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Die Liebesbeziehung

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„Als der Herr zu mir kam und mich auf die Fürsprache der Kleinen Blume heilte, hatte ich eine ganze andere Einstellung. Ich wusste, dass es einen Gott gibt. Ich wusste, dass Gott mich kennt und liebt und an mir interessiert ist. Das wusste ich vorher nicht. Nach meiner Heilung wollte ich mich aber nur noch Jesus hingeben und nichts anderes mehr.“

Da sich Rita nicht sicher war, wie sie das tun sollte, wandte sie sich an den heiligsten Menschen, den sie kannte, Rhoda Wise, die für sie zu einem Vorbild an Heiligkeit wurde und sie wesentlich in ihrer Spiritualität beeinflussen sollte. Jeden Sonntag schlossen sich die Rizzos den Menschenmengen an, die das Haus von Rhoda Wise bevölkerten. Dort saß Rita zu Füßen von Rhoda Wise und lernte tatsächlich, wie man heilig wird. Sie erinnerte sich daran, wie sie neben der Mystikerin auf einem „kleinen Schemel saß und ihre Füße hochhielt, weil manche Leute auf die Stigmata drücken wollten“.

Von Frau Wise lernte sie auch, geduldig mit übereifrigen Menschen umzugehen, die manchmal das Objekt der Gnade Gottes mit Gott selbst verwechselten.

Ihr Versprechen, die Verehrung der Kleinen Blume und des Heiligsten Herzens Jesu zu verbreiten, hat Rita eingelöst. Sie verschickte persönliche Briefe, Gebetskärtchen und Herz-Jesu-Medaillen an jeden, der an Frau Wise geschrieben hatte. Einer dieser Briefe vom September 1943 enthüllt die Tiefe der Bekehrung Ritas: „… bevor ich geheilt wurde, war ich eine laue Katholikin. … jetzt liebe ich [unseren Herrn] so sehr, dass es Zeiten gibt, in denen ich meine, sterben zu wollen. Wenn ich an all das denke, was Er für mich getan hat, und daran, wie wenig ich für Ihn tat, dann könnte ich nur noch weinen.“

In ihrem privaten Leben übernahm Rita jetzt eine Reihe von Frömmigkeitsübungen, die in der Rückschau wie eine Generalprobe für das Ordensleben anmuten. Als Dank und zur Erinnerung an ihre Heilung beschränkte sie sich samstags auf Zwieback und Tee. Sie begann mit der Lektüre geistlicher Literatur, wie etwa dem Buch Die mystische Stadt Gottes von Maria von Agreda. Auf ihrem Heimweg von der Arbeit blieb Rita häufig noch im Bus und fuhr am Haus ihrer Großmutter vorbei, um zu der St. Antonius-Kirche zu gehen, wo sie den Kreuzweg betete. Durch den Kontakt zu Rhoda Wise und ihren Wundmalen wurde für sie die Passion Christi zur Realität. Sein Leiden war nicht mehr eine Theorie oder eine Erzählung aus vergangenen Zeiten, sondern sie war reale Gegenwart. An jedem Werktag betrachtete sie das Leiden Christi. Dabei konnte sie durch das aufgenommene Licht ihre eigenen Wunden auf eine ganz neue Weise betrachten.

Im Büro bei Timken stand an der Ecke ihres Schreibtisches ein Bild von Jesus mit der Dornenkrone. Auf den Vorwurf eines Arbeitskollegen, „Werbung für ihre Religion zu machen“, entgegnete sie: „Wenn Sie ein Bild eines Filmstars oder eines von Ihnen geliebten Menschen haben, dann stellen Sie es doch auch auf. Das ist nun eben mein Geliebter, und deshalb bleibt es auch hier stehen.“

Alles deutete darauf hin, dass Jesus ihre große Liebe war. Die einzige mögliche Anfechtung war nur noch ein Mann namens „Adolph“ Gordon Schulte, der in Rhoda Wises Haus wohnte und Rita öfters zum Essen in das Restaurant Purple House in Canton einlud. Die gelegentlichen Ausflüge ließen manche Leute, so auch die Tochter von Rhoda Wise – Anna Mae – vermuten, dass die beiden „miteinander gingen“. Schulte bestritt dies jedoch. „Sie war eine reizende und interessante Person, und man konnte sich nett mit ihr unterhalten“, erzählte er mir. „Aber es war nichts Ernstes, sondern wir waren immer ganz zwanglos zusammen.“

Ritas beste Freundin zu dieser Zeit, Elsie Machuga, stimmte dem zu: „Ich glaube, er traf sich gerne mit ihr und brachte ihr auch immer wieder Devotionalien mit. Aber sie war zu jedem freundlich.“

Über ihr Verhältnis zu Schulte befragt, sagte Mutter Angelica ganz offen: „Ich war nie verrückt auf Sex und wollte mich auch nie verabreden. In dieser Hinsicht bin ich ein Eunuch. Es war mir überhaupt nicht wichtig. Das war einfach nichts für mich.“

Nur einmal zeigte Rita in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung. Steven Zaleski, der aus Canton stammte und mit Rita seit dieser Zeit bekannt war, erinnerte sich an eine Mission in der Herz-Jesu-Kirche in der Clark Avenue. Als die Gläubigen nach vorne gingen, um den aus Holz geschnitzten gekreuzigten Christus zu verehren und anzubeten, „küsste Rita Ihn auf sein Herz mit großer Inbrunst, sehr persönlich, als ob Er ihr Geliebter wäre“.

In ihrem Schlafzimmer hatte Rita, ganz nach dem Vorbild von Rhoda Wise, einen Altar am Fuß ihres Bettes aufgestellt. Er war mit hellem Stoff bedeckt. Darauf standen zwei große Statuen des Heiligsten Herzens Jesu und der Muttergottes, umgeben von kleinen Bildern des Prager Jesulein, des hl. Antonius von Padua sowie genau in der Mitte der hl. Theresia von Lisieux. Vor dem Altar befand sich eine schlichte Kniebank, auf der Rita in den frühen Morgenstunden betete – eine Gepflogenheit, die ihre Mutter verhindern wollte. Eines Morgens stellte Mae zu ihrem Entsetzen fest, dass unter Ritas Schlafanzug ein Bußgürtel herausschaute.

„Sie bekam damit einen dezenten Hinweis, dass irgendetwas im Gange war, und darüber war sie nicht gerade froh“, erinnerte sich Mutter Angelica lachend mehr als fünfzig Jahre später. Die Liebe zu Christus nahm in Ritas Leben jetzt die vorrangige Stellung ein und nahm langsam allen anderen Beziehungen ihren Stellenwert, selbst der Beziehung zu Mae Rizzo.

Vielleicht fühlte sich Mae bedroht, jedenfalls warnte sie Rita davor, „allzu fromm“ zu werden. Sie brachte dies auch der Großmutter Gianfrancesco gegenüber zum Ausdruck. „Sie gehört uns jetzt nicht mehr“, sagte die runzlige alte Frau, als ob sie eine Vorahnung hätte. Das wollte aber Mae nicht hören. Etwa zur selben Zeit erhielt sie weitere schlechte Nachrichten.

Im Sommer 1943 heiratete John Rizzo zum zweiten Mal. Mit fünfzig Jahren heiratete er eine vierundzwanzigjährige Frau, eine Schulkameradin von Rita. Es gibt zwar keine Aufzeichnung über Maes Reaktion, aber Ritas Heilung, verbunden mit Maes Festanstellung, milderten den Schlag vermutlich ab. Mae hatte zu dieser Zeit den Namen Rizzo bereits abgelegt und nannte sich nunmehr Mae Francis. Sie bestand darauf, dass auch Rita diesen neuen Namen annahm.

An einem Nachmittag im Herbst 1943 hatte die einundzwanzigjährige Rita Francis gerade ihren gewohnten Kreuzweg in der St. Antonius-Kirche beendet. Sie kniete am Seitenalter vor der Statue der Schmerzensmutter – es war übrigens dieselbe Statue, die am Tag ihrer Taufe auf sie herabgeschaut hatte. Als Rita das Abschlussgebet der Danksagung anstimmte, überkam sie eine „tiefe Erkenntnis“, dass sie „eine Berufung habe“. Ganz plötzlich spürte sie, dass sie „dorthin gehen müsse, wo immer der Herr sie hinsenden sollte“. Sie wurde immer noch von den Gedanken an die harten Nonnen aus der Grundschule geplagt. Deshalb zögerte sie zunächst, bevor sie sich ihrer Eingebung wieder zuwandte. Mutter Angelica erzählte mir: „Ich habe immer gedacht, wenn der Herr mir etwas befiehlt, dann mache ich das auch.“ Und so geschah es.

Sie suchte Monsignore Habig, den Seelenführer von Rhoda Wise, auf, um seinen Rat einzuholen. Er bestätigte ihre religiöse Berufung und war damit einverstanden, sie geheim zu halten, um Mae Francis nicht übermäßig zu beunruhigen. Zur Festigung ihrer Berufung verbrachte Rita nun mehr Zeit im Haus der Rhoda Wise.

Es war in jeder Hinsicht ein seltsames Haus. Besucher beschrieben ein helles Licht, das im vorderen Schlafzimmer immer dann auftauchte, wenn Rhoda mit Jesus sprach. Sie berichteten außerdem auch, gelegentlich ein Geräusch zu hören, das durch das ganze Haus hallte, und das Frau Wise der Erscheinung der hl. Theresia zuschrieb. In den Vierzigerjahren zogen solche unerklärlichen Vorgänge und natürlich auch die Mystikerin selbst einen andauernden Strom von Menschen an. Darunter waren auch Nonnen. Rhoda Wise war mit vielen Ordensfrauen befreundet. So wurde sie für Ritas Berufung eine stärkende Quelle. Da die Mystikerin von Ritas Absicht erfuhr, in einen Orden einzutreten, beschaffte sie der jungen Frau eine Liste mit Ordensgemeinschaften sowie den jeweiligen Oberinnen, die sie anschreiben konnte.

Doch Ritas Schulzeugnisse waren so schlecht, dass sie von keinem Schulorden angenommen wurde. Später begegnete sie im Haus von Rhoda Wise einer Gruppe von Josephitinnen, die in Buffalo mit den Taubstummen arbeiteten. Dies weckte Ritas Interesse und sie beschloss, die Josephitinnen im Staat New York zu besuchen.

Mutter Angelica

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