Читать книгу OHNE AUSWEG (Holly Lin) - Robert Swartwood - Страница 15
Kapitel 9
ОглавлениеDie Jungs sind sauer auf mich.
Scooter hat kein Wort mehr mit mir geredet, seit ich zur Garage zurückgekommen bin. Er beschäftigt sich damit, seine Computer einzupacken. Alle paar Sekunden schaut er mich mit heruntergezogenen Mundwinkeln an, während er auf seinem Kaugummi herumkaut.
Ich schätze, er braucht auch nichts sagen, das erledigt Nova schon. Er steht vor mir, hat die Arme verschränkt und sagt: »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?«
»Du meinst im Hotel? Da habe ich mir gedacht, dass ich ganz gern am Leben bleiben würde. Was interessiert dich das überhaupt, ich mache doch die ganze Drecksarbeit.«
»Um genau zu sein, nur dass du's weißt, dein kleiner Freund und ich hatten ein Problem. Einer von Rolands Männern hat vor der Tür der Garage auf uns gewartet.«
Ich verdrehe die Augen und schüttle den Kopf. »Verdammt, wie viele Handlanger hatte dieser Wichser?«
»Er ist mit gezogener Waffe auf uns losgestürmt. Das verdammte Ding war direkt auf meinen Kopf gerichtet!«
»Tja«, sage ich und verschränke die Arme, um Nova nachzuäffen, »da du gerade vor mir stehst und mir diese höchst fesselnde Geschichte erzählst, gehe ich davon aus, dass du es überlebt hast.«
»Aber gerade so. Der Ficker hat tatsächlich auf uns geschossen. Ich musste die Waffe wegschlagen, ihm auf den Kehlkopf hauen und ihm das Genick brechen.«
»Oooh, mein armes Baby. Musstest du dir also wirklich mal die Hände schmutzig machen?«
Nova, dessen Gesicht schon puterrot ist, öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Doch bevor er dazu kommt, schlägt Scooter mit den Händen auf den Tisch. Er dreht sich um und starrt uns wütend an. »Schluss mit der Scheiße«, sagt er. »Was passiert ist, ist passiert. Immerhin l-l-leben wir alle noch, und mehr kann man sich bei so einem Job nicht wünschen. Jetzt ist nur noch die Frage zu klären, die Nova und ich uns die letzte halbe Stunde gestellt haben. Wer zur H-H-Hölle ist diese Frau, und warum in aller W-W-Welt hast du sie hierhin eingeladen?«
Ich muss zugeben, Scooters Ausbruch überrascht mich. Es kommt äußerst selten vor, dass er die Stimme hebt. Normalerweise ist er immer gut drauf, reißt Witze, sieht das Positive und manchmal macht er sogar Witze über sein Stottern. Doch jetzt ist er wirklich giftig. Das Mädchen steht abseits in einer Ecke. Anscheinend hat sie bisher nicht ein Wort zu Nova oder Scooter gesagt. Sie hat sie nicht mal in ihre Nähe gelassen. Aber als ich ankam, ist sie gleich auf mich zugestürmt, hat mich umarmt und mir auf Spanisch zugeflüstert, wie froh sie ist, mich zu sehen. Als Nova dann auf mich zukam, ist sie in ihre Ecke abgehauen und dort geblieben.
»Und?«, hakt Scooter nach. Als ich ihn anschaue, fällt mir auf, dass sein Kiefer sich nicht bewegt – ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ihn nicht kauen sehe.
»Sie hat mein Leben gerettet. Ich musste mich revanchieren.«
»Das beantwortet nicht die Frage, Holly.« Nova hat immer noch die Arme verschränkt und schaut mich böse an. »Wer ist sie, und warum ist sie hier?«
»Sie ist eine Prostituierte«, sage ich.
»Kein Scheiß.«
»Aber ich glaube, sie ist keine normale Prostituierte.«
»Wie k-k-kommst du darauf?«, fragt Scooter. »Weil sie eine illegale Einwanderin ist?«
Ich ignoriere ihn und gehe an Nova vorbei auf das Mädchen zu. Ich reiche ihr meine Hand, lächle und sage ihr meinen Namen. Dann frage ich nach ihrem. Sie sagt, sie heiße Rosalina.
»Schön, dich kennenzulernen, Rosalina. Vielen Dank noch mal für deine Hilfe im Hotel.«
Sie zuckt mit den Schultern und schaut beschämt zur Seite.
Doch ich befrage sie weiter. »Rosalina, du hattest etwas von Männern und einer Ranch gesagt. Was hast du damit gemeint?«
Sie starrt immer noch an die Decke. Dann schüttelt sie den Kopf.
»Bitte«, sage ich. »Ich würde dir gern helfen. Aber dann musst du mir alles erzählen.«
Ihr Blick wandert herab und sie schaut mir in die Augen, während sich in ihren die Tränen sammeln. Ganz leise sagt sie: »Die werden mich töten, wenn ich rede.«
»Nein, das werden sie nicht. Das verspreche ich dir. Also bitte, erzähle mir alles.«
Und dann erzählt sie. Erst einmal nicht viel. Es ist vage und ich muss ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. Ihre Antworten sind sehr defensiv und überlegt. Doch je mehr ich frage, umso ausführlicher werden ihre Antworten.
Schon bald sprudelt es nur noch aus ihr heraus – sie erzählt mir alles, jedes furchtbare Detail. Dabei rudert sie mit den Armen und Tränen laufen ihr die Wangen hinunter. Dann verstummt sie. Sie hält sich die Hände vors Gesicht und fängt an, tief zu schluchzen.
Ich lege eine Hand auf ihre Schulter und sage, dass alles gut werden wird. Dann gehe ich zu Nova und Scooter, die inzwischen nebeneinanderstehen und mich gespannt mustern.
»Also, was ist los mit ihr?«, fragt Nova.
»Mit ihr ist los, dass sie eine von mindestens zwanzig Frauen ist, die in der Wüste gefangen halten werden.«
Scooter schüttelt bereits den Kopf, denn er weiß genau, wo die Reise hinführt. »D-d-denk nicht mal drüber nach! Unser Job hier ist erledigt. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.«
»Das kann ich aber nicht machen.«
»Holly …«, setzt Nova an, doch ich schneide ihm das Wort ab.
»Die Mädchen auf dieser Ranch kriegen fünf Prozent von dem, was sie einbringen. Sie werden dort gefangen gehalten, bis sie fünftausend Dollar zusammenhaben. Sie sind Sklavinnen. Ihr einziger Lebensinhalt ist, anschaffen zu gehen. Sie bumsen und blasen und meistens werden sie dabei auch noch verprügelt. Denn das ist anscheinend die Spezialität von diesem Laden: Sehr rauer Sex.«
Die beiden schweigen und starren mich an. Ich schaue über die Schulter und sehe Rosalina immer noch genauso, wie ich sie zurückgelassen habe – zusammengekauert und schluchzend. Jetzt, da ich Zeit habe, sie in Ruhe und bei besser Beleuchtung anzuschauen, wird mir klar, wie abgemagert sie ist. Das ist noch ein Thema, das sie angesprochen hatte: Die Frauen bekommen auf dieser Ranch kaum etwas zu essen, stattdessen werden sie drogenabhängig gemacht. Manchmal werden sie auch von ihren Peinigern geschlagen oder vergewaltigt, wenn denen gerade langweilig ist.
Als es sicher ist, dass keiner der Jungs mehr etwas sagen wird, schüttle ich angewidert den Kopf. »Ihr seid Feiglinge.«
Nova hat immer noch die Arme vor der Brust verschränkt, sein Gesichtsausdruck ist mitleidslos. »Holly, das ist nicht unser Problem. Wenn du die Polizei rufen willst, gern. Aber wir können uns da nicht reinziehen lassen.«
»Das sagst du öfter.«
»Ja, aber diesmal meine ich es auch so. Erinnerst du dich daran, was in Berlin passiert ist? Ich schon. Da wären wir beinahe alle bei einem deiner gottverdammten Kreuzzüge ums Leben gekommen!«
»Einem meiner gottverdammten Kreuzzüge«, wiederhole ich nickend. »Das ist nett, Nova. Vielen Dank dafür.«
»Holly«, sagt Scooter jetzt, inzwischen wieder mit normaler Stimme. »D-d-denk doch mal einen Moment nach. Nur einen einzigen Moment. Ich habe es schon mal gesagt und ich sage es nochmal: Du kannst nicht die ganze Welt retten. Das geht einfach nicht. Ja, dieses Mädchen tut mir leid – sie tun mir alle leid – und ja, diese Männer verdienen eine Strafe. Aber da muss sich die Polizei drum kümmern. Wir müssen von hier verschwinden.«
Ich starre die beiden eine kleine Ewigkeit lang an. Dabei denke ich natürlich an Rosalina, und an all die anderen Mädchen, die auf dieser Ranch sind. Aber ich denke auch an eine andere Frau, die ich mal kannte. Sie war eine richtige Freundin und ihr war etwas Schreckliches passiert, weswegen sie sich umgebracht hat. Ich sehe ihr Gesicht ganz deutlich vor mir. Ihren gequälten Blick, die sorgenvollen Augen. Bevor ich mich versehe, drehe ich den Jungs meinen Rücken zu.
»Tu es nicht«, sagt Nova und ich halte inne. »Holly, wenn du das durchziehst, dann musst du es allein machen. Es tut mir leid, aber wir beide werden dir nicht helfen. Das ist nicht unser Kampf.«
Ich warte einen Moment, einen kleinen Moment, dann gehe ich los, schnurstracks zu Rosalina, die ich fest im Blick behalte.
»Rosalina, diese Ranch … weißt du, wo genau sie sich in der Wüste befindet?«
Ihre Augen weichen wieder aus, diesmal wandern sie in Richtung Boden. Dort bleiben sie für eine Weile, bevor sie zu mir aufschauen. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und nickt dann langsam.
Ich strecke ihr meine Hand entgegen und lege sie auf ihren Arm. »Zeig mir, wo.«