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III. Blankettverweisungen und Irrtumsproblematik

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Die wohl umstrittenste Frage bei Blankettverweisungen kreist um die Abgrenzung des Tatbestandsirrtums gem. § 16 Abs. 1 StGB vom Verbotsirrtums gem. § 17 StGB (allgemein zur Irrtumslehre → AT Bd. 2: Walter, § 46). Im Wesentlichen geht es darum, ob nur hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen der Ausfüllungsnorm ein Tatbestandsirrtum möglich ist oder ob außerdem auch ihre Existenz und ihr Inhalt vom Vorsatz umfasst sein müssen.

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Eine vielfach im Schrifttum vertretene Ansicht misst der äußeren Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm nicht nur gesetzestechnische Bedeutung zu. Ein „Zusammenlesen“ von Straftatbestand und Bezugsnorm durch den Rechtsanwender lasse den Gesamttatbestand zunehmend deskriptiver werden und verfälsche ihn jedenfalls in Bezug auf die subjektive Tatseite, so etwa Tiedemann[105]. Deshalb müsse der gesetzgeberische Soll-Maßstab dem Täter grundsätzlich[106] bekannt sein, um von einem vorsätzlichen Verhalten ausgehen zu können. Bei Tatbeständen außerhalb des Kernstrafrechtes gehe es schließlich meist nur um die Versäumnis von Nebenpflichten aus Anlass sozialadäquater Tätigkeiten, die für sich gesehen keinen Unrechtsimpuls vermitteln[107]. Auch nach Puppe stehe der Vorwurf der Gleichgültigkeit gegenüber dem Recht, den man einem Täter hier machen könne, dem Fahrlässigkeitsvorwurf näher als dem Vorsatzvorwurf gegenüber einem Täter, der sich gegen eine elementare allgemeingültige Verhaltensnorm vergeht[108]. Faktisch handelt es sich dabei um eine partielle Anwendung der Vorsatztheorie[109]. All diese Ansätze laufen darauf hinaus, dass bei Blanketttatbeständen in erster Linie an der illoyalen Gesinnung desjenigen, der sich bewusst zum Normbruch entschließt, Anstoß genommen wird.

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Die konsequente Fortsetzung der zum Gesetzlichkeitsprinzip angewandten Grundsätze spricht jedoch dafür, auf den aus Blankett- und Ausfüllungsnorm gebildeten Gesamttatbestand[110] die allgemeinen Irrtumsregeln anzuwenden. Nur der Irrtum über einen einzelnen Tatumstand ist Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 StGB, der Irrtum über die Existenz oder die Reichweite der blankettausfüllenden Norm dagegen Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB[111]. Ein umgekehrter Irrtum führt zum Wahndelikt[112]. Jede Form der restriktiven Anwendung der Schuldtheorie muss sich nicht nur an den gesetzlichen Vorgaben (ggf. i.V.m. Art. 1 Abs. 1 EGStGB, § 369 Abs. 2 AO) messen lassen, sie bedarf auch der Sache nach einer besonderen Rechtfertigung. Tatbestände, die maßgeblich nach unbewusstem und bewusstem Gesetzesgehorsam differenzieren, haben prinzipiell nur in Rechtsordnungen ihren Platz, in denen ein „imperatives“ Rechtsverständnis vorherrschend ist[113]. Im deutschen Kern- und Nebenstrafrecht einschließlich seiner Blanketttatbestände gilt dagegen, dass „Unrecht“ nicht nur „darum Unrecht [ist], weil es verboten ist, sondern es wird verboten, weil es Unrecht ist“[114]. Damit ist es auch hier die Missachtung oder sogar effektive Verletzung von Rechtsgütern, an dem Anstoß genommen werden muss. Dies gilt jedenfalls soweit, wie der Bürger in der Verantwortung ist, einen Lebenssachverhalt selbst unter das Gesetz zu subsumieren (anders bei strafbewehrten Verwaltungsakten, u. Rn. 53). Von „schlichten Nebenpflichten“[115] oder „Bagatellkriminalität“, so die Prämisse der Gegenansicht, kann bei alldem nicht die Rede sein[116], wenn man etwa an das endlose Weiterwirtschaften bei Zahlungsunfähigkeit (§ 15a Abs. 1 und 4 InsO), das Ausnutzen von Insiderinformationen (§ 38 Abs. 3 WpHG i.V.m. Art. 14 EU-Marktmissbrauchsverordnung), einen Müllexport nach Westafrika (§ 326 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 40 EG-Abfallverbringungsverordnung) oder gar an Waffenlieferungen an militärisch agierende Terrororganisationen (§ 17 Abs. 1 AWG i.V.m. §§ 80 i.V.m. 74 AWV) denkt.

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Die Tatsache, dass in manchen Bereichen des Nebenstrafrechts Rechtsunkenntnis verzeihlicher sein mag als im Kernstrafrecht, rechtfertigt es nicht, abweichende Abgrenzungslehren aufzustellen[117]. Auch im Rahmen der geltenden Schuldtheorie muss der Täter bei einem Rechtsverstoß, der für ihn nicht als solcher erkennbar war, freigesprochen werden. Dem berechtigten Anliegen, schuldangemessenes Sanktionieren dort zu gewährleisten, wo man es mit sozialethisch farbloseren Ausfüllungsnormen zu tun hat, kann durch eine weniger restriktive Handhabung des Vermeidbarkeitskriteriums in § 17 S. 1 StGB Rechnung getragen werden[118]. Dabei ist allerdings zu beachten, dass für den Fachmann eine Vielzahl der Regelungen in ihrer Notwendigkeit evident sein dürften[119], etwa die durch § 283 Abs. 1 Nrn. 5–7 StGB bzw. § 283b Abs. 1 Nrn. 1–3 StGB bewehrten Buchführungs- und Bilanzierungspflichten der §§ 238 ff. HGB[120]. Auch von einem Neuling ist zu erwarten, dass er sich über die für ihn geltenden Vorschriften informiert[121]. Insgesamt besteht also kein Anlass für eine wie auch immer geartete neben- oder blankettstrafrechtliche Sonderdogmatik. Zum (angeblichen) Spezialfall des Irrtums über eine öffentlich-rechtliche Genehmigungspflicht vgl. Rn 55.

1. Abschnitt: Das Strafrecht im Gefüge der Gesamtrechtsordnung§ 4 Anknüpfung des Strafrechts an außerstrafrechtliche Normen › C. Verweisung auf Verwaltungsakte und andere konstitutive Einzelanordnungen

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