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Höllenschlund

Erholt und ausgeschlafen öffnete ich die Augen und sah zwischen zwei Zahnreihen hindurch nach draußen auf einen wunderschönen Strand in der Nachmittagssonne. Eudamos. In seinem Aussehen war er einem Minotauren namens Etzel, den ich seit meiner letzten Reise kannte, nicht unähnlich. Ich hätte ihn gerne bei mir gehabt, hätte gerne selbst erlebt, was der Fremde erlebt hatte. Aus unerfindlichem Grunde fragte ich mich, ob der andere ahnte, dass ein zweites Bewusstsein dem seinen untergeordnet all seine Erlebnisse ebenso erfuhr? Ich hatte keine Erinnerung daran, wer ich war, wo ich war und warum ich war. Ich fühlte mich wie eins mit allem. Alsbald jedoch setzte mein Verstand wieder ein und der verlorene Geist kehrte in den zurückgelassenen Körper zurück. Doch was war das? Ich war nicht mehr im Magen des Schwertwales, sondern in seinem Maule. Wie das? Und was war das für ein drückendes Gefühl, welches sich meiner bemächtigte?

Ich wandte meinen Blick schlaftrunken zurück und stellte fest, dass Garibald mich vergewaltigte und gerade in der Sekunde entlud, in der sich unsere Blicke trafen. Hechelnd ließ er daraufhin die Zunge heraushängen. „Hast du die Güte, mir zu erklären, was du da tust? Ich kann mich nicht daran erinnern, dir befohlen zu haben, mich zu nehmen, während ich wehrlos bin“, sagte ich mit verkratzter aber drohend werdender Stimme. Was fiel diesem nichtsnutzigen Mistkerl, der aus der Fut irgendeiner dreckigen Hyena-Schlampe gekrochen war, nur ein meinen reinen adeligen Darm auf diese Weise zu beschmutzen? Ich würde ihm von Agelulf des Kopf abreißen lassen, wenn er mir nun keine plausible Erklärung lieferte! Der Steppenkrieger bemerkte sofort den Ton in meinen Worten und zog sich sofort zurück, blieb aber nur einen Meter vor Grigori wie angewurzelt stehen. Er kannte meine hysterischen Ausbrüche bereits und dass ich sehr unnachgiebig und unbarmherzig sein konnte. Ich streckte und setzte mich gemächlich wie auf einem Diwan auf, bloß mit einem einzigen Kissen aus lebendigem Fleischmuskel. „Also?“, fragte ich. „Deine Erklärung?“ Kurz sah er in Richtung Agelulf und Thomasius, wobei Letzterer sich sonnte und gar nicht auf uns und unsere Aktivitäten achtete, während der dämonische Werwolf böse grinste. Er genoss es jedes Mal, wenn ich mich von meiner Schokoladenseite zeigte. „Entschuldige, Herr!“, stockte er hervor. „Ich wollte dich nicht verärgern! Es war nur so … du hast einen Steifen gekriegt, als der Große dich wieder befreit hat! Und weil du so gerne mit einem Schwanz im Arsch geweckt wirst, wollte ich dir was gutes tun!“, erklärte er sich und meine Stimmung hellte sich abrupt wieder auf, dass ich lachen musste. „Das ist also der Kasus! Wenn dem so war, bin ich derjenige, der um Verzeihung bitten muss, mein guter Garibald!“, sagte ich. „Ich hatte geglaubt, du hättest die Situation ausgenutzt!“ Er schüttelte mehrmals vehement den Kopf. Es war also nur ein Missverständnis. Das war so typisch für mich. Manches Mal brachte mich der geringste Anlass in schrecklichste Rage, sodass sogar Agelulf eingreifen musste. „Nun gut, dann sei dir verziehen“, nickte ich und entstieg meinem bequemen Sitzplatz. Dann wandte ich mich Grigori zu und dankte ihm überschwänglich für das gelungene Erlebnis und dass ich mein Versprechen nicht vergessen habe. Eine Fontäne antwortete darauf. „Ich hoffe, ich bringe deine Planung nicht durcheinander?“, fragte ich an Agelulf gerichtet, der mir erklärte, dass die gesamte Reise nur auf mich ausgerichtet sei und ich der Herr sei, der über ihren zeitlichen Verlauf bestimme. Nein, es brächte nichts durcheinander. So erfüllte ich meinen Teil des Kontrakts und mehrere Stunden gingen ins Land, in denen meine Arme ziemlich lahm wurden. Weil ich dummerweise überhaupt nicht auf die brennende Sonne achtete zog ich mir dabei leider einen schmerzvollen Brand im Nacken zu. Doch es gab schlimmeres.

Nachdem das Zentralgestirn den Horizont erreicht hatte und sich anschickte unterzugehen, verabschiedeten wir uns schließlich. Ich bat ihn, seinem Sohnemann schöne Grüße von mir auszurichten, wenn er ihn sah, was der Schwertwal abermals mit einer letzten Fontäne bestätigte und sich dann in die Fluten des Ozeans aufmachte. „Wie konnte er denn eigentlich so lange an Land bleiben?“, fragte ich laut. „Er war nicht ständig an Land. Während du in seinem Magen weiltest, nutzte er die Gelegenheit und befeuchtete sein Haut. Ansonsten ist er einfach nur sehr widerstandsfähig, denke ich“, erklärte Agelulf. Ich verpasste ihm einen deftigen, wohlgemeinten Schlag auf den Wolfshintern. „Dieses Abenteuer hat mich schwer beeindruckt, mein Lieber! Ich hoffe, nein, bin vielmehr gespannt, ob du die Qualität wirst halten können? Immerhin hast du den Maßstab schon sehr hoch angesetzt.“ - „Hrmpf!“, machte der Werwolf verächtlich. „Bei dir weiß man ja nie. Ich weiß nicht, ob dir die kommenden Kreaturen zusagen werden. Und es ist mir auch ziemlich gleich. Von ihnen fressen lassen, wirst du dich dennoch müssen“, erwiderte er auf typisch dämonen-trotzige Art und Weise. Ich ergötzte mich daran, ihn immer wieder aus der Reserve zu locken. Er konnte noch so dämonisch böse, grausam und zugleich beinahe allwissend sein: Es gab Dinge, mit denen man ihn ärgern konnte.

Nichtsdestotrotz fragte ich ihn natürlich, wie es denn nun weiterginge und wo der nächste Hungrige wartete. Auf meine Frage hin legte er mir die Klaue um die Schultern und führte mich weg vom Wasser. „Was das betrifft, so habe ich mir bereits zuvor einige Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dich an einen Ort führen werde, der ganz nach deinem Geschmacke ist. Dort wirst du gleich einer ganzen Reihe von Wesenheiten begegnen, die dich liebend gern kennenlernen wollen.“ Ich horchte interessiert auf, konnte ich mir doch keinen solchen Ort vorstellen, an dem gleich mehrere Geschöpfe meine Anwesenheit wünschten. „Dann lass uns aufbrechen! Auf, auf!“, drängte ich und wollte schon zu Thomasius hinübergehen, der in der untergehenden Sonne in ein Nickerchen verfallen war. Dass er das überhaupt vermochte, war mir gänzlich neu. Ich hatte ihn in fünf Jahren noch nicht einmal schlafend angetroffen. Oder stellte er sich bloß gerade schlafend? Nein, ein solches Schauspiel hatte er nicht nötig. Er musste tatsächlich über die letzten Stunden eingeschlafen sein. Agelulf hielt mich jedoch zurück, indem er mich am Arm festhielt. Er grinste bösartig, dass es mir einen angenehmen Schauer bereitete. Wenn er auf diese Art Zähne zeigte, hieß das für gewöhnlich, dass er außergewöhnliches vorhatte. „Mit dem Untoten werden wir nicht dorthin gelangen, wohin ich dich zu führen gedenke“, sagte er und hieß mich an Ort und Stelle zu warten. Ich war gespannt. Er entfernte sich ein gutes Dutzend Meter und wandte uns den Rücken zu. Plötzlich vernahmen wir – Garibald war näher getreten und beobachtete ebenso interessiert wie ich, was er tat – ein schmerzerfülltes Grollen aus seiner Richtung. Er hatte etwas mit seinem linken Arm gemacht. Da sah ich dann schwarzes Blut, welches auf den sandigen Boden tropfte, nachdem er den verletzten Arm ausgestreckt hatte. Ein tiefes Rumoren in der Erde ertönte und verschwand wieder. Dann vibrierte die Erde und das Wasser des Ozeans stob aufgeregt auf, als wolle es uns warnen vor dem, was da kommt. Rauschen. Erneutes Rumoren. Hernach lautes Knacken als würden Donnerblitze trommeln! Thomasius erwachte durch den Lärm und sah sich verwirrt um, bis er Agelulf vor einer schnell wachsenden Sanddüne entdeckte. Die Düne riss auf und rotglühendes Felsgestein zeigte sich darunter.

Das große Schlemmen

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