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Das Versprechen

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Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen;

der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen.

Goethe – Faust

Wir gingen an die Gruft, hielten inne, eine rote Rose als letzten Gruß, griffen in die feuchte Erde und ließen sie auf den Sarg plumpsen, erst Elke, dann die Kinder und dann wir, seine Freunde. „Mach’s gut Felix“, brummelte ich vor mich hin. Sein Tod ging auch mir sehr nahe. Wir haben uns gut verstanden und nun war er weg. Einfach weg. Und zu früh. Ein paar Jahre hätte er uns wirklich noch beehren können. Unwillkürlich sah ich ihn vor mir, den eleganten Graubart, und musste daran denken, dass er nun auch ohne seinen rechten Fuß seine letzte Reise antrat. - Woran denkt man überhaupt, wenn man von oben auf den Totenschrein blickt? - Woran dachten die anderen, wenn sie nicht mit absoluter Trauer und mit Weinen beschäftigt waren? - Ja, und warum dachte ich so etwas?

Felix hatte mir einst ans Herz gelegt, das zu beenden, was er nicht mehr zu schaffen vermochte. „Ja, mein Lieber, heute verspreche ich es dir. Felix, du hast mein Wort.“ Ich hätte es mir schon angesehen und mir schon meine Gedanken gemacht, hatte ich ihm kürzlich noch zur Beruhigung vorgeflunkert, dabei wusste ich eigentlich noch nicht einmal, worum es dabei tatsächlich ging. Es handelte sich nämlich um den Inhalt eines alten Pappkartons, den er mir vor ein paar Monaten ohne viele Worte in die Hand gedrückt hatte, mit dem ich allerdings nicht so recht etwas anzufangen wusste, weil ich die Sache für einen drolligen Entsorgungstrick gehalten hatte: ‚Zum Wegwerfen zu schade, nimm du’s’. Ich stellte das Ding damals beiseite, eben dort hin, wo alles stand, was noch unbedingt irgendwann zu erledigen war. Jetzt aber, nachdem Felix seine letzte Ruhe gefunden hatte, wollte ich versuchen, meine Zusage so gut ich konnte einzulösen und flüsterte ihm noch zu: „Versprochen, Felix, versprochen, ich mache es!“

Wieder zu Hause begann ich in der Kiste zu kramen und entdeckte ein kunterbuntes Sammelsurium: Tagebücher, alte Fotos, handschriftliche Aufzeichnungen, die Begebenheiten und den Zeitgeist in seiner Jugend beschrieben, Briefe und Aufsätze, amouröse Geschichten und schnurrige oder kritische Notizen aus dem Dörfchen Radow und dem Kutscherhaus. Teilweise waren es recht intime Anmerkungen, von Beziehungen und von Gefühlen. Wie sollte ich denn so etwas zu Papier bringen? Ich war doch kein Poet! Ich war Ingenieur und für ein Industrieunternehmen in Berlin tätig. Ich sollte Geschichten schreiben? Doch ich hatte es versprochen! Je mehr ich mich allerdings damit befasste, desto spannender fand ich Felix Nachlass und es reizte mich letztlich, sein Vermächtnis in die Tat umzusetzen, das zu vollenden, was er schon so umfangreich begonnen hatte: Das außergewöhnliche Leben unseres gemeinsamen Freundes Ole Kosche aufzuschreiben. Felix war sein Vorbild gewesen und hatte auch in vielerlei Hinsicht Oles Leben geprägt. Die Sehnsucht nach all dem, was er einst daheim in der DDR zurückgelassen hatte, die Sehnsucht sollte immer bleiben. So hatte Felix sich das gedacht, so sollte die Geschichte aussehen. Den Schluss allerdings, den Schluss ersehnte er sich etwas anders.

Ich war der einzige, der das Vertrauen und die Freundschaft zum ganzen Kosche Clan besaß. Somit fühlte ich mich von daher schon berufen, Felix Bitte zu erfüllen. Wieder zuhause breitete seine Papiere und Skripte auf dem Fußboden aus und versuchte, das Durcheinander chronologisch zu ordnen und mich in sein Konzept hinein zu versetzen. Schließlich schrieb ich einfach alles auf, was ich in der Kiste fand, was mir zu Ohren gekommen war und was ich erlebte.

Das schillernde Leben des O.K.

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