Читать книгу OHNE AUSWEG (Holly Lin) - Robert Swartwood - Страница 18
Kapitel 12
ОглавлениеAuf der Fahrt hierher hat Rosalina mir erklärt, wie die Mädchen transportiert werden. Jede Nacht werden sie von Männern in SUVs in die Stadt gefahren. Normalerweise bleibt ein Aufpasser in der Nähe, damit sie während ihrer Einsätze nicht abhauen. Rosalina hat es einmal versucht, doch sie kam nicht weit und zur Strafe wurden ihr beide kleine Finger gebrochen.
Das sind jetzt also diese Fahrzeuge … zwei SUVs voller Bewaffneter und den Mädchen, die von ihren Einsätzen in dieser Nacht zurückkommen. Schon bald werden die Männer also herausfinden, was mit ihren Kollegen passiert ist. Dann werden sie wütend sein, um mal stark zu untertreiben. Sie werden verdammt nochmal ausflippen. Und ich stehe hier, gefangen in einem Gebäude mit über einem Dutzend unbewaffneter Frauen.
Ich mache das Licht wieder aus und schließe die Tür. Den Mädchen sage ich, dass sie wieder in ihre Betten gehen sollen. Manche fluchen, manche weinen. Ich erhebe die Stimme und spreche nachdrücklich Spanisch und Englisch – sie müssen sich beeilen und so tun, als wäre nichts vorgefallen.
Draußen haben die Fahrzeuge angehalten, die Motoren werden ausgeschaltet. Ich höre, wie sich Türen öffnen und Männer reden.
Meine Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, aber ich beeile mich und lege mich in ein freies Bett. Dann ziehe ich die Decke hoch, um das FN-15 zu verbergen. Sofort überkommt mich eine Welle übler Körpergerüche. Ich frage mich, wie oft die Mädchen überhaupt frische Bettwäsche bekommen.
Im Dunkeln fragt eines der Mädchen auf Spanisch: »Was machst du?«
»Ruhe!«, befehle ich.
Draußen knirschen Stiefel auf dem trockenen Untergrund. »Die werden dich töten«, sagt eines der anderen Mädchen.
»Psst!«, flüstere ich.
Ein Schlüssel gleitet ins Schloss. Nach einer kurzen Pause wird er wieder herausgezogen. Eine Stimme murmelt etwas, eine andere antwortet.
Ich schließe die Augen und atme einmal tief durch.
Der Türknauf dreht sich.
Ich atme noch einmal durch und umklammere das Gewehr.
Dann öffnet sich die Tür.
Eines der Mädchen schluchzt immer noch. Ich umklammere das Gewehr noch fester.
Jemand macht das Licht an. Ich muss die Augen zusammenkneifen und drehe meinen Kopf etwas zur Seite, wie es die anderen Mädchen auch tun. Die zurückkommenden Gefangenen kommen auf ihren Stilettos hereingestolpert, alle in freizügiger Kleidung. Eine von ihnen kaut Kaugummi, was mich kurz an Scooter denken lässt. In diesem Moment treffen sich unsere Blicke und sie bleibt wie angewurzelt stehen.
Nun treten zwei Männer ein. Sie tragen keine sichtbaren Waffen, doch ich bin sicher, dass sie welche dabeihaben. Einer von ihnen knurrt: »Gloria, geh in dein verdammtes Bett!«
Gloria starrt mich einen weiteren Moment an, dann geht sie weiter und auch das Kauen geht wieder los. Aber es ist schon zu spät. Die sechs anderen Mädchen haben mich auch gesehen und fragen sich, wer dieses neue Gesicht ist, warum ich hier bin, und was los ist.
Aber im Endeffekt ist das egal.
Denn in diesem Moment haben die Männer aus den Fahrzeugen das Wächterhaus erreicht. Geschrei geht los, zwei oder drei Männer brüllen, dass ein Angriff stattgefunden hat, und die beiden Männer vor mir greifen nach ihren Waffen.
Fuck. Ich muss mich an die Arbeit machen.
Ich werfe die Decke beiseite und springe auf, wobei ich das Gewehr in Anschlag bringe. Zuerst ziele ich auf den Kerl auf der linken Seite, da er schon seine Waffe zieht, aber mein Schuss verfehlt ihn knapp. Er duckt sich zur Seite und hebt seine Pistole, doch dann überlegt er es sich anders und flüchtet zur Tür hinaus. Seinen Kumpel, der vor Panik den Verschluss seines Holsters nicht aufkriegt, lässt er im Stich.
Ich stürme nach vorn, wobei ich mich zwischen den Mädchen hindurchwinden muss, die kreischend hin und her rennen. Das Gewehr halte ich auf den Kerl gerichtet, denn meine Hoffnung ist, ihn als menschlichen Schutzschild verwenden zu können. Doch dann hat er seine Pistole freibekommen und ich habe keine andere Wahl, als ihm drei Kugeln in die Brust zu jagen. Die Zuckungen seines Körpers erinnern an einen manischen Tanz, dann liegt er leblos auf dem Boden. Ich springe über die Leiche und presse mich an die Wand neben der Tür, um nach draußen zu spähen.
Sofort feuern die Kerle auf mich und Kugeln schlagen in die Backsteine. Ein Splitter davon trifft mich im Gesicht und hinterlässt einen tiefen Kratzer ich meiner Wange. Ich muss mich einen Moment wegdrehen, bevor ich wieder nach draußen schaue. In der Dunkelheit sehe ich, wie die Kerle sich überall verteilt haben. Einer von ihnen schreit auf Spanisch: »Lasst die Waffen fallen und kommt mit erhobenen Händen raus«, als wäre er ein verdammter Cop.
Ich drücke mich fest an die Wand und werfe einen Blick auf die Mädchen, von denen sich die meisten neben ihren Betten auf den Boden gelegt haben. Draußen herrscht Stille. Dann höre ich die Männer vor sich hinmurmeln. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen, aber die Richtung ist klar – sie wissen, dass ich nicht freiwillig herauskommen werde. Also erhebt der Möchtegern-Polizist seine Stimme, oder wer weiß, vielleicht ist er ja ein Polizist.
»Ihr Mädels da drin«, brüllt er, »wenn ihr es schafft, diese Schlampe nach draußen zu bringen, lassen wir euch frei!«
Ich schaue in Richtung der Girls. In ihren Augen sehe ich überall den gleichen Gedanken aufflammen. Es ist die Aussicht auf eine Freiheit, die sie vor einer Stunde noch für unmöglich gehalten hätten.
Doch eine von ihnen – sie musste heute Nacht anschaffen und trägt immer noch ihr Kleidchen und die Absatzschuhe – steht auf.
»Julio«, ruft sie, »versprichst du das?«
Ich fange an, den Kopf zu schütteln.
»Ja, ich gebe euch mein Wort«, antwortet Julio. »Schafft diese verdammte Fotze nach draußen und ihr seid frei. Jede, die mithilft, ist frei.«
Das Mädchen setzt sich schon in Bewegung, bevor Julio ausgesprochen hat. Zwei andere entschließen sich dazu, ihr zu folgen.
»Stop!«, rufe ich und richte das Gewehr auf sie. Die zwei Nachzüglerinnen bleiben stehen, aber ihre Anführerin läuft weiter. Sie hat jahrelang als Sklavin gelebt und sieht nun ihre Chance auf Freiheit – egal wie falsch es ist, sie will sie ergreifen.
Ihr Gesicht ist rot und die Pupillen riesig, sie hat irgendwas genommen, und sie ist nur noch fünf Meter von mir entfernt, dann nur noch einen, und natürlich werde ich nicht auf sie schießen, das wird sie wohl wissen. Trotzdem werde ich mich nicht so einfach den Wölfen zum Fraß vorwerfen lassen.
Als sie nur noch einen halben Meter entfernt ist, senke ich das Gewehr, drehe es um und ramme ihr die Schulterstütze in den Magen. Das nimmt ihr den Wind aus den Segeln. Sie fällt japsend zu Boden, doch die beiden anderen Frauen stürzen sich schreiend auf mich.
Ich habe keine Chance.
Bevor ich überhaupt mitkriege, was los ist, zerren sie an dem Gewehr und an meiner Pistole. Die Männer haben mitbekommen, was los ist, und stürmen herein. Sie schubsen die Mädchen zur Seite und packen mich. Obwohl ich schlage und trete und beiße, zerren sie mich nach draußen und werfen mich in den Dreck.
Einer tritt mir in die Rippen, ein anderer in den Hintern.
Dann treten die Männer einen Schritt zurück und bilden einen Kreis. Alle haben eine Pistole auf mich gerichtet und die Hand auf dem Abzug.