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Wie im Märkischen

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In Kriegsgefangen schildert der Kriegsjournalist auf Abwegen seinen Ausflug ins Jeanne-d’Arc-Land als entzückende Fahrt. Das lässt sich auch 150 Jahre später nachvollziehen. Malerisch führt die Straße durch kleine, stille Ortschaften und überquert hier und da die schmale Maas, die sich kurvenreich durch die Ebene schlängelt. Von rechts her traten mächtige Weingelände, in der Mitte des Abhangs mit hellleuchtenden Dörfern geschmückt, bis an die Straße heran; nach links hin dehnten sich Fruchtfelder, dahinter Bergzüge, oft in blauer Ferne verschwimmend. Zwei Orte und ein paar Berge weiter erinnert Fontane die Landschaft aufgrund frappanter Ähnlichkeit mit dem Nuthethal an seine märkische Heimat – und die Erzählweise an seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg.

Nach drei Stunden erreichte die Fahrgemeinschaft Vaucouleurs, ein[en] reizende[n] kleine[n] Ort, der sich am westlichen Ufer der Maas, etwa dreißig Kilometer von Toul, befindet. Für den Aufenthalt hatte der Kutscher zwei Stunden festgesetzt. Zeit genug, die alte Kapelle und das leidlich wohlerhaltene Schloss des ›Ritters Baudricour[t]‹, das die Stadt beherrscht, zu besuchen.[10] Tatsächlich wendete Fontane für das Besichtigungsprogramm weniger Zeit auf. Denn zunächst machte er Station im Hôtel de la Providence in der Rue de Jeanne d’Arc, um sein Handgepäck, eine Tasche und Lepels Trinkflasche, zu deponieren – und um zu frühstücken.[11] Gestärkt suchte er anschließend die geschichtsträchtigen Stätten auf. Wer allerdings in Kriegsgefangen eine Beschreibung erwartet, wird enttäuscht. Darüber zu berichten, erklärt der Autor, sei hier nicht der Ort.[12]



Das Schloss des Ritters auf der Crête des Berges: Porte de France in Vaucouleurs, Fontanes Skizze vom 5. Oktober 1870, Notizbuch D6


Eindrücke finden sich dagegen in Fontanes bisher nicht bekannten Notizen über Vaucouleurs. Die noch heute erhaltenen Sehenswürdigkeiten liegen – aufgezogen wie an einer Perlenkette – am Abhang eines Berges, dessen Fuß bis in das Stadtzentrum reicht: erst die Kirche, dann die Kapelle und ganz oben auf der Crête [Krone] des Berges das Schloss des Ritters. Um sie zu besichtigen, musste man damals wie heute unzählige Steinstufen erklimmen. Während die Kirche Saint-Laurent und die 1928 rekonstruierte Burgkapelle noch erhalten sind, existieren von der Burganlage nur noch Reste. Zu ihnen gehört die 1733 erneuerte Porte de France. Hier soll Jeanne d’Arc, nachdem sie von Burgherr Robert de Baudricourt mit sechs Begleitern ausgestattet sowie mit dem Ausspruch »Va, va et advienne que pourra« [»Geh, geh und komme, was will«] verabschiedet worden war, am 13. Februar 1429 aufgebrochen sein, um den französischen Thronerben aufzusuchen. Durch das Thor hindurch sieht man auf die Mauern und Dächer der Häuser [,] die weiter hinab am Abhang stehn, zwischen diesen Häusern und Dächern stehn Baumkronen und […] über diese hinaus ragt der spitze gothische Thurm der Stadtkirche.[13] Wachsen die Bäume nicht weiter in den Himmel, wird man auch künftig diesen Blick genießen können.



Auf der Krone des Berges: Burgkapelle und Porte de France in Vaucouleurs, 2020


Um zwölf Uhr ging es weiter nach Domrémy, circa zwanzig Kilometer südlich von Vaucouleurs. Kurz vor der Einfahrt in das Dorf erfährt Fontanes Beschreibung des Jeanne d’Arc-Landes eine romantische Steigerung: Durch die herbstlich klare Luft zogen Tausende von Sommerfäden, und auf meine neugierige Frage, welchen Namen diese weißen Fäden in Frankreich führten, antwortete der Kutscher, es seien die Haare der Heiligen Jungfrau. War es denkbar, formuliert Fontane beflügelt, unter glücklicherer Vorbedeutung in das Dorf der Jeanne d’Arc einzuziehen? Um dann abrupt zu konstatieren: Und doch täuschten alle diese Vorzeichen.



Ich machte meine Notizen: Geburtshaus der Jeanne d’Arc in Domrémy, Fontanes Skizze vom 5. Oktober 1870, Notizbuch D6

Fontanes Kriegsgefangenschaft

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