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2. Die Strafrechtsreformen Friedrichs II.

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Zu den ersten Staaten, die die rechtspolitischen Forderungen der Aufklärer umzusetzen begannen, gehörte Preußen.[137] Unter seinem Herrscher Friedrich II., der von 1740 bis 1786 regierte, wurde eine Vielzahl von Reformen, gerade auch im Strafrecht, vorbereitet und umgesetzt,[138] wobei vor allem die bereits wenige Tage nach Friedrichs Regierungsantritt verkündete Abschaffung der Folter in ganz Europa als Paukenschlag empfunden wurde.[139]

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Zu den Philosophen, die den jungen König beeinflusst haben, gehören Christian Wolff, Montesquieu und vor allem Voltaire, mit dem Friedrich bereits als Thronfolger in den 30er Jahren korrespondierte und bis zu Voltaires Tod 1778 eine (durchaus nicht immer spannungsfreie) Freundschaft aufrecht erhielt. Der „Philosophenkönig“ Friedrich II. war, auch insofern ein typischer Aufklärer, schriftstellerisch aktiv und hat eine Fülle von Texten über Fragen der Staats- und Militärführung, der Religion und des Rechts hinterlassen.[140] Hinzu treten zahllose Aktennotizen, Fallentscheidungen und Kabinettorders. Bereits im Jahr 1739/1740 publizierte er den „Anti-Machiavell“,[141] eine scharfe Abrechnung mit Niccolò Machiavellis Schrift über den „Fürsten“ (1532). Friedrich II. reduziert den scharfsinnigen Florentiner darin etwas naiv und reichlich konventionell auf einen „Lehrmeister des Verbrechens“, dem er die Gebote der „Menschlichkeit“ gegenüberstellt. Bemerkenswert ist aber immerhin das Bekenntnis zur Theorie des Gesellschaftsvertrags, das sich im „Anti-Machiavell“ ebenso wie in vielen anderen Schriften Friedrichs II. findet. Aufschlussreich ist ferner Friedrichs Rechtfertigung des Präventivkriegs, eine Position, die der junge König nur allzu schnell in die Praxis umsetzen sollte.

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Ein Schlüsseldokument für Friedrichs (straf-)rechtspolitische Vorstellungen ist seine „Abhandlung über die Gründe zur Einführung und Abschaffung der Gesetze“, die Anfang 1750 in der Berliner Akademie der Wissenschaften verlesen wurde. Der Text dürfte unmittelbar unter dem Eindruck des 1748 erschienenen Hauptwerks Montesquieus „Vom Geist der Gesetze“ entstanden sein. Nach einem Überblick über die wesentlichen Etappen der Gesetzgebungsgeschichte der Menschheit zieht Friedrich folgendes Resümee:

„Untersucht man das Verfahren der weisesten Gesetzgeber, so findet man, dass die Gesetze sich nach der Regierungsverfassung und dem Geiste der Nation, welche dieselben empfangen soll, sich richten müssen, dass die besten Gesetzgeber nur das allgemeine Wohl beabsichtigen, und dass im Allgemeinen alle Gesetze, die am meisten der natürlichen Billigkeit gemäß sind, auch, mit wenigen Ausnahmen, die besten sind.“[142]

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In diesem knappen Zitat werden drei zentrale Elemente der friderizianischen Gesetzgebungspolitik angesprochen: die im Anschluss an Montesquieu formulierte Einsicht in die Orts- und Gesellschaftsrelativität der Gesetzgebung, die Orientierung am „allgemeinen Wohl“ und schließlich das Bekenntnis zu einer „natürlichen Billigkeit“, ein Konzept, welches Friedrich leider nicht näher erläutert.

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Wenn Gesetze „milde und billig sind“, so heißt es weiter, „so bestehen sie von selbst; sind sie hart und tyrannisch, so werden sie bald abgeschafft, weil man sie nur mit Gewalt aufrecht halten kann.“[143] Entschieden wendet sich Friedrich gegen die Folter und verteidigt ihre Abschaffung gegen den Vorwurf, sie führe zu Nachweisproblemen.[144] Sehr bemerkenswert ist seine Rechtskritik, etwa an den Gesetzen über uneheliche Geburten, welche die Mütter ehrlos machten und auf diese Weise Abtreibungen nicht verhinderten, sondern die betroffenen Frauen geradezu dazu drängten.[145] Friedrich spricht sich des Weiteren für klare, widerspruchsfreie, aus sich heraus verständliche Gesetze aus und lässt Sympathien für eine Kodifizierung erkennen.[146] Der Text endet mit einer Skizze des Menschenbildes des Preußenkönigs:

„Sich einbilden, die Menschen seien lauter Teufel, die sich grausam untereinander zerfleischen wollen, ist die Grille eines Menschenfeindes; ihnen aber die Zügel schießen zu lassen, wäre der Einfall eines dummen Kapuziners. Als vernünftiger Mensch nimmt man an, dass sie weder alle gut, noch alle böse seien, belohnt die guten Taten über ihrem Wert, bestraft die schlechten unter dem, was sie verdienen, hat Nachsicht mit ihren Schwächen, und übt Menschlichkeit gegen alle aus.“[147]

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Dies war die Grundlage, auf der Friedrich II. weitreichende Reformen des Strafrechts in die Wege leitete. Bereits erwähnt wurde die Abschaffung der Folter durch eine Kabinettorder vom 3. Juni 1740; ausgenommen waren nur schwere Staatsverbrechen, Mord mit mehreren Getöteten und Fälle, in denen noch Mittäter ausfindig gemacht werden mussten. Mitte der 50er Jahre wurden auch diese Restbestände abgeschafft. Aktiv ging Friedrich gegen übermäßig harte, unverhältnismäßige Strafen vor, etwa das Säcken. Andere Formen der Todesstrafe wurden zumindest in der Praxis abgemildert.[148] Neben die Abschreckung trat die Kriminalprävention als zentrale polizeiliche Aufgabe. Keine Strafmilderungen akzeptierte Friedrich II. dagegen bei Dienstpflichtverletzungen von Beamten, und auch das preußische Militärstrafrecht blieb in seiner vollen Brutalität erhalten.[149]

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Um Friedrich II. ranken sich zwei Müller-Geschichten, von denen die eine, über den „Müller von Sanssouci“, in das Reich der Legende gehört.[150] Dagegen spielte sich die Auseinandersetzung um den Wassermüller Arnold aus Züllichau (Kreis Kosen) tatsächlich ab und führte sogar zu einer veritablen Justizkrise in Preußen. Es ging dabei um den (rechtswidrigen) Eingriff des Königs in einen Rechtsfall.[151] Ogris nennt diesen Fall einen „Markstein in der Rechtsentwicklung des 18. Jahrhunderts.“[152] Der Fall führt vor Augen, dass das Preußen Friedrichs II. trotz aller Reformbemühungen des aufgeklärten „Philosophenkönigs“ von Rechtsstaatlichkeit in unserem Sinne immer noch weit entfernt war.

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