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Neue Militärdoktrin und neue Kriegsökonomie

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Es handelt sich dabei aber keineswegs um eine Abrüstung, sondern vielmehr um eine Umrüstung für andere Aufgaben. Die Verschlankung der Militärapparate folgt nicht nur der zur alleinseligmachenden Religion erklärten betriebswirtschaftlichen Politik der Kostensenkung in allen gesellschaftlichen Bereichen, sondern ergibt sich auch aus einer mit dem ökonomischen Paradigma vermittelten Umorientierung der Militärdoktrin selbst. Die Strategie kann nicht mehr durch die Logik einer nationalimperialen Ausdehnungsmacht bestimmt sein, ebenso wenig aber durch das Ziel, eine antipodische Gegenmacht auf globaler Ebene niederzuringen.

Da auf diese Weise endgültig die Option entfällt, große territoriale Räume militärisch zu erobern oder zu verteidigen und besetzt zu halten, müssen zwangsläufig alle territorialen Aspekte des Militärischen bis hin zur technischen Ausrüstung schrumpfen. Die „Deterritorialisierung“ der Gesellschaft, die ökonomisch im Krisenprozess der Globalisierung und politisch in der Paralyse nationalstaatlicher Regulation erscheint, macht sich auch militärisch als Abbau der traditionellen großen Landarmeen bemerkbar, womit die fordistische motorisierte Infanterie- und Panzertruppe ebenso wie die klassische Artillerie, die entsprechende Logistik etc. einen relativen militärischen Bedeutungsverlust erleiden.

Was zwar nicht völlig an die Stelle dieser traditionellen Landarmeen, aber doch eindeutig in den Mittelpunkt der Militärstrategie tritt, sind eben jene „mobilen Eingreiftruppen“ und Hightech-Gewaltapparate für „Luftschläge“ (elektronisch bestückte Bomberflotten und Raketensysteme aller Art), wie sie in den beiden Weltordnungskriegen der 90er Jahre in größerem Maßstab erprobt worden sind. Keineswegs zufällig erinnert das Vokabular dieser militärischen Umrüstung an die Kampagnen zur „Flexibilisierung der Arbeitskraft“, womit nur der niemals unterbrochene innere Strukturzusammenhang von moderner Kriegsökonomie und kapitalistischer Entwicklung abermals deutlich wird: Wie in der prekären Reproduktion des Krisenkapitals an die Stelle massenhafter und hochkonzentrierter fordistischer „Armeen der Arbeit“ ein System global diversifizierter, extrem verschlankter betriebswirtschaftlicher Funktionsbereiche mit hoher Mobilität tritt, jeweils organisiert als nomadische „Profit-Center“ mit erst recht hohen Flexibilitätsanforderungen - ebenso löst militärisch das Paradigma flexibler und weltweit mobiler Einheiten von „schlanken“ Spezialtruppen mit Hightech-Ausrüstung, die vorwiegend aus der Luft operieren, das Paradigma infantristischer und gepanzerter Massenarmeen ab.

Nicht nur im Anforderungsprofil, sondern auch in der grundsätzlichen Logik entsprechen sich ökonomische und militärische Entwicklung im Zuge der dritten industriellen Revolution: Die menschliche Arbeitskraft wird auch als Vernichtungskraft überflüssig; auch der militärische Schreibtischtäter braucht fast keine „Hände“ mehr. Mit immer weniger menschlicher Energie wird immer mehr produziert und gleichzeitig immer mehr vernichtet. Das Verhältnis von Sachkapital und lebendiger Arbeit ist sowohl auf dem Sektor der Produktivkräfte als auch auf dem Sektor der Destruktivkräfte endgültig umgekippt. Der „organischen Zusammensetzung des Kapitals“ (Marx) entspricht die „organische Zusammensetzung“ des Vernichtungsapparats. In der Produktion wie beim Militär wird der technologische Mitteleinsatz entscheidend.

Der ersten industriellen Revolution (Einsatz von Dampfmaschinen usw.) war noch keine einschneidende Änderung von Kriegführung und Militärdoktrin gefolgt; vielmehr war diese industrielle Revolution umgekehrt selber eine Folge der vorhergehenden militärischen Revolution (Feuerwaffen-Technologie) seit dem 15./16. Jahrhundert. Erst in der zweiten industriellen Revolution des „Fordismus“ seit Beginn des 20. Jahrhunderts kehrte sich das Verhältnis um; jetzt revolutionierten die neuen kapitalistischen Technologien (Verbrennungsmotor, Flugzeuge, U-Boote, neue elektronische Nachrichtensysteme etc.) ihrerseits den Gewaltapparat: Der Krieg selber wurde im großen Maßstab industrialisiert. Auf der Stufe der fordistischen industriellen „Massenarbeit“ entwickelten sich nicht nur entsprechende neue Rüstungsindustrien, sondern auch entsprechende neue Armeen von industriellen Facharbeitern wie „Massenarbeitern“ des Todes in Gestalt von motorisierter Infantrie, Panzertruppen und „Luftwaffen“. Indem nun die dritte industrielle Revolution auch die Kriegführung immer weiter elektronisiert und robotisiert, bleibt nur noch ein Bodensatz menschlicher Spezialtruppen mit gigantischen Ausrüstungen und hochgezüchteten Apparaturen zurück. Die Kosten pro „Arbeitsplatz“ wie pro „Mordplatz“ schnellen qua exorbitant erhöhtem Sachkapital-Einsatz in die Höhe; dafür sinken die Produktionskosten pro Auto wie pro Leiche entsprechend.

Ein Moment dieser Veränderungen ist es, dass das Militär aufhört, ein gesellschaftspolitisch eingebundener Bereich zu sein. Es wird zum „Job“ für gut trainierte Profis wie Fliesenlegen oder Autos verkaufen. Selbst die „Privatisierung“ der Hightech-Weltpolizei ist denkbar; warum auch nicht, wenn selbst die Gefängnisse privatisiert werden? Deshalb liegt das Ende der Wehrpflichtigenarmee oder „Bürgerarmee“ in der Logik dieser Umrüstung, die mit einem numerischen Abbau der Streitkräfte einhergeht. Andererseits bedeutet dies, dass die industriell „Überflüssigen“ auch militärisch „überflüssig“ werden; die Armeen bilden keine Reserve-Kapazitäten mehr, um die Krisen des ökonomischen Zyklus aufzufangen. Ebenso wenig kann die Militarisierung der Gesellschaft real Massen von Menschen erfassen, sondern bleibt im ideologischen Sektor stecken; ein weiterer innerer Widerspruch der Entwicklung des „ideellen Gesamtimperialismus“ zur kapitalistischen Weltpolizei mit globalem Kontrollanspruch.

Es versteht sich von selbst, dass diese Weltpolizei-Verbände - wiederum analog zur ökonomischen Entwicklung - von vornherein multi- oder transnational im Rahmen der NATO aufgebaut werden. Schon Anfang der 90er Jahre wurden nach dem Kollaps der Sowjetunion Pläne für erste Verbände einer neuen „multinationalen, luftbeweglichen“ Eingreiftruppe entwickelt: „Angesichts der inzwischen erfolgten sicherheitspolitischen Umwälzung in Europa, die neue strategische und operative Gegebenheiten sich herausbilden lässt, läuft nun ohnehin vieles auf Multinationalität hinaus. So soll für die schnellen Eingreiftruppen des Bündnisses ein multinationales Korps, das ‚Allied Rapid Reaction Corps‘ (ARRC), zusammengefügt werden - unter britischem Oberbefehl voraussichtlich aus zwei britischen Divisionen, einer deutschen Division und einem multinationalen Verband…“ (Neue Zürcher Zeitung, 27.9.1991). Heute sind diese neuen militärischen Strukturen bereits weit fortgeschritten und auch für die deutsche Bundeswehr zum Alltag geworden. So üben auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg regelmäßig Soldaten für den Einsatz als „Krisenreaktionskräfte“; sinnigerweise in einem fiktiven Land namens „Krisovo“ mit mehreren hundert Statisten, die orientalisches Verhalten mimen (Pfeiffer 1999).

Auch in dieser Hinsicht ist und bleibt es der Gewaltapparat der „letzten Weltmacht“ USA, der das Muster für die Umorientierung bildet: „Seit den achtziger Jahren schrumpfte die Army um 40 Prozent - von 780.000 auf etwa 470.000 Soldaten. Sie verfügte einst über 18 Divisionen; heute sind es nur noch zehn, sechs stark gepanzerte und vier leichte Infanterie- oder Luftlandedivisionen. Gleichwohl hat die Army immer noch genauso viel zu tun (!) wie einst“ (Myers 1999). Die übrigen NATO-Staaten folgen mit ihren Militärreformen mehr oder weniger schnell den US-Vorgaben; die diversen Debatten über und Maßnahmen zur Verschlankung der Armee und Abbau, Einschränkung oder gänzlichen Aufhebung der Wehrpflicht gehen alle in dieselbe Richtung, wie sie von der Logik des neuen Interventionismus vorgezeichnet ist.

Der Begriff der „Weltpolizei“ erhält in diesem Zusammenhang erst seinen vollen Sinn, tritt aus einem bloß metaphorischen Verständnis heraus und wird buchstäblich. Als Resultat zeichnen sich über die bisherige Struktur der NATO hinaus die Konturen supranational organisierter Weltpolizeitruppen ab, ohne dass damit die Widersprüchlichkeit von nationalstaatlicher Form und supranational-globaler Funktion aufgehoben werden könnte.

Derselbe Widerspruch, wie er im Gegensatz von kapitalistisch unabdingbarer nationalstaatlicher Form und globalem Kontrollanspruch erscheint, drückt sich auch in der Diskrepanz von eigentlich binnenstaatlich beschränkter Polizeifunktion und globalem Einsatzbereich, von großflächig orientierten militärischen Vernichtungspotentialen und auf Personen oder Gruppen orientierten polizeilichen „Sicherheitsfunktionen“, von anonymer Hightech-Fernwirkung und gesellschaftlichem Nahbereich des Polizeibegriffs aus. Die angeblichen Präzisions-Wunderwaffen der elektronischen Rüstungsschmieden, die den selektiven weltpolizeilichen Zugriff ermöglichen sollen, sind in Wirklichkeit schwere militärische Streuwaffen mit Flächenwirkung, die ganze Landschaften verwüsten, ganze Straßenzüge und Stadtteile in Schutt und Asche legen. Dabei werden regelmäßig viel mehr Unbeteiligte und im juristischen Sinne Unschuldige getötet als definierte „Feinde“, die sich von der „Bevölkerung“ der marktwirtschaftlich ruinierten Krisenregionen schwer unterscheiden lassen und deren Definition ohnehin unklar und zweifelhaft ist.

Im Alltagsbewusstsein der weltpolizeilichen Funktionsträger nimmt die Pathologie all dieser Widersprüchlichkeiten, die zwanghaft auf den ökonomisierten Alltag verengt werden, geradezu monströse Formen an; die Hightech-Vernichtungsmaschinen erscheinen tatsächlich als ganz normale „Arbeitsplätze“. So heißt es in einer Reportage über die US-Bombereinsätze in Jugoslawien: „Vor ein paar Tagen flog der Pilot eines B2-Tarnkappenbombers der US-Air Force von Knob Noster, Missouri, aus nach Jugoslawien. Dort warf er mehr als ein Dutzend 900-Kilo-Bomben ab, die sogar Bunker zerstören können. Danach drehte er ab und flog ohne Zwischenlandung wieder zurück zu seiner Basis im Mittleren Westen der USA… Als er heimkam, so der Pilot, ,küsste mich meine Frau und sagte: Mäh bitte den Rasen, ich gehe derweil die Kinder abholen. Als die häuslichen Pflichten erledigt waren, gingen wir zu Pizza Hut, weil es einen besonderen Anlaß gab‘ - sein erster erfolgreicher Kampfeinsatz. Zum erstenmal in ihrer Geschichte führen die USA einen anhaltenden Bombenkrieg - zum Teil von ihrem eigenen Boden aus. Der Tarnkappenbomber, ein Flugzeug, das mit seiner Spannweite von 52,5 Metern wie ein riesiges Raumschiff von der Form eines Bumerangs aussieht, flog im vergangenen Monat mehr als 30-mal den 30-Stunden-Einsatz von der Luftwaffenbasis Whiteman nach Jugoslawien und zurück. Die 45 in Whiteman stationierten Bomberpiloten erleben etwas Einmaliges in der Geschichte des US-Militärs: Sie wohnen zu Hause und kämpfen gleichzeitig in einem Krieg in einem fernen Land, über das ihre Nachbarn wenig wissen. ‚Der erste Einsatz war an seinem Geburtstag‘, so die Frau eines Piloten. ‚Ich gab ihm ein Lunchpaket mit Geburtstagskuchen mit. Am folgenden Tag hatte mein Sohn ein Fußballspiel und schoss sein erstes Tor‘. Ihr Mann, rechtzeitig wieder zurück, sei darauf sehr stolz gewesen. Dennoch fand sie diese Erfahrung ‚sehr seltsam - erst Bomben werfen, heimkommen und das Fußballspiel des Sohnes anzuschauen‘. Es sei irgendwie unheimlich, sich in seinem eigenen Badezimmer anzukleiden und dann in den Kampf zu ziehen‘, berichtet auch ein Pilot… Wenn sie den feindlichen Luftraum wieder verlassen, ruft ein Offizier auf der Basis ihre Frauen daheim in Knob Noster an… ‚Dann‘, so ein Pilot, ‚holt uns die Wirklichkeit ein.‘ Als er von seinem ersten Bombardierungseinsatz heimkam, war seine Frau noch bei der Arbeit. ‚Ich habe lange geduscht, zwei Stunden geschlafen und dann für meine Frau zum Abendessen Spaghetti gekocht…“ (Ricks 1999).

So haben wir es mit einer Polarisierung zu tun, die exakt den beiden Seiten von Krise und Globalisierung entspricht: Oben der postmoderne Hightech-Spießer, der sich seiner Bombenlast entledigt und an den häuslichen Feierabend denkt; unten der postmoderne scheinbare Archaiker, der mit Flinte, Axt und Messer plündernd und vergewaltigend auf seine Umgebung losgeht. Und es ist nicht zu entscheiden, welcher von beiden das schlimmere Monster darstellt. Beide sind gleichermaßen von Ignoranz und Begriffslosigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Zusammenhängen gezeichnet, die sie hervorgebracht haben.

Die Nemesis der demokratischen Weltignoranz erweist sich allerdings an der durchschlagenden Erfolglosigkeit der Weltordnungskriege, misst man deren Ausgang an ihrem eigentlichen Zweck. Zwar werden Armeen wie die irakische oder die jugoslawische regelmäßig besiegt, aber auf dieser Ebene liegt ja gar nicht das Problem und ist deshalb so auch nicht zu lösen. Woran die selbsternannte Weltpolizei notwendig scheitert, das ist eben ihre polizeiliche Mission, die nicht mit einer politisch-militärischen Option alten Stils verwechselt werden darf. Der „ideelle Gesamtimperialismus“ steht auf hoffnungslosem Posten im Kampf gegen eine Hydra, deren Köpfe er selbst tagtäglich durch sein eigenes weltbeherrschendes, aber nicht mehr reproduktionsfähiges System nachwachsen lässt. Was er umbringen will, züchtet er gleichzeitig.

Das Motiv, das noch am ehesten an die militärischen Aspekte der früheren Außen- und Weltpolitik erinnert, ist die Zwangsabrüstung und Pazifizierung der in ihren Modernisierungsruinen sich verselbständigenden und verwildernden, funktionslos gewordenen Diktaturen, Schurkenstaatsapparate und altertümlichen fordistischen Armeen mit den Waffensystemen einer gescheiterten Industrialisierung. Aber nicht einmal dieses Programm gelingt. Auf jeden gestürzten Krisenpotentaten kann nur ein anderer, womöglich noch schlimmerer folgen. Die unkontrollierten Waffenarsenale, keine Herausforderung auf der Ebene imperialer Gegenmacht, aber Machtmittel für die „Störpotentiale“, füllen sich immer wieder neu. Eine zerbrechende, auf einem riesigen Atomwaffenarsenal sitzende Ex-Weltmacht wie Russland (und in naher Zukunft wahrscheinlich China) steht außerhalb jeder weltpolizeilichen Option; verwahrloste Staatsapparate von Krisen- und Zusammenbruchsökonomien wie Indien und Pakistan haben jetzt erst erfolgreich nach der Atombombe gegriffen und damit das Risiko weltpolizeilicher Eingriffe schlagartig erhöht.

Vor allem deswegen haben sich die USA zu dem vermutlich ebenso technisch undurchführbaren wie unbezahlbaren NMD-Projekt hinreißen lassen: Diese wuchernden und perspektivlosen Gewaltapparate der ökonomisch und zivilisatorisch untergehenden Peripherie sind militärstrategisch gesehen zu unbedeutend, weltpolizeilich gesehen jedoch zu unberechenbar für die gesamtimperialen Zugriffsmittel. Man kann gegen sie keinen großen Atomkrieg führen, sie aber auch nicht totrüsten wie die Sowjetunion (eben weil sie von vornherein gar nicht als globale Gegenmacht operieren) und sie ebenso wenig durch „chirurgische“ Luftschläge und mobile Eingreiftruppen befrieden. Das strategische Format ist immer entweder eine Nummer zu groß oder eine Nummer zu klein.

Vollends die Warlords und bewaffneten Bürgerkriegsbanden, aber auch die von religiösen Wahnvorstellungen getriebenen Terrorgruppen der global verzweigten Plünderungsökonomie, wie sie hinter den löchrigen Staatsfassaden operieren, tauchen einfach unter den Hightech-Gewaltapparaten weg; ihre „Kriege“ sind von keinem weltdemokratischen Pazifizierungsprogramm erreichbar, das gerade darin besteht, die Wirkungen des globalen Krisenkapitalismus gewaltsam ignorieren zu wollen. Ein Machetenkämpfer kann nicht gegen Tarnkappenbomber antreten, aber das gilt auch umgekehrt. Es gibt gar keine gemeinsame Kampfebene mehr.

Die längst postpolitischen und in gewisser Hinsicht auch postmilitärischen „Kräfte“, die sich hier äußern, sind im Fadenkreuz der Weltpolizei nicht einmal organisatorisch eindeutig zu erfassen: „Nicht klar definierte Kommando- und Führungsebenen, wie man sie etwa von der Rote-Armee-Fraktion oder der Irisch-Republikanischen Armee her kennt, sind für solche Gruppen charakteristisch. Vielmehr handelt es sich um amorphe, oft sehr zufällig zusammengewürfelte Gebilde mit flacher Hierarchie, großer Autonomie und dezentralen Organisationsformen…“ (Neue Zürcher Zeitung, 6.5.2000).

Es ist die selber flexibilisierte und individualisierte Barbarei, wie sie ihre Abkunft vom demokratischen Weltkapitalismus der Globalisierung nicht verleugnen kann. Der flexibilisierte, deterritorialisierte Terror und die flexibilisierte, deterritorialisierte Hightech-Weltpolizei entsprechen einander auch auf dieser Ebene spiegelbildlich. Je archaischer vordergründig das Muster des Vorgehens, desto deutlicher gleichzeitig die postmoderne, medial sich tummelnde, bloß etwas andere Subjektivität: So firmieren die tschetschenischen Warlords ebenso wie die als „Moslemrebellen“ titulierten Banditen der philippinischen Abu Sayyaf wie ganz normale Geschäftsleute (die sie ja in gewisser Weise auch sind) im Internet.

Militärische Überlegenheit ist nutzlos, wenn es um einen „molekularen Bürgerkrieg“ (Enzensberger) der Krisenkonkurrenz geht. Die Sfor-Truppen im Kosovo oder in Bosnien, Mazedonien und anderswo gleichen einem überlegen bewaffneten Sheriff in einem Slum, der sich bloß einen Moment umzudrehen braucht - und schon kracht es wieder, eben weil er nichts als der hoffnungslose Garant für die friedliche Erhaltung dieses Slums sein soll. Man kann nicht hinter jeden weltkapitalistisch „überflüssigen“ oder moralisch verwahrlosten Jugendlichen der „verlorenen Generation“ einen Weltpolizisten stellen. Der Versuch, in einer ökonomisch deterritorialisierten Welt die vom Weltmarkt verwüsteten Großterritorien mit einer deterritorialisierten Hightech-Weltpolizei im Zaum zu halten, ist zum Scheitern verurteilt. Gerade deshalb kann er sich quälend lange hinziehen, solange der Crash der Finanzmärkte die weltdemokratische Hybris nicht in ihre Schranken weist und der Weltpolizei die finanzielle Grundlage entzieht.

Weltordnungskrieg

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