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Ängste und Geborgenheit im Bürgerkrieg

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Der kleine Ljowa Kopelew erlebte diese blutigen Machtkämpfe und wechselnden Besetzungen in Kiew als ein seltsames Gemisch von unterhaltsamer Abwechslung und angstvollen Einbrüchen in die familiäre Geborgenheit. Bei jedem Herrschaftswechsel, schreibt er in seinen Memoiren, „gab es Schießereien, und jedesmal kamen dann die Nachbarn zu uns, um Lotto oder Préférence zu spielen und zu singen. Bis ich ins Bett musste, blieb ich bei den Erwachsenen, gab Spielmarken aus und hatte sogar die ehrenvolle Aufgabe, die Nummern auszurufen. Ich kannte schon alle Zahlen und Mutter war sehr stolz darauf.“6

In der bürgerlichen Familie Kopelew bezeichnete man in jenen Bürgerkriegsjahren die Bolschewiken als „Banditen“ und „Räuber“. Dass diese keineswegs harmlos waren, erfuhren die Hausbewohner, als im zweiten Stock ihres Hauses in der Dmitrjewskaja Uliza ein würdiger alter Herr, den man den „Staatsanwalt“ nannte, von der Tscheka – der roten Geheimpolizei – als Geisel abgeholt und erschossen wurde. Doch die Weißen, die bald darauf in Kiew einmarschierten, erwiesen sich als nicht weniger grausam. Lews Eltern wurden sofort verhaftet. Die Nachbarn im Hause setzten sich für deren Freilassung ein und am nächsten Morgen kamen die Eltern zurück.

Während der weißgardistischen Besatzung wurde in der Stadt von Pogromen gesprochen. Einmal, als die Familie vor den Gefechten mit anderen Stadtbewohnern in einen Keller flüchtete, flüsterte Lews Mutter ihrem kleinen Sohn (sie nennt ihn zärtlich Ljowuschka) zu: „Wenn sie dich fragen, woher Du bist, sag, ‚vom Kaukasus‘! Wenn die herauskriegen, dass wir Juden sind, schlagen sie uns tot.“7

Lew Kopelew

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