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c) Tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen der vorläufigen Festnahme
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Voraussetzung für die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 ist, dass Gefahr im Verzug ist und die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen. Gefahr im Verzug bedeutet, dass nach pflichtgemäßem Ermessen der Polizei die Zeit nicht ausreicht, über die Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen Richter oder bei Unerreichbarkeit der Staatsanwaltschaft unmittelbar bei dem Richter selbst gem. § 125 Abs. 1 einen Haftbefehl zu erwirken, so dass die Festnahme des Verdächtigen durch den zu erwartenden Zeitverlust gefährdet erscheint.[10] Die Polizeibeamten nehmen also mit der vorläufigen Festnahme die Vollstreckung eines noch nicht erlassenen Haftbefehls vorweg, sofern nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen die Voraussetzungen dafür vorliegen und es somit nach ihrer Einschätzung zum Erlass eines Haftbefehls durch den zuständigen Richter kommen wird. Der Verweis auf die Voraussetzungen eines Haftbefehls in § 127 Abs. 2 stellt den Bezug zu den §§ 112 ff. her. Dies bedeutet, dass auch für die vorläufige Festnahme dringender Tatverdacht (vgl. hierzu Rn. 414 ff.) und ein Haftgrund – etwa Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (vgl. dazu Rn. 495 ff.) – vorliegen müssen. Da auch die Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung zu den Voraussetzungen des Haftbefehls gehört (vgl. dazu Rn. 484 ff.), muss auch diese bei einer vorläufigen Festnahme gegeben sein. Der Grundsatz des § 120 Abs. 1, wonach der Haftbefehl aufzuheben ist, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder der Vollzug der Untersuchungshaft unverhältnismäßig ist, gilt auch für die vorläufige Festnahme bzw. deren Aufrechterhaltung. Sind die Festnahmegründe nicht oder nicht mehr gegeben oder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht (mehr) gewahrt, so ist der Festgenommene freizulassen.[11] Im Übrigen ist es nicht zulässig, einen Beschuldigten erst vorläufig festzunehmen und dann erst Ermittlungen anzustellen, die den dringenden Tatverdacht rechtfertigen könnten.[12]
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Gleiches gilt auch für die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 1. Zwar ist nach dieser Vorschrift lediglich „Fluchtverdacht“ Voraussetzung für die Festnahme selbst; für die Aufrechterhaltung der vorläufigen Zwangsmaßnahme müssen aber alle Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Dies gilt schon deswegen, weil die „Augenblicksentscheidung“, die zur Festnahme führte, unverzüglich anhand erster Ermittlungen einschließlich der Vernehmung des Beschuldigten zu seinen persönlichen Verhältnissen zu überprüfen ist. Erst wenn sich dadurch der Fluchtverdacht zur Fluchtgefahr verdichtet oder andere Haftgründe vorliegen, ein dringender Tatverdacht vorliegt und die Verhältnismäßigkeit gegeben ist, darf die spontane Entscheidung der vorläufigen Festnahme aufrecht erhalten werden.