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a) Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO
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§ 127 Abs. 1 eröffnet die vorläufige Festnahme eines „auf frischer Tat“ Betroffenen, wenn er „der Flucht verdächtig ist“. Da bei der Festnahme auf frischer Tat nicht bereits der gesamte Sachverhalt überschaut werden kann, handelt es sich hier um eine „Augenblicksentscheidung“. Für das Merkmal „auf frischer Tat betroffen“ bedeutet dies, dass die Zusammenschau aller erkennbaren äußeren Umstände zum Tatzeitpunkt nach der Lebenserfahrung im Urteil des Festnehmenden ohne vernünftigen Zweifel den Schluss auf eine rechtswidrige Tat zulässt.[1] Ferner ist ein enger örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Tat erforderlich.[2] Ferner soll in diesen Fällen allein der „Fluchtverdacht“ für die Festnahme ausreichend sein. Dieser soll nicht identisch mit der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 und dann gegeben sein, wenn nach den konkreten Umständen unter Berücksichtigung der Erfahrung der Verdacht besteht, der Täter werde sich durch Flucht der Verantwortung entziehen, wenn er nicht festgenommen werde. Der „Fluchtverdacht“ soll daher ein Weniger sein als die Fluchtgefahr i.S.d. § 112 Abs. 2 Nr. 2.[3] Vom Fluchtverdacht zu unterscheiden ist die umstrittene Frage , ob das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 eine tatsächlich vom Festgehaltenen begangene Tat voraussetzt[4] oder ob es bereits ausreicht, dass die erkennbaren äußeren Umstände nach der Lebenserfahrung ohne vernünftigen Zweifel den Schluss auf eine rechtswidrige Tat zulassen.[5] Für die erstgenannte Auffassung sprechen der Wortlaut der Vorschrift und die rechtspolitische Überlegung, dass einem Unschuldigen das Notwehrrecht gegen freiheitsbeschränkende Angriffe von Privatpersonen zustehen muss.[6]
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Schließlich muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der vorläufigen Festnahme gewahrt bleiben.[7] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ausdrücklich zwar nur für die Untersuchungshaft in § 112 Abs. 1 S. 2 normiert, er gilt jedoch für alle Akte der öffentlichen Gewalt. Er gilt aber auch für Privatpersonen, wenn sie im öffentlichen Interesse handeln. Die Festnahmeberechtigung besteht daher nicht, wenn die Festhaltung zu der Bedeutung der Sache und zu einer zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Die Abwägung mag für einen Privaten äußerst schwierig sein, dies kann jedoch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht außer Kraft setzen.[8]