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Verhaftung

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Fontanes Urteil über das 1855 von Eugène Paul geschaffene Denkmal der Jeanne d’Arc war schnell gefällt: eine wohlgemeinte, aber schwache Arbeit. Als er dann mit seinem Stock an die Statue klopfte, um sich zu vergewissern, ob es Bronze oder gebrannter Ton sei, sah er eine Gruppe von Acht bis zwölf Männern, [] ziemlich eng geschlossen und untereinander flüsternd auf sich zukommen. Fontane stutzte, ließ sich in seiner Untersuchung aber nicht stören und fragte unbefangen, als sie heran waren, ob sie wüssten, aus welchem Material die Statue gemacht sei. Man antwortete ziemlich höflich, sie bestünde aus Bronze. Die Männer zeigten jedoch keinerlei Interesse, mit dem Fremden über kunsthistorische Fragen zu fachsimpeln. Stattdessen verlangten sie seine Papiere. Und weil es ihnen nicht gelang, sich darin zurechtzufinden, forderten sie Fontane auf, ihnen zur Überprüfung seiner Angaben in das Wirtshaus zu folgen.



Eine wohlgemeinte, aber schwache Arbeit: Statue der Jeanne d’Arc in Domrémy, 2020


Noch glaubte Fontane, die Situation im Griff zu haben. Die ganze Szene, so peinlich sie war, hatte nicht gerade viel Bedrohliches. Im Gegenteil: Nach dem Eintritt in das Café Jeanne d’Arc schien sie ein immer helleres Licht gewinnen zu wollen. Es wurden Wein und Reimser Biskuit herumgereicht und Fontane ergriff die Gelegenheit, den umstehenden, mehrheitlich angetrunkenen Dorfbewohnern, deren Zahl von Minute zu Minute wuchs, zu erklären, dass er sich auf einer Recherche-Tour für ein Buch über den noch andauernden Deutsch-Französischen Krieg befände und dass er heute eine spezielle[n] Exkursion nach Domremy, in den Geburtsort der französischen Nationalheldin Jeanne d’Arc, unternommen habe. Alles wurde wohlwollend aufgenommen.

Aber der kleine Lichtstrahl, der eben durchbrechen wollte, sollte bald wieder schwinden. Erst wurde die zuhörende Gesellschaft überrascht von einem poignard [Dolch], den ein junger Bauer aus Fontanes Stock zog, dann von seinem Revolver, der zum Vorschein kam, als Fontane aufgefordert wurde, seine Reisedecke auszuwickeln. Die Waffe ging von Hand zu Hand und wurde mit sehr verschiedenen Gefühlen betrachtet. Bevor die Stimmung ganz zu kippen drohte, wurde Fontane von einem Mann aus dem Kreise der Minorität, vermutlich einem Franctireur [französischem Freischärler][16], gefragt, ob er damit einverstanden sei, dass man ihn nach Neufchâteau auf die Souspräfektur [Bezirksverwaltungsbehörde] führte. Der Bedrängte musste lächeln; ebenso gut hätte man ihn fragen können, ob er damit einverstanden sei, gehängt zu werden.

Kaum hatte Fontane seine Einwilligung ausgesprochen, als man seinen Kutscher, der ihn übrigens, wie er ausdrücklich betont, nicht verraten hatte, antrieb, seinen Braunen wieder einzuspannen. Fontane bezahlte seine Zehrung bei der Wirtin, die ihn teilnahmsvoll ansah. Vor dem Wirtshaus bestiegen sie den Wagen: Rechts der Kutscher, links ein Franctireur, Fontane eingeklemmt zwischen beiden. Kurz darauf hatten sie Domrémy verlassen. Die Sonne war im Niedergang; der Abend klar und schön; so ging es auf Neufchâteau zu.[17] Offenbar war ihm in diesem Moment bewusst geworden, dass er seine Freiheit verloren hatte. Aber er ahnte noch nicht, in welcher Gefahr er tatsächlich schwebte. Erst rückblickend wird Fontane die Situation in seinem Tagebuch auf den Punkt bringen: Hier war das Todtschiessen nah.[18]

Fontanes Verhaftung vor dem Jeanne-d’-Arc-Denkmal könnte sich so abgespielt haben. Sie könnte aber auch anders verlaufen sein.

Fontanes Kriegsgefangenschaft

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