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Fontanes Rettungsformel

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Die Ankündigung, morgen werde über sein Schicksal entschieden, schoss Fontane immer wieder durch den Kopf. Eine furchtbare Angst ergriff ihn, und mit übergeschäftiger Phantasie fing er an zusammenzuaddieren, was gegen ihn sprach. Es gab eine hübsche Summe. Erstens hatte man Waffen bei ihm gefunden, zweitens hatte er – nach Auffassung der Franzosen unberechtigt – eine Rot-Kreuz-Armbinde getragen, die nur dem Sanitätspersonal erlaubt war. Und drittens sprachen seine Legitimationspapiere, die alle mehr oder weniger auf Anrufung der preußischen Militärautoritäten zu seinem Schutz hinausliefen, mehr gegen als für ihn. Wie federleicht wogen dagegen seine Notizbuchaufzeichnungen, die alles waren, was er direkt und unverzüglich zu seiner Verteidigung beibringen konnte! Fontane sah nur schwarze Kugeln in die Urne fallen und – mon sort fut décidé [mein Schicksal war entschieden].

Eine halbe Stunde oder vielleicht länger lag er da wie betäubt. Dann besiegte er die erneute Todesangst mit einem für ihn ungewöhnlichen Hilferuf: Ich war fertig mit allem und bat Gott, mich bei Kraft zu erhalten und mich nicht klein und verächtlich sterben zu lassen. Es spricht für den nicht streng gläubigen Fontane, dass er von seinem Flehen um göttlichen Beistand erzählt. Nach der Schilderung seines Gebets jedoch fährt er in seinem charakteristischen Plauderton fort: Genug davon. War es Erschöpfung, oder war es die Ruhe vollster Erregung, – ich schlief wieder ein.

Als Fontane im Morgengrauen erwachte, stand plötzlich für ihn fest, dass alles davon abhänge, einen wenigstens vorläufigen Beweis zu führen, dass er kein preußischer Offizier sei. Um vier Uhr begann er ein Memoire zu schreiben, mit dem er den Beweis seiner Nichtmilitärschaft bis zur Evidenz zu führen gedachte. Um Acht Uhr war er fertig und eine Stunde später lag sein Papier dem General vor. Fontanes Rettungsformel hieß nun: »Donnez-moi du temps et vous me donnez tout« [Geben Sie mir Zeit, und Sie geben mir alles].

Und sie schien zu wirken: Der Vormittag verging, der Nachmittag, der Abend. Die zivilen und militärischen Autoritäten waren nicht zusammengetreten, um mit dem Brigadegeneral über sein Schicksal zu entscheiden. Es fiel mir wie eine Last von der Brust, bekennt Fontane. Zur Beruhigung trug auch ein zappelmännischer Mr. Bourgaut bei, der ihm beim Servieren des Abendtees zuflüsterte, alles werde gut. Auch der nächste Tag, der 8. Oktober, verging ohne Kriegsgericht. Fontane durfte nun annehmen, gerettet zu sein. Er fühlte sich dem Leben wiedergegeben.[14]

Nicht in Kriegsgefangen, sondern in seinem Tagebuch spricht Fontane ohne poetischen Schleier aus, was in diesen zwei Tagen auf dem Spiel gestanden hatte: Man schleppte mich nach Neufchâteau und Langres. Hier war das Todtschiessen nah. Das Gewitter verzog sich aber wieder.[15] Es war jedoch tatsächlich nur eine Atempause. Denn die Entscheidung über sein Schicksal war nur aufgeschoben.

Fontanes Kriegsgefangenschaft

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