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1. Thomas Hobbes (1588–1679)
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Hermann Klenner zufolge ist Hobbes der erste Denker der Wissenschaftsgeschichte, der „die Gesellschafts-, Staats- und Rechtsphilosophie ausdrücklich, vollständig und systematisch von Theologie und Ethik ab…koppelt“.[53] Dies hat ihm nicht nur Freunde verschafft. Auch und gerade Hobbes Darlegungen zu den philosophischen Grundlagen des Strafrechts zeigen sein Bemühen um einen Neuanfang.[54]
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Hobbes definiert in seinem Hauptwerk „Leviathan“ (1651) die Strafe als „ein Übel, das durch die öffentliche Autorität dem zugefügt wird, der etwas getan oder unterlassen hat, was eben diese Autorität als Gesetzesübertretung beurteilt, zu dem Zweck, dass der Wille der Menschen dadurch umso besser zum Gehorsam geneigt gemacht wird.“[55] Diese Festlegung erlaubt es ihm, staatliches Strafen klar von der Sanktionierung religiöser Übertretungen abzugrenzen.
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Wie Grotius[56] will auch Hobbes der Strafbefugnis ein neues, nicht-theokratisches Fundament geben. Sein Neuansatz besteht in der Einbettung der Strafbefugnis in das Konzept eines Gesellschaftsvertrags.[57] Allerdings wird bei Hobbes die natürliche Strafbefugnis, die jedermann im Naturzustand besitzt, selbst nicht vertraglich begründet und auch nicht übertragen. Hobbes schreibt:
„Bei der Gründung eines Gemeinwesens verzichtet jeder auf das Recht, einen anderen zu verteidigen, nicht aber darauf, sich selbst zu verteidigen. Er verpflichtet sich auch, dem Inhaber der Souveränität bei der Bestrafung eines anderen zu helfen, nicht aber bei seiner eigenen Bestrafung. Aber der Abschluss eines Vertrages, dem Souverän bei der Schädigung eines anderen zu helfen, falls der Vertragsschließende nicht ein Recht hat, dies selbst zu tun, bedeutet nicht, ihm ein Recht zum Bestrafen zu übertragen. Es ist daher offenkundig, dass das Recht des Gemeinwesens (d.h. desjenigen oder derjenigen, die es vertreten) zur Bestrafung nicht auf ein Zugeständnis oder ein Geschenk der Untertanen begründet ist.“[58]
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Hobbes begründet die Strafbefugnis nicht vertraglich, sondern vielmehr damit, dass die Untertanen bei der Staatsgründung auf ihr eigenes Recht zu strafen verzichten, so dass die Strafbefugnis des Staates die einzig verbliebene ist: Die „Untertanen übertrugen dem Souverän dieses Recht nicht, sondern nur indem sie ihr Recht aufgaben, stärkten sie ihn, um von dem seinen Gebrauch zu machen, wie es ihn zu ihrer aller Erhaltung richtig dünken würde.“[59]
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Bemerkenswert deutlich unterscheidet Hobbes Sünden von Verbrechen. Für ihn ist zwar jedes Verbrechen eine Sünde, aber nicht jede Sünde ein Verbrechen. Hobbes verdeutlicht dies unter Hinweis darauf, dass bereits die Vorstellung eines Diebstahls oder eines Tötungsdelikt eine Sünde sei, da Gott auch die Gedanken der Menschen sehe. Dagegen handele es sich bei einer Sünde nicht um ein Verbrechen, „solange sie nicht durch eine Handlung oder Äußerung zutage tritt, wodurch ein menschlicher Richter den Vorsatz beweisen kann.“[60]
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Der Rekurs auf die Beweisbedürftigkeit eines Vorwurfs darf durchaus schon als Hinweis auf die Notwendigkeit eines rechtsstaatlichen Verfahrens gedeutet werden.[61] In diesen Zusammenhang gehört auch Hobbes Feststellung: „Wo kein staatliches Gesetz ist, gibt es kein Verbrechen“,[62] worin das Gesetzlichkeitsprinzip zumindest anklingt. Sehr bemerkenswert ist, dass Hobbes bereits die Wirkung von Kulturunterschieden auf das Strafrecht diskutiert: „Unkenntnis des staatlichen Gesetzes rechtfertigt einen Menschen in einem fremden Land, bis es ihm kundgetan wird, denn solange ist kein staatliches Gesetz bindend.“[63] Auf der Seite der Rechtsfolgen einer Straftat unterscheidet Hobbes Körperstrafen, Geldstrafen, Ehrverlust,[64] Haft und Exil.
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Positive Bezugnahmen auf Hobbes Strafrechtsphilosophie finden sich in der kontinentaleuropäischen (Straf-)Philosophie der Aufklärung selten. Dennoch waren seine Ausführungen wegen ihrer konsequenten Loslösung von einem theokratischen Fundament und ihrer begrifflichen Schärfe einflussreich. Noch Feuerbach setzt sich in einem seiner frühesten Werke, dem „Anti-Hobbes“ (1798), kritisch mit Hobbes auseinander, ohne sich allerdings gedanklich von ihm lösen zu können.[65] Prägend und zukunftsweisend wurde die (bei Hobbes allerdings nur angesprochene, aber nicht durchgeführte) Herleitung der Strafgewalt aus dem Gesellschaftsvertrag.