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I. Erscheinungsformen und Gesetzlichkeitsprinzip
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Die tatbestandliche Bezugnahme auf behördliche oder justizielle Einzelakte, wenngleich oftmals auch als „Blankett“ (oben Rn. 4) bezeichnet, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von Blanketttatbeständen, die durch abstrakt-generelle Regelungen ausgefüllt werden (zum intertemporalen Strafrecht vgl. Rn. 50 ff., zur Irrtumslehre Rn. 53 ff.). Straf- und bußgeldbewehrte Verwaltungsakte, auch in Form einer Allgemeinverfügung, gerichtliche Urteile und Beschlüsse sind mangels Normcharakter ganz eindeutig keine Gesetze i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG[122]. Auch ein Zusammenlesen der Sanktionsnorm und des Subsumtionsstoffs der Ermächtigungsgrundlage findet nicht statt. Deshalb kann sich die Verfassungsnorm anders als bei blankettausfüllenden Gesetzen, Verordnungen und Satzungen (oben Rn. 7) nur auf die Sanktionsnorm selbst und nicht auf den Inhalt der Verfügung beziehen.
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Dies führt allerdings unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit eines Verhaltens zu keinem schlechteren Schutz des Normadressaten. Beinhaltet der Einzelakt völlig unbestimmte Handlungsanweisungen, scheidet auch hier die Ahndung aus. Dies folgt zwar nicht aus Art. 103 Abs. 2 GG, aber aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernis des Art. 20 Abs. 3 GG, welches für Verwaltungsakte einfachgesetzlich durch § 37 Abs. 1 VwVfG konkretisiert wurde. Der Adressat des Einzelakts muss demnach in die Lage versetzt werden zu erkennen, was konkret von ihm gefordert wird[123]. Dabei liegen die Anforderungen tendenziell sogar über denen, die durch Art. 103 Abs. 2 GG an eine abstrakte Rechtsnorm gestellt werden. Eine an den Bürger gerichtete Verfügung lässt sich schließlich viel konkreter fassen und dringt in der Regel weit stärker ins Bewusstsein als ein im Bundesgesetzblatt verkündetes Gesetz[124]. Verwaltungsakte, die nicht den Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG entsprechen, sind dabei zwar nur im Ausnahmefall als im Ganzen nichtig anzusehen. Sie sind jedoch nicht vollzugsfähig (unten Rn. 42), soweit die Unbestimmtheit reicht[125].
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Was den Gesichtspunkt der Kompetenzwahrung anbelangt, gilt, dass auch dem Umfang der Delegation von Entscheidungsbefugnissen verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind. So muss die Festlegung von Art und Maß der Sanktion dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Der Gesetzgeber dürfte auch keinen allgemeinen Gehorsamstatbestand schaffen, der sich dann mehr oder weniger beliebig durch verhaltensregelnde Einzelverfügungen ausfüllen ließe. Das Parlament muss laut BVerfG vielmehr „grundsätzlich selbst festlegen“, welches Verhalten sanktioniert werden soll[126]. Gemeint ist die Definition der zu schützenden Rechtsgüter und eine hinreichend verlässliche Beschränkung der mit Strafe oder Bußgeld bedrohten Verhaltensweisen[127]. Dies ist ohne Frage dann der Fall, wenn der Gesetzgeber die strafbare Handlung als solche vollumfänglich umschreibt, so z.B. beim Verstoß gegen ein Berufsverbot gem. § 145c StGB oder beim Fahren trotz Fahrverbots gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und 3 StVG. Andere Tatbestände eröffnen den Behörden größere Spielräume, etwa § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB, wenn der Weiterbetrieb einer Abfallanlage trotz umweltrechtlicher Untersagung unter Strafe gestellt wird; insoweit kann die Verwaltung festlegen, welche Anlage und welche Betriebsart ganz oder teilweise künftig nicht mehr erlaubt sein soll (vgl. § 20 BImSchG)[128]. Das Gleiche gilt für § 145a StGB, wo es im Rahmen der Führungsaufsicht um den Verstoß gegen gerichtliche Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB geht. Ein verfassungsrechtlich nicht unproblematischer Grenzbereich ist dort betroffen, wo es gar nicht mehr um gesetzlich standardisierte Verbote, sondern durch Einzelakt gestaltete positive Verhaltenspflichten geht, z.B. solche gem. § 330d Abs. 1 Nr. 4 lit. b-e StGB, deren Nichtbeachtung in den §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 Abs. 3, 328 Abs. 3 StGB unter Strafe gestellt wird bzw. als Ordnungswidrigkeit nach § 62 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG geahndet werden könnte[129].
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Ist die Strafdrohung bei § 327 StGB, § 18 Abs. 2 AWG oder § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVG an die Vornahme einer Handlung ohne Einholung eines erforderlichen Verwaltungsakts, namentlich an eine Genehmigung geknüpft, ergeben sich dagegen keine Besonderheiten in Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG. Die Strafbarkeit wird durch den gesetzlichen Tatbestand schließlich vollständig beschrieben.
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Da die Ermächtigungsgrundlage nicht in die Strafnorm hineingelesen wird (vgl. aber Rn. 28), können mit Einschränkungen auch ausländische Hoheitsakte bei der Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen im Inland eine Rolle spielen[130]. Die meisten der einschlägigen Tatbestände schützen freilich überindividuelle Rechtsgüter. Dies hat zur Folge, dass Auslandssachverhalte grundsätzlich vom Schutzbereich nicht erfasst werden, es sei denn, es ist ausdrücklich etwas anderes geregelt[131]. Eine Strafbarkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVG kann aber auch bei Führen eines Kraftfahrzeugs im Inland vom Vorhandensein einer ausländischen Fahrerlaubnis (vgl. §§ 28 ff. FeV) abhängen. Ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Schengen-Visum schließt eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nrn. 2-3 AufenthaltsG wegen illegalen Aufenthalts oder illegaler Einreise aus. Im Rahmen von § 266a Abs. 1 StGB entfaltet die Entsendebescheinigung eines anderen EU-Mitgliedstaates nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 Bindungswirkung und entscheidet, ob sich ein Unternehmer beim Einsatz ausländischer Mitarbeiter wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt strafbar gemacht hat[132]. Im Umweltstrafrecht gilt nunmehr § 330d Abs. 2 S. 1 Nr. 3–7 StGB für Untersagungsverfügungen, Genehmigungen etc. anderer EU-Mitgliedstaaten. Die meisten belastenden Hoheitsakte eines ausländischen Staates, die im Inland Wirkung entfalten sollen, bedürfen allerdings einer inländischen Vollstreckbarkeitserklärung. Wenn diese Möglichkeit nicht besteht, dürfen sie vorher auch nicht auf dem Umweg über eine Strafbewehrung durchgesetzt werden; die Missachtung eines ausländischen strafgerichtlichen Berufsverbots im Inland zieht deshalb keine Strafbarkeit nach § 145c StGB nach sich (solange auch kein Abkommen nach § 49 Abs. 5 IRG geschlossen wurde)[133].