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Benutzerhinweise
ОглавлениеDieses Buch ist kein Lehrbuch des Revisionsrechts und will nicht das „Wesen“ der Revision vermitteln. Dafür gibt es bereits Monographien wie bspw. diejenigen von Dahs, Die Revision im Strafprozess (9. Aufl. 2017) und Hamm, Die Revision in Strafsachen (7. Aufl. 2010) sowie Überblicksbeiträge wie der von Dahs/Müssig in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung (2. Aufl. 2014 § 12). Zweck dieses Buches ist es vielmehr, dem Leitbild der Reihe „Praxis der Strafverteidigung“ entsprechend, seinem Benutzer eine praktische Hilfestellung im Falle der Übernahme eines Revisionsmandats von der Einlegung bis zur Entscheidung über sein Rechtsmittel in einem konkreten Verfahren zu geben.
Dabei liegt sein Schwerpunkt in dem Aufspüren revisibler Verfahrensfehler und der schulmäßigen Ausarbeitung einer Verfahrensrüge. Die Überprüfung des Urteils auf sachlich-rechtliche Fehler kann zunächst zurückstehen, wenn man sich darauf beschränkt, in der ohnehin viel zu knapp bemessenen Frist von einem Monat die sog. allgemeine Sachrüge zu erheben. Ohne ergänzende Ausführungen ist das Revisionsgericht dann von Amts wegen verpflichtet, sämtliche Verfahrensvoraussetzungen und etwaige Prozesshindernisse festzustellen (siehe dazu Teil II Kap. 1) und die schriftlichen Urteilsgründe auf Rechtsfehler bei der Anwendung der Strafgesetze auf den festgestellten Sachverhalt, bei der Beweiswürdigung und bei der Strafzumessung (siehe hierzu Teil III) zu überprüfen. Deshalb kann es insoweit bei kursorischen Ausführungen sein Bewenden haben.
Bezüglich der unter Zeitdruck stehenden Suche nach etwaigen Verfahrensfehlern gibt das Buch einen Leitfaden an die Hand, mit dessen Hilfe typische Fehlerquellen im Verlauf der Hauptverhandlung aufgespürt werden sollen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf solchen Fehlern, deren Revisibilität die Anerkennung der Revisionsrechtsprechung gefunden hat oder bei denen dies als möglich erscheint.
Die praktische Arbeit an einem Revisionsfall setzt nicht die zuvorige Lektüre des Buches voraus, auch wenn diese nicht schädlich wäre. Denn auf diese Weise erhält man nicht nur einen Einblick in die Denkweise der Revisionsgerichte, sondern als Verteidiger in der Tatsacheninstanz auch Hinweise auf das erforderliche Vorgehen, um Verfahrensfehler des Instanzgerichts festzuschreiben und später eine entsprechende Rüge zu erheben (siehe hierzu auch die konzise Darstellung von Widmaier/Norouzi in Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014 § 9).
Mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe und der Einsichtnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll kann anhand des Buches der Ablauf der Hauptverhandlung chronologisch auf mögliche Verfahrensfehler durchgemustert werden. Es empfiehlt sich, zunächst entlang des Inhaltsverzeichnisses zu Teil II Kap. 2 ff. (S. XVIII ff.) zu gehen und den dortigen Fragestellungen nachzugehen. Nur bei den im konkreten Verfahren einschlägigen Punkten sind dann die näheren Ausführungen in Teil II (Rn. 166 ff.) zu den einzelnen Rügekonstellationen in ihren jeweiligen Verästelungen und Varianten zur Prüfung heranzuziehen, ob hier im eigenen Fall ein Verfahrensfehler vorliegt oder nicht. Ansonsten lassen sich anhand des Inhaltsverzeichnisses einzelne Rügen oder ganze Rügenkomplexe überspringen, was die Effizienz der Arbeit und die Wahrscheinlichkeit erhöht, nichts übersehen zu haben.
Von dieser chronologischen Prüfungscheckliste beginnend mit Fragen der Zuständigkeit und der Gerichtsbesetzung bis zur Durchsicht der schriftlichen Urteilsgründe im Hinblick auf erst dadurch ersichtliche Verfahrensfehler (Teil II Kap. 2-27) weicht das Buch nur in zwei Punkten ab: Beweisverwertungsverboten, gegen die während der gesamten Beweisaufnahme verstoßen werden kann, ist in Teil II mit Kap. 28 ein eigenständiger Abschnitt gewidmet. Besonders hier ist zu bedenken, dass Rechtsprechung und Lehre ständig im Fluss sind. Die einschlägigen Fragestellungen können weder erschöpfend noch abschließend sein. Hier, wie auch im Übrigen bedarf es der kontinuierlichen Verfolgung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der zweite eigenständige Komplex betrifft die in Teil II Kap. 29 behandelten besonderen Verfahrensarten, nämlich das Berufungs-, das Strafbefehls- und das beschleunigte Verfahren. Auch den Besonderheiten von Verfahren, in denen eine Verständigung stattgefunden hat oder zumindest angestrebt wurde, wird in diesem Kap. in einem eigenen Abschnitt unter verschiedenen Fragestellungen nachgegangen.
Findet sich bei der Durcharbeitung von Hauptverhandlungsprotokoll und Urteil ein erfolgversprechender Verfahrensfehler, ist damit die Arbeit an der Revision noch nicht getan. Es kommt jetzt darauf an, den Fehler so vorzutragen, dass den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO Genüge getan wird. Die von der Revisionsrechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe sind teilweise überzogen. Da aber die Revisionsbegründungsschrift nicht der Ort ist, um hier Kritik anzubringen, eine (bewusste) Unterschreitung der Anforderungen sogar kontraproduktiv wäre, muss der Rechtsprechung auch hier Rechnung getragen werden. Die aus Vorsichtsgründen gegebenen Empfehlungen zur anzustrebenden Vollständigkeit des Revisionsvortrags dürfen deshalb nicht als affirmative Rezeption der Revisionsrechtsprechung verstanden werden.
Soweit es sich nicht um absolute Revisionsgründe handelt, finden sich bei einzelnen Rügemöglichkeiten noch Hinweise zur Beruhensfrage.
Während die Befassung mit den in Teil II behandelten Fragestellungen im Zuge der Bearbeitung eines konkreten Revisionsmandats sozusagen in Form einer „work in progress“ erfolgt, sollte die Lektüre von Teil I vorgezogen werden, sobald sich die Notwendigkeit abzeichnet, von dem Rechtsmittel der Revision Gebrauch machen zu müssen. Denn die Nichtbeachtung der Fristen und Formalien bei Einlegung und Begründung der Revision würde jede weitere Arbeit nutzlos machen.
Die vorliegende Neubearbeitung verarbeitet Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich Juni 2017. Die für das Verfahrensrecht maßgebliche Gesetzeslage berücksichtigt die Gesetze „Zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.8.2017 (BGBl. 2017 I, 3202) und des „Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts“ vom 27.8.2017 (BGBl. 2017 I, 3295). Soweit sich daraus für die Revision relevante neue Fehlermöglichkeiten ergeben, sind diese Gegenstand zusätzlicher Verfahrensrügen, ansonsten finden sie bei den bereits vorhandenen Rügemöglichkeiten Berücksichtigung.
Zwar ist das Rechtsmittel der Revision in von Gesetz und Rechtsprechung vorgegebene feste Formen gepresst. Trotzdem ist das Revisionsrecht kein Kanon abgeschlossener Rechtssätze, sondern ständig im Fluss. Auch die vielfältigen Abläufe der tatrichterlichen Hauptverhandlung eröffnen immer neue Fehlermöglichkeiten. Diese aufzuspüren und im Rahmen der Revisionsbegründung zu problematisieren, ist eine Aufgabe, bei der jeder Benutzer des Buches auf sich gestellt ist – zum Nutzen des Beschwerdeführers und zur Fortbildung des Rechts.
Im August 2017
Bremen
Reinhold Schlothauer
Köln
Sebastian Wollschläger