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Teil 2 Der Kontakt zwischen Verteidiger und inhaftiertem MandantII. Beschränkungen des Verkehrs zwischen Verteidiger und Untersuchungsgefangenen › 3. Verteidigerbesuche

3. Verteidigerbesuche

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Der ungehinderte und unüberwachte Verkehr zwischen Verteidiger und Mandant gehört zur unabdingbaren Voraussetzung für eine Verteidigung. Der freie Verkehr darf auch nicht durch haftrichterliche Anordnungen nach § 119 Abs. 1 oder aufgrund landesrechtlicher Regelungen eingeschränkt werden.[1]

a) Überwachung

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Besuche von Verteidigern bei inhaftierten Mandanten werden nicht überwacht. Die Besprechungen haben in einem optisch und akustisch abgeschirmten Raum stattzufinden. Verteidiger und Mandant ist dafür ein Raum zur Verfügung zu stellen, in dem Gespräche mit gewöhnlicher Lautstärke geführt werden können, ohne dass unter normalen Bedingungen ein Mithören möglich ist.[2]

Gleichwohl ist Vorsicht geboten. Das Verbot der Überwachung entfällt u.a. bei einem Verstrickungsverdacht gegen den Verteidiger oder wenn dieser selbst Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren ist. Ist gegen den Verteidiger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, z.B. wegen Beihilfe zu einer dem Mandanten vorgeworfenen, aus der Haft heraus begangenen oder fortgesetzten Straftat etwa durch Übermittlung von Nachrichten oder wegen Geldwäsche zugunsten des Mandanten, können heimliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Verteidiger angeordnet werden. Dazu gehört die Telefonüberwachung nach § 100a, insbes. aber auch das heimliche Abhören von Gesprächen mit dem Mandanten in der JVA nach § 100 f. Allgemeine Besuchsräume der JVA fallen nicht unter den Schutzbereich von Art. 13 GG. Es steht zu befürchten, dass auch die speziellen Verteidigerbesuchsräume nicht unter den Begriff „Geschäftsräume“ fallen und daher auch nicht dem speziellen Grundrechtsschutz unterliegen.[3] Dies ist wenig plausibel, da der Verteidiger keine andere Möglichkeit hat, als in der JVA mit dem Mandanten zu kommunizieren und nicht einzusehen ist, warum ein in einer JVA geführtes Gespräch anders zu behandeln sein soll als eine in den Büroräumen des Verteidigers geführte Besprechung, die nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 100c mit der besonderen Zuständigkeitsvoraussetzung des § 100d heimlich abgehört werden könnte.

Dem Verteidiger muss daher bewusst sein, dass im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn, von der er keine Kenntnis erhält, die Gespräche mit dem Mandanten unter den gegenüber § 100c erleichterten Voraussetzungen des § 100f heimlich abgehört werden können.[4]

Zum zulässigen Inhalt der unter das Verteidigerprivileg fallenden Gespräche vgl. Rn. 100 ff., insbes. Rn. 102.

b) Mitnahme von Laptops, elektronischen Geräten und sonstigen Gegenständen

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Der Verkehr zwischen Verteidiger und Mandant ist von jedweder Behinderung und Erschwerung freizustellen.[5] Selbstverständlich darf der Verteidiger deshalb alle für die Besprechung mit dem Mandanten notwendigen Unterlagen sowie sonst erforderliche Hilfsmittel zum Besuch mitnehmen.

Auch wenn dies immer noch nicht von allen Vollzugsanstalten anerkannt wird, gilt dies nicht nur für Unterlagen in Schriftform und etwa notwendige Hilfsmittel, wie z.B. ein Diktiergerät[6], sondern generell auch für (telefon- und internetfähige) Notebooks, I-pads, Tablets und Organizer, wie Palms, Blackberrys oder Smartphones. sofern darauf für die Gespräche mit dem Mandanten erforderliche Unterlagen und Informationen gespeichert sind.

Schon 2004 hat der BGH (Ermittlungsrichter)[7] entschieden, dass einem Verteidiger, der die für die Mandantengespräche erforderlichen Unterlagen auf einem Notebook eingespeichert hat, regelmäßig die Mitnahme eines solchen Geräts zu Unterredungen mit seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt nicht verwehrt werden kann. Die Benutzung moderner elektronischer Hilfsmittel durch einen Verteidiger im Rahmen von Mandantengesprächen, die sich insbes. bei umfangreichem Aktenmaterial anbietet, beinhalte grundsätzlich keine größere Missbrauchsgefahr als dies bei Mitnahme der erforderlichen Aktenstücke der Fall sei. Eine Überprüfung auf Fremdkörper durch die Justizvollzugsanstalt sei unabhängig davon, ob die Akten in Schrift- oder elektronisch gespeicherter Form mitgeführt werden, in beiden Fällen möglich.[8]

Gleichwohl wurde auch danach die Mitnahme entsprechender Geräte in vielen Vollzugsanstalten weiter verweigert. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat deshalb mit Erlass vom 24.2.2011[9] ausdrücklich klargestellt, dass angesichts der weiten Verbreitung der Computer als moderne Arbeitsmedien und insbes. zum Datentransport mit sofortiger Wirkung Verteidigern und Rechtsanwälten gestattet sei, Laptops zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben mitzunehmen. Zu den Voraussetzungen einer Einbringung derartiger Geräte in eine JVA weist der Erlass darauf hin, dass der Verteidiger lediglich vortragen müsse, dass die für das Mandantengespräch erforderlichen Unterlagen auf dem Laptop eingespeichert sind. Der Verteidiger sei bei jedem Besuch in geeigneter Weise darüber zu belehren, dass in den Räumen der Anstalt die Nutzung von Netzwerkkarten, W-LAN- und UMTS-Modulen etc. verboten sei und innerhalb der Anstalt keine Verbindung hergestellt werden dürfe. Dies habe der Verteidiger bei jedem Besuch – ggf. schriftlich – zu bestätigen. Mit ergänzendem Erlass vom 25.11.2011[10] hat das Justizministerium NRW überdies klargestellt, dass diese Regelungen auch auf alle sonstigen internet- und telefoniefähigen Endgeräte, wie z.B. I-Pads, Anwendung finden.

Zwar hat sich die Lage – zumindest bei der Mitnahme von Laptops und/oder Tablets – inzwischen in vielen Vollzugsanstalten entspannt, trotzdem wird – trotz des eindeutigen Erlasses des Justizministeriums auch in Nordrhein-Westfalen – immer noch von Problemen in vielen Regionen und Anstalten berichtet. So wird die Mitnahme etwa unter Hinweis auf die Gefahr der Kommunikation mit der Außenwelt durch eine Einwahlmöglichkeit ins Internet davon abhängig gemacht, dass das Gerät keine Netzwerkkarte oder sonstige Zusatzgeräte enthält. In einigen Vollzugsanstalten wird die Mitnahme des Laptops oder Tablets sogar immer noch generell verweigert bei sog. „gefährlichen Gefangenen“, die z.B. der organisierten Kriminalität zuzurechnen seien. Die Mitnahme von Organizern und Smartphones wird noch nahezu flächendeckend verweigert, auch wenn Verteidigungsunterlagen dort gespeichert sind.

All diese generellen Einschränkungen sind unzulässig, solange nicht im konkreten Einzelfall anhand begründeter Tatsachen ein Missbrauchsverdacht besteht. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einschränkung des ungehinderten Verkehrs zwischen Verteidiger und Beschuldigten ist stets eine reale Gefährdung des Haftzweckes oder der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Die Bezugnahme auf die Natur des Tatvorwurfes stellt keine ausreichend konkrete Einzelfallprüfung dar.[11] Für das Vorliegen einer solchen Gefahr müssen vielmehr bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.[12] Die bloße abstrakte, theoretisch nie auszuschließende Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener oder der Verteidiger diese Freiheit missbraucht, reicht grundsätzlich nicht aus, Eingriffe in deren Rechte zu rechtfertigen.[13] Oder anders gesprochen: Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Rechts auf ungehinderten Verkehr ist – zivilrechtlich ausgedrückt – die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt. Die Rechte des Verteidigers und des inhaftierten Mandanten bilden die maßstabgebende Regel. Jede Beschränkung dieser Regel stellt eine begründungsbedürftige Ausnahme dar, die nur im Fall einer konkreten Gefährdung der Zwecke der Untersuchungshaft oder der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt gerechtfertigt sein kann. Dies schließt jede generelle Anordnung, die alle Verteidiger oder standardisiert den Besuch bestimmter „Gruppen“ von Mandanten betrifft, aus. Es ist auch weder rechtlich zulässig noch sonst einzusehen, wenn für Verteidiger die Vermutung bestehen soll, sie gewährten ihren Mandanten Gelegenheit, via Internet oder Telefon unzulässigen Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen.[14] Denn der Strafverteidiger genießt durch seine Stellung als Organ der Rechtspflege bis zum Beweis des Gegenteils einen staatlichen Vertrauensvorschuss.[15]

Angesichts der inzwischen nahezu unerlässlichen Notwendigkeit der Verwendung solch digitaler Arbeitsmedien sollte der Verteidiger sich gegen jedwede Einschränkung deutlich zur Wehr setzen. Hilft ein klärendes Gespräch im Rahmen der Einlasskontrolle oder ggf. mit dem Anstaltsleiter nicht, ist erforderlichenfalls gegen die Anordnung der Anstalt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a zu stellen und gegen die Entscheidung des Haftgerichts Beschwerde einzulegen. Bei generellen oder wiederkehrenden Beschränkungen empfiehlt es sich zudem, die örtlichen berufsständischen Organisationen einzuschalten, um ggf. eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen.

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