Читать книгу Verteidigung im Revisionsverfahren - Reinhold Schlothauer - Страница 9
ОглавлениеTeil I Allgemeine Grundsätze des Revisionsverfahrens › I. (Pflicht-)Verteidigung im Revisionsverfahren
I. (Pflicht-)Verteidigung im Revisionsverfahren
1
Die Bevollmächtigung des Verteidigers umfasst in aller Regel auch die Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln. Eine besondere Vollmacht für das Revisionsverfahren benötigt der Instanzwahlverteidiger daher nicht.[1]
Auch die Bestellung zum Pflichtverteidiger erstreckt sich auf das Revisionsverfahren, allerdings nur auf Einlegung und Begründung, nicht dagegen auf eine eventuelle Revisionshauptverhandlung. Dafür ist eine gesonderte Beiordnung erforderlich.[2]
Eine Verteidigerbeiordnung nach § 140 Abs. 2 StPO für das Revisionsverfahren ist dann erforderlich, wenn bei der möglichen Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle wegen der besonderen Schwierigkeit des Falles der Urkundsbeamte überfordert wäre und/oder ohne Kenntnis der Akten eine Revisionsbegründung nicht möglich ist, da weder dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle noch dem Angeklagten das Akteneinsichtsrecht zusteht.[3] Die Beiordnung ist immer dann geboten, wenn der als Urkundsbeamte tätige Rechtspfleger mit der Abfassung einer schwierigen Revisionsbegründung überfordert sein könnte.[4]
Ein Fall notwendiger Verteidigung im Revisionsverfahren liegt vor, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird, oder wenn es auf die Auslegung von Begriffen aus dem Nebenstrafrecht ankommt (z.B. Erschleichen einer Duldung, § 95 AufenthG).[5]
Auch wenn der Angeklagte in der Tatsacheninstanz nicht verteidigt war, kann im Revisionsverfahren ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegen, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die Schwierigkeit der Rechtsfragen auch unter Mitwirkung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht in der Lage ist, die Revision sachgerecht zu begründen.[6]
Lag in der Tatsacheninstanz ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO vor und scheidet der Instanzverteidiger etwa durch Mandatsniederlegung oder Entpflichtung aus, darf der Angeklagte im Revisionsverfahren nicht ohne Verteidiger bleiben.[7] In diesen Fällen ist ihm, sofern er selbst keinen Verteidiger beauftragt, ein Pflichtverteidiger zu bestellen.[8] Beizuordnen ist ein Verteidiger auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 350 Abs. 3 S. 1 StPO gegeben sind.[9] Der Anspruch auf ein faires Verfahren kann es dabei gebieten, den Wahlverteidiger zu bestellen, der durch Übernahme des Wahlmandats gem. § 143 StPO die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers bewirkt hatte.[10] Der Angeklagte darf nicht auf die Möglichkeit der Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle verwiesen werden.[11] Auch wenn sich der bisherige Pflichtverteidiger weigert, eine Revisionsbegründung abzugeben, und der Angeklagte innerhalb der Revisionsbegründungsfrist um die Beiordnung eines neuen Verteidigers bittet, darf er darauf vertrauen, dass das Gericht seinem Wunsch entspricht oder ihn aber darauf hinweist, dass kein neuer Verteidiger beigeordnet werde. Nur so hat der Angeklagte die Möglichkeit, etwa durch die Beauftragung eines Verteidigers, für die rechtzeitige Abgabe der Revisionsbegründung zu sorgen.[12] Unterlässt es der Tatrichter, rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist über den mit der Einlegung der Revision gestellten Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zu entscheiden, führt dies zur Aufhebung eines gleichwohl ergangenen Verwerfungsbeschlusses wegen Versäumung der Revisionsbegründung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.[13] Im Fall einer notwendigen Verteidigung ist der Angeklagte nach Beiordnung eines Verteidigers dann über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu belehren.[14] Die Ablehnung einer Pflichtverteidigerbestellung im Berufungsverfahren im Hinblick auf das Revisionsverfahren kann mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO angegriffen werden; insbesondere § 305 S. 1 StPO steht nicht entgegen.[15] Die Verletzung von Verteidigungsrechten durch den staatlich bestellten Verteidiger, namentlich die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision nach § 345 Abs. 1 StPO, muss zur Entpflichtung des Rechtsanwalts und Beiordnung eines neuen Verteidigers führen.[16]
Ist eine Beiordnung für die Revisionshauptverhandlung unterblieben und hat der Verteidiger an dieser teilgenommen, kann eine stillschweigende Beiordnung in Betracht kommen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der nicht gewählte Verteidiger eine Terminsnachricht erhalten hat, in der Revisionshauptverhandlung aufgetreten ist und die Bestellung eines Verteidigers wegen Schwierigkeit der Rechtslage erforderlich war.[17]