossen. Über ihr Gesicht ging ein feines Lächeln. Sie atmete tief und berichtete dann: »Ich wäre innerlich viel ruhiger. Freier. Ich würde mich spüren. Eben bei der dritten Frage schien es mich gar nicht mehr zu geben. Jetzt tauche ich wieder auf. Es wäre okay. Da ist kein Drama mehr … Irgendwie taucht auch Martin wieder auf. Ohne diesen Gedanken nehme ich ihn überhaupt erst richtig wahr. Ich kann sehen, dass er da irgendwas an seiner Kamera bastelt und da völlig drin aufgeht … Es hat nichts mit mir zu tun, dass er nicht spazieren gehen will, er will einfach weiterbasteln. Ich bin frei. Ich beginne mich zu fragen, was ich denn jetzt gern machen möchte … Ich spüre wieder meine Liebe zu ihm. Ich fühle mich beschwingt. Ich kann meine Lebenslust wieder spüren.«

Ich ließ Angelika noch etwas Zeit zum Nachspüren. Dann ging ich zum nächsten Schritt: »Welche Umkehrung findest du für den Satz: Ich bin nicht gut genug?«

»Ich bin gut genug.« Auch hier lud ich sie wieder ein, sich selbst in ihrer Situation im Wohnzimmer zu spüren, jetzt mit dieser Umkehrung. Nach einiger Zeit fragte ich sie: »Du bist gut genug – wie könnte das möglicherweise wahr sein in deiner Situation mit Martin im Wohnzimmer?«

»Es ist wahr, weil sein Nein nichts mit mir zu tun hat. Er war einfach nur beschäftigt … Außerdem ist es für mich wahr, weil ich so deutlich spüren kann, dass mein Selbstwert nur von meiner Meinung über mich abhängt. Ich lebe mein Leben – und wenn ich glaube, ich sei nicht gut genug, dann fühlt es sich auch so an. Und wenn das Gleiche geschieht und ich das nicht glaube, dann ist es gar keine Frage, ob ich gut genug bin oder nicht. Dann bin ich es einfach.«

»Das sind zwei Beispiele für deine Umkehrung. Findest du vielleicht noch eines? Du bist gut genug – wie könnte das noch wahr sein?«

Angelika spürte eine Weile nach. Dann sagte sie: »Ich kann das gerade gar nicht richtig in Worte fassen. Da taucht so ein Gefühl in mir auf, dass es gar nicht um gut genug oder nicht gut genug geht. Ich bin einfach – und das ist immer gut genug.« Das berührte sie tief. Dann fragte ich sie: »Findest du noch eine weitere Umkehrung?« Da sie bereits Erfahrung mit der Work hatte, kam sie gleich auf: »›Mein Denken über mich ist nicht gut genug‹ ... Ja, das kann ich finden.« Sie fing an zu lachen. »Das Einzige, woran ich in der Situation mit Martin leide, ist mein Denken, sind meine Urteile darüber, was es bedeutet, dass er nicht mit mir spazieren gehen will. Eigentlich ist alles gut so, wie es ist, aber wenn mein bewertendes Denken aktiv wird, dann taucht damit der ganze Schmerz auf.«

»Gibt es noch eine Umkehrung für dich?«

»Ich bin nicht schlecht genug.« Angelika lachte wieder. »Ja, das stimmt auch! Es erscheint mir jetzt völlig unsinnig, dass Martin in dieser Situation irgendwie gegen mich war. So schlecht bin ich einfach nicht. Ja, diese Umkehrung fühlt sich auch richtig an für mich.«

Angelika wirkte jetzt, im Vergleich zum Anfang unserer Sitzung, völlig verändert. Viel leichter, offener, voller Freude und Selbstbewusstsein. Zum Abschluss unserer etwa halbstündigen Sitzung fragte ich sie: »Was nimmst du mit aus dieser Work?«

Sie schloss wieder ihre Augen. Dann sagte sie: »Ich nehme vor allem mit, dass ich immer dann, wenn ich denke, nicht gut genug zu sein, die Realität aus den Augen verloren habe. Wenn ich in der Situation mit Martin ihn wirklich wahrgenommen hätte, dann hätte ich das gar nicht denken können. Ich nehme mit, dass ich gern lernen möchte, immer dann, wenn ich mich schlecht fühle, noch einmal genau hinzuschauen und mich zu fragen: Ist es wirklich so, wie ich denke? Und ich nehme auch mit, dass ich abgesehen von meinem Denken immer schon gut genug bin – einfach weil ich bin.«

4 Fragen, die alles verändern

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