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Pax Americana: Der Kampf um die kapitalistische Weltherrschaft ist entschieden

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Als Resultat der Weltkriegsepoche war die aus dem gescheiterten europäischen Kampf um die kapitalistische Weltherrschaft resultierende Entwicklung wesentlich von einer politisch-militärischen Wachablösung bestimmt, und zwar in doppelter Weise.

Zum einen nutzten die kolonialen, abhängigen und/oder kapitalistisch „unterentwickelten“ Weltregionen an der Peripherie des Weltmarkts die Schwäche der blutenden und ihre Wunden leckenden europäischen Hegemonialstaaten des kapitalistischen Zentrums, um die koloniale Herrschaft Europas und damit ihre äußerliche politische Abhängigkeit abzuschütteln.

Den Startschuss für diesen das ganze 20. Jahrhundert durchziehenden Prozess der Entkolonisierung und „nachholenden Modernisierung“ gab unmittelbar am Ende des Ersten Weltkriegs die russische Oktoberrevolution, gewissermaßen die Französische Revolution des Ostens. Zwar gehörte das Zarenreich selber zu den traditionellen europäischen Mächten und hatte sich ebenfalls ein koloniales Imperium zusammengeraubt, wenn auch nicht in Übersee, sondern als Expansion in der kontinentalen eurasischen Landmasse. Aber gleichzeitig war Russland eben auch selber Peripherie ohne eigenständige industrielle Basis und in vieler Hinsicht den kolonialen und abhängigen Weltregionen strukturell durchaus verwandt. Lenin sah die russische Revolution immer im doppelten Zusammenhang von antieuropäischer kolonialer Revolution einerseits und „nachholender Modernisierung“ als bewusstes „Lernen von Westeuropa“ andererseits.

Die damit verbundene Zielbestimmung, obwohl als staatskapitalistischer „Sozialismus“ ideologisch verkleidet, konnte nur darin bestehen, eine eigenständige industrielle Basis und einen Binnenmarkt mit nationalstaatlichem Rahmen zu schaffen, um als selbständiges Nationalsubjekt am kapitalistischen Weltmarkt teilzunehmen. Und genau in dieser Hinsicht strahlte das Paradigma der Oktoberrevolution auf die gesamte Peripherie aus und machte die Sowjetunion zum „Gegenzentrum“ der mit dem Westen konkurrierenden historischen Nachzügler. Die schiere Masse von Bevölkerung, Land und naturalen Ressourcen, staatskapitalistisch mobilisiert im repressiven Industrialisierungsprozess der Stalin-Ära, machte das sowjetische Gegenzentrum auch politisch und militärisch zur Gegenweltmacht, der das von seinen zerfleischenden Kämpfen um die globale Hegemonie erschöpfte europäische Zentrum des westlichen Kapitalismus wenig hätte entgegensetzen können.

Aber in derselben Entwicklung, die den europäischen Kampf um die kapitalistische Weltherrschaft als Patt ausgelaugter und demoralisierter Nationalsubjekte hatte enden lassen, war auch das westliche kapitalistische Machtzentrum selber entscheidend und irreversibel transformiert worden. Denn zum andern hatten sich, parallel zur politisch-militärischen Emanzipation und „nachholenden Modernisierung“ des globalen Ostens und Südens, die USA auf gar nicht einmal so leisen Pfoten, aber dennoch in gewisser Weise hinter dem Rücken der ursprünglichen europäischen Zentralmächte des Kapitals, zur neuen Weltmacht Nr. l aufgeschwungen.

Das Machtzentrum des Kapitalismus hatte sich über den Atlantik nach Nordamerika verlagert. Durchaus ähnlich wie im Fall der Sowjetunion, nur in einer gänzlich anderen, nämlich konkurrenzkapitalistischen statt staatsbürokratischen Tradition, war es die schiere Bevölkerungsmasse auf einer bereits längst entwickelten industriellen Basis, die den Koloss USA im Vergleich zu den eher mickrigen europäischen Nationen als wirkliche Führungsmacht des Kapitals prädestinierte.

Der kontinentale Umfang des Landes zwischen Atlantik und Pazifik (mit dem Blick eines Januskopfes gleichzeitig nach Europa und Asien), die wie in Russland scheinbare Unerschöpflichkeit der natürlichen Ressourcen und die (im Unterschied zu Russland) geballte Masse der Kaufkraft konstituierten den bis heute größten Binnenmarkt der Welt. Deshalb gingen die wichtigsten kapitalistischen Entwicklungen, sozialen Strukturveränderungen, technologischen und kulturellen Trends zunehmend von den USA aus, um anschließend in mehr oder minder großem Ausmaß die Welt zu überrollen. Kein Wunder, dass das 20. Jahrhundert „das amerikanische Jahrhundert“ genannt wurde (zuerst von Henry Luce im Jahr 1941, wie der US-Historiker Paul Kennedy bemerkt).

Vor diesem Hintergrund wuchs auch die militärische Potenz der aufsteigenden Weltmacht USA in eine bis dahin unbekannte Dimension hinein. Schon die beiden Weltkriege waren nur durch das Eingreifen der USA entschieden worden, und die europäischen „Siegermächte“ sahen dem deutschen Verlierer nicht nur hinsichtlich der erlittenen Schäden zum Verwechseln ähnlich, sondern sanken auch rasch zu mehr oder weniger verschämten bzw. aufmüpfigen, die eigene imperiale „Ehre“ pflegenden Hintersassen der USA herab; dabei in mancher Hinsicht ehemaligen Diven vergleichbar, die im bitteren Alter den verflossenen Zeiten ihrer jugendlichen Erfolge nachtrauern.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Überlegenheit der neuen Weltmacht Nr. l in jeder Hinsicht derart erdrückend, dass sie die wechselnden Vorteile aller früheren, immer nur vorübergehenden europäischen Vormächte weit übertraf. Nicht ohne Stolz stellt Paul Kennedy fest: „Weil der Rest der Welt nach dem Krieg so erschöpft war oder sich immer noch im Zustand kolonialer ,Unterentwicklung‘ befand, war die amerikanische Macht 1945 - in Ermangelung eines besseren Begriffs - künstlich so hoch wie beispielsweise die britische um 1815. Trotzdem waren die tatsächlichen Dimensionen ihrer Macht in absoluten Zahlen historisch beispiellos… In der Tat expandierte die Industrie in den Vereinigten Staaten in den Jahren 1940 bis 1944 schneller - über 15 Prozent im Jahr - als je zuvor oder danach… Der Lebensstandard und die Produktivität pro Kopf waren höher als in allen anderen Ländern. Die Vereinigten Staaten waren das einzige Land unter den Großmächten, das durch den Krieg reicher - und tatsächlich viel reicher - wurde statt ärmer“ (Kennedy 1991/1987, 533 f.).

Zwei Drittel der gesamten Goldreserven der Welt lagerten am Ende des Zweiten Weltkriegs in Fort Knox, dem Schatzhaus Washingtons. Und dieser monetären absoluten Überlegenheit entsprach die industrielle: „1945 befinden sich drei Viertel des auf der Welt investierten Kapitals und zwei Drittel der intakten industriellen Produktionskapazitäten in den USA“ (Ott/Schäfer 1984, 420). Mit dieser überwältigenden ökonomischen Macht im Rücken entstand seit dem Zweiten Weltkrieg die „permanente Kriegswirtschaft“ der USA, deren Rüstungsindustrie, Armeestärke, permanent weiterentwickelte technologische Ausrüstung und globale militärische Präsenz (heute in 65 Ländern aller Kontinente) für die übrigen Mächte des westlichen kapitalistischen Zentrums rasch uneinholbar wurden.

Nur die Sowjetunion als staatskapitalistische Gegenweltmacht der historischen Nachzügler konnte den USA nach 1945 politisch-militärisch noch einige Zeit Paroli bieten, wie umgekehrt allein die USA als westliche Vormacht an Stelle der abgetakelten europäischen Mächte das konkurrierende staatskapitalistische Gegensystem (und dessen Ausstrahlungskraft auf die gesamte Peripherie) in Schach zu halten vermochten.

Schon im 19. Jahrhundert hatte der französische Historiker und Gesellschaftstheoretiker Alexis de Tocqueville diese Konstellation in einer berühmten, immer wieder zitierten Prognose richtig vorausgesehen: „Es gibt heute auf Erden zwei große Völker, die, von verschiedenen Punkten ausgegangen, dem gleichen Ziel zuzustreben scheinen: die Russen und die Angloamerikaner. Beide sind im Verborgenen groß geworden, und während die Blicke der Menschen sich anderswohin richteten, sind sie plötzlich in die vorderste Reihe der Nationen getreten, und die Welt hat fast zur gleichen Zeit von ihrer Geburt wie von ihrer Größe erfahren. Alle anderen Völker scheinen die Grenzen ungefähr erreicht zu haben, die ihnen die Natur gezogen hat, und nur noch zum Bewahren dazusein; sie aber wachsen: alle anderen stehen still oder schreiten nur mit großer Mühe weiter; sie allein gehen leichten und raschen Schrittes auf einer Bahn, deren Ende das Auge noch nicht zu erkennen vermag. Der Amerikaner kämpft gegen die Hindernisse, die ihm die Natur entgegenstellt; der Russe ringt mit den Menschen. Der eine bekämpft die Wildnis und die Barbarei, der andere die mit all ihren Waffen gerüstete Zivilisation: so erfolgen denn die Eroberungen des Amerikaners mit der Pflugschar des Bauern, die des Russen mit dem Schwert des Soldaten. Um sein Ziel zu erreichen, stützt sich der eine auf den persönlichen Vorteil und lässt die Kraft und die Vernunft der einzelnen Menschen handeln, ohne sie zu lenken. Der zweite fasst gewissermaßen in einem Manne die ganze Macht der Gesellschaft zusammen. Dem einen ist Hauptmittel des Wirkens die Freiheit, dem andern die Knechtschaft. Ihr Ausgangspunkt ist verschieden, ihre Wege sind ungleich; dennoch scheint jeder von ihnen nach einem geheimen Plan der Vorsehung berufen, eines Tages die Geschicke der halben Welt in seiner Hand zu halten“ (Tocqueville 1987/1835, 613).

Was Tocqueville hier in der Sprache des 19. Jahrhunderts formuliert, ist erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wahr geworden: die Aufteilung der Welt unter die USA und die Sowjetunion, und die letzte Zuspitzung des Kampfes um die Weltherrschaft innerhalb des modernen warenproduzierenden Systems zwischen diesen beiden Mächten, die in der Epoche des Kalten Krieges auf durchaus zutreffende Weise im Unterschied zu den vorherigen Groß-, Vor- und Weltmächten als „Supermächte“ bezeichnet wurden; beide gleichermaßen und nicht zufällig „multiethnische“ Bundesstaaten von kontinentalen Ausmaßen, die über den beschränkten kapitalistischen Nationsbegriff Europas in allen seinen Varianten hinausgewuchert waren.

Auch an der gegensätzlichen Struktur dieser beiden Mächte, die nach 1945 als „Systemkonflikt“ begrifflich überdehnt wurde, hatte Tocqueville etwas Richtiges wahrgenommen, es allerdings bereits nicht weniger überspitzt und nur halb wahr formuliert wie die Protagonisten dieses Gegensatzes mehr als ein Jahrhundert später. Die heutige Welt ist noch immer ebenso unfähig, das gemeinsame kategoriale Bezugssystem der modernen Warenproduktion als eine distinkte historische Gesellschaftsform (statt als ahistorische gesellschaftliche Ontologie) wahrzunehmen wie die Zeit Tocquevilles. Was bereits diesem als grundsätzliche Differenz erschien, sind nur die beiden Pole kapitalistischer Vergesellschaftung von Markt und Staat; beide im gleichen Ausmaß repressiv, denn der bürokratischen Macht steht nicht die „Freiheit“ schlechthin gegenüber, sondern nur die durch den Zwang der Konkurrenz selber in Despotismus umschlagende sogenannte Marktfreiheit.

Der Staatskapitalismus war in Wahrheit nicht nur in Russland (schon zur Zarenzeit), sondern auch in West- und Mitteleuropa die ursprüngliche Konstitutionsform der kapitalistischen Produktionsweise, wie sie der feudalen Agrargesellschaft übergestülpt wurde. Es gehörte neben dem industriellen Entwicklungsstand und der kontinentalen Dimension des Binnenmarktes zur einzigartigen kapitalistischen Potenz der USA, dass dort diese ursprüngliche europäische Transformationsform überflüssig war und sich das Kapital von vornherein in systemisch fortgeschrittenen Formen entwickeln konnte; ganz unbehindert durch eine historische Sedimentierung vormoderner Produktionsweisen und Kulturen, denn die europäischen Kolonisatoren hatten ja nicht nur losgelöst von den zurückgelassenen Strukturen auf dem Nullpunkt eines neuen Entwicklungsniveaus beginnen können, sondern auch die Gesellschaften der Ureinwohner nahezu ausgerottet und auf diese Weise die nördliche Hemisphäre der „Neuen Welt“ zum gewissermaßen jungfräulichen Boden und einmaligen Experimentierfeld der Modernisierung gemacht. Sobald im 20. Jahrhundert Kapitalstock und Industrialisierungsgrad der USA über das Niveau der alten europäischen Zentralmächte hinauswuchsen, gab dieser besondere historisch-kulturelle Charakter dem Aufstieg zur Supermacht eine zusätzliche Schubkraft.

Im Verhältnis der beiden Supermächte waren also die USA eindeutig die bei weitem fortgeschrittenere Gesellschaft auf dem Boden des modernen warenproduzierenden Systems. Deshalb hätte es eigentlich keinen Zweifel geben dürfen, wie der letzte Kampf um die kapitalistische Weltherrschaft ausgehen musste. Diese Zweifel rührten auch immer nur daher, dass der Sowjetunion qua vermeintlich alternativer „sozialistischer“ Systemqualität eine Durchhalte- und Entwicklungsfähigkeit zugetraut wurde, die sie gar nicht hatte - eben weil die gemeinsame, über den Weltmarkt vermittelte Qualität als warenproduzierende Gesellschaft außerhalb der kritischen Analyse blieb. Genau dieser gemeinsamen gesellschaftlichen Basisform wegen war die Sowjetunion nun einmal keine historische Alternative, sondern nur die staatskapitalistische Gegenweltmacht der historischen Nachzügler und als solche auf die Dauer unterlegen.

Diese Unterlegenheit schlug sich nicht zuletzt auch in militärischer Hinsicht nieder. Weder von der Kapitalkraft noch von den wissenschaftlich-technologischen Mitteln her konnte die Sowjetunion den permanenten Rüstungswettlauf durchhalten. Wie das staatskapitalistische Gegensystem generell unfähig war, den Übergang zur dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik in der gesamten gesellschaftlichen Reproduktion mitzuvollziehen, so fiel die sowjetische Militärmacht auch bei der mikroelektronischen Aufrüstung durch Hightech-Waffensysteme immer weiter hinter die USA zurück. Damit scheiterte der östliche Staatskapitalismus in den 80er Jahren ökonomisch am Weltmarkt, an dessen Kriterien und Standards er sich als warenproduzierendes System messen lassen musste, und er wurde gleichzeitig militärisch totgerüstet. Der vollständige Zusammenbruch war die logische Konsequenz.

War der polyzentrische Kampf der alten europäischen Kapitalmächte um die Welthegemonie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in das bipolare Ringen der beiden Supermächte umgeschlagen, so hat sich am Ende des 20. Jahrhunderts eine neue monozentrische Struktur und ein einheitliches kapitalistisches Weltsystem unter alleiniger Ägide der USA herausgebildet. Es ist keine Macht mehr denkbar, die sich auf der gesellschaftlichen Grundlage des modernen warenproduzierenden Systems noch einmal zur welthegemonialen Rivalität aufschwingen könnte, weder hinsichtlich der militärisch-technologischen Potenz noch hinsichtlich der ökonomischen und politischen Dimension oder der Finanzkraft.

Die USA sind heute wirklich „die einzige Weltmacht“, wie der US-Politologe Zbigniew Brzezinski (Professor für Außenpolitik in Baltimore und Berater am „Zentrum für Strategische und Internationale Studien“ in Washington) in seinem so betitelten, 1997 erschienenen Buch über die globale US-Hegemonie feststellt: „Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat sich die Weltlage tiefgreifend verändert. Zum ersten Mal in der Geschichte trat ein außereurasischer Staat nicht nur als der Schiedsrichter eurasischer Machtverhältnisse, sondern als die überragende Weltmacht schlechthin hervor. Mit dem Scheitern und dem Zusammenbruch der Sowjetunion stieg ein Land der westlichen Hemisphäre, nämlich die Vereinigten Staaten, zur einzigen und im Grunde ersten wirklichen Weltmacht auf“ (Brzezinski 1999, 15).

Dieser neue Charakter der einzigen übrig gebliebenen Supermacht ist nicht allein durch die besonderen historischen Qualitäten und die äußere Dimension der USA bestimmt, sondern auch durch den kapitalistischen Entwicklungsstand am Ende des 20. Jahrhunderts. Erst die mikroelektronische dritte industrielle Revolution, an der die Gegensupermacht Sowjetunion mangels Kapitalkraft gescheitert ist, hat überhaupt eine Weltmacht im buchstäblichen Sinne ermöglicht, also eine unmittelbare globale Zugriffsfähigkeit. Zwar erfordern großangelegte militärische Expeditionen weiterhin eine entsprechend weiträumige und aufwendige Logistik, aber diese wird durch eine weltumspannende Kommunikationstechnologie bedeutend erleichtert.

Mussten sich die alten europäischen Großmächte auf der Basis der klassischen Industrialisierung noch mit schwerfälligen und schwer kontrollierbaren militärischen Aufmärschen begnügen, die heute fast schon antik wirken (etwa mittels Schlachtschiffen und Panzerarmeen), so kann die Kriegsmaschine der USA inzwischen tatsächlich bis zu einem gewissen Grad als omnipräsent und universell einsetzbar gelten - allerdings nur auf der Ebene des Krieges zwischen regulären Armeen. Militärische Großexpeditionen wie in den beiden Weltordnungskriegen nach dem Untergang des Staatskapitalismus (gegen den Irak und gegen Restjugoslawien) werden dadurch nicht bloß vereinfacht, sondern auch durch vorher nie dagewesene Zugriffsfähigkeiten ergänzt. An die Stelle schwerfälliger Boden- oder Wasseroperationen (die allerdings nicht völlig überflüssig werden) können inzwischen sehr flexible, mikroelektronisch gesteuerte Luftschläge treten.

Zwar wurde schon Nazi-Deutschland zu einem erheblichen Grad durch die seit 1944 drückende Luftüberlegenheit der Alliierten und den Bombenhagel aus der Luft (Zerstörung der Kriegsindustrien, der Nachschubwege usw.) besiegt, auch wenn das keineswegs der einzige kriegsentscheidende Faktor war. Aber außerdem mussten die Luftflotten selber erst mühsam in den Radius der Einsatzzonen verschafft werden. War die Atlantiküberquerung im Flugzeug bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch ein Abenteuer, so kann die US-Luftwaffe heute von eigenem Territorium aus jeden beliebigen Ort der Welt in einer beispiellos kurzen Zeit erreichen. Gleichzeitig ermöglicht die ebenfalls mikroelektronisch gesteuerte Satellitenüberwachung vom Weltraum aus mit einem Auflösungsvermögen von großer Genauigkeit eine weiter gehende Kontrolle aller oberirdischen Bewegungen und Operationen auf dem Globus als jemals in der Vergangenheit. Im Verein mit der kontinentalen Dimension ihres Territoriums, der Kapitalkraft und der führenden Rolle in der Kommunikationstechnologie bedingen die konkurrenzlosen und ständig weiterentwickelten High-Tech-Waffensysteme der USA eine qualitativ neue Art der globalen Hegemonie in der kapitalistischen Staatenwelt.

Eine derartige Überlegenheit verführt leicht dazu, die Kontrollfähigkeit der US-Supermacht zu verabsolutieren und die tatsächliche Erweiterung der mikroelektronisch gestützten Zugriffsmöglichkeiten zu einem „elektronischen Waffenmythos“ zu überhöhen, obwohl die Fähigkeit zur unmittelbar globalen Operation keineswegs gleichbedeutend mit absoluter Kontrolle ist (was eine logische und praktische Unmöglichkeit wäre). Vor allem, und das ist hier schon festzuhalten, bezieht sich die politisch-militärische Hegemonie der USA eben nur auf die Welt der kapitalistischen Nationalstaaten und die dazugehörigen industriellen, gleichsam „fordistischen“ Armeen, also gewissermaßen auf die Makro-Ebene der internationalen kapitalistischen Verhältnisse. In dieser Hinsicht ist die Hightech-Armee der USA uneinholbar überlegen und kann demnach jeden größeren oder kleineren Krieg gegen jede beliebige Armee von einzelnen oder koalierenden Nationalstaaten dieser Welt gewinnen.

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