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Kapitel 10

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Nachdem der Lincoln zum Stehen gekommen ist, stelle ich die Automatikschaltung auf Parken und stelle den Motor ab. Dann schaue ich Rosalina an. Sie schaut mich an. Nach einer kurzen Pause nickt sie und deutet durch die Windschutzscheibe auf die felsigen Hügel vor uns.

»Da«, sagt sie. »Es ist da drüben.«

Rosalina hat mich eine Straße hinuntergeführt, die in einem Privatweg mündet, der bis zur Ranch geht. Nach meinen Schätzungen muss sie vom Highway entfernt etwa eine halbe Meile nach Norden liegen. Irgendwo auf dem Weg habe ich die Scheinwerfer ausgeschaltet und es vermieden, auf die Bremse zu treten. Stattdessen sind wir eine Viertelmeile abseits der Straße über Sand und Felsen gerollt. Nun sind wir in Dunkelheit gehüllt und auch vom Highway aus wird man uns nicht sehen. Der Mond ist voll, die Sterne leuchten, und Rosalina hat mir gerade bestätigt, was ich sowieso schon weiß.

»Warte hier«, sage ich.

Die Innenbeleuchtung habe ich bereits abgeschaltet, sodass alles dunkel bleibt, als ich aussteige. Ich öffne die hintere Tür und nehme die Sporttasche heraus, die die Jungs mir zusammengestellt haben. Sie sind zwar Feiglinge, aber wenigstens keine kompletten Arschlöcher, deswegen haben sie mich gut ausgestattet.

Die Schulmädchenuniform habe ich ausgezogen, stattdessen trage ich jetzt Jeans und ein T-Shirt. Die einzige Waffe, die ich momentan am Körper trage, ist eine Kimber 9 Nightfall, die ich mir an den Fußknöchel gebunden habe. Die anderen beiden Waffen ziehe ich jetzt aus der Sporttasche. Eine 9mm SIG Sauer P226 Nitron und ein FN-15 Patrouillengewehr.

Rosalina öffnet die Beifahrertür und steigt langsam aus dem Wagen. Trotz der Umstände trägt sie immer noch ihre Highheels, die in der vollkommenen Stille laut im Sand knirschen.

»Willst du wirklich allein gehen?«

Ich lege die P226 auf das Autodach, um das Gewehr zu kontrollieren. Ich nehme das Magazin raus, überprüfe, dass alles stimmt, und lege es wieder ein.

»Diese Typen sind extrem brutal«, sagt sie. »Die werden dich töten!«

Ich ziehe den Riemen der FN-15 über meine Schulter, schnappe mir die Pistole, checke das Magazin und lade sie dann durch. Dann nehme ich ein passendes Holster aus der Sporttasche und befestige es an meinem Gürtel.

Rosalina lässt nicht locker: »Warum tust du das?«

Ich bin überrascht. Klar, Nova und Scooter haben mich dasselbe gefragt, aber warum fragt mich eine illegale Einwanderin, die zur Prostitution gezwungen wird, warum ich versuche, sie zu retten?

Bevor ich antworten kann, fährt sie fort: »Du bist also ein Killer, ja? Ein … Auftragsmörder?«

Ehrlich gesagt, wenn Leute mich fragen, was ich beruflich mache, antworte ich, dass ich ein Kindermädchen bin. Ich passe auf zwei Kinder auf, einen Jungen und ein Mädchen, von denen ich manchmal wünschte, dass es meine eigenen wären – aber manchmal wünschte ich auch, dass sie einfach die Klappe halten und sich benehmen würden.

Das Leute-Töten, die geheimen Regierungsaufträge, die mache ich eher so nebenbei und behalte das für mich.

»Möchtest du nicht, dass ich diese Männer töte, Rosalina?«

Sie denkt einen Moment darüber nach, hebt ihren Daumen zum Mund und beißt auf den Nagel. Schließlich schüttelt sie den Kopf.

»Diese Männer«, sagt sie, »sind böse, wirklich unglaublich böse. Aber …«

»Aber?«

»Aber wir Frauen, wir sind alle illegal hierhergekommen. Was wird dann aus uns?«

Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen riesigen Korkenzieher in den Bauch gerammt und würde ihn jetzt weiter und weiter drehen. Hier ist ein Mädchen, das jünger ist als ich, aber zehn Jahre älter aussieht, die in ein Leben der Prostitution gezwungen wurde, bei der sie regelmäßig verprügelt wird – doch das ist ihr lieber, als nach Hause geschickt zu werden.

»Glaubst du, du wirst zurückgeschickt?«

Rosalina lacht leise, auf eine zynische Art. »Jeder in diesem Land hasst Leute wie mich. Wir sind … weniger wert als andere Menschen. Wir sind Abfall. Die werden mich zurückschicken, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken oder Mitleid zu haben.«

»Aber wärst du nicht lieber wieder in deinem Land? Hast du keine Familie dort?«

»Doch, meinen Mann und meine Kinder.«

Rosalina sieht meinen Gesichtsausdruck und schüttelt schnell den Kopf. »Nein, nein, du kannst mir glauben, ich liebe und vermisse meine Familie – mehr als alles andere auf der Welt. Wir sind vor vier Jahren hierhergekommen, zusammen mit einem Dutzend anderer. Aber dann kam die Polizei und hat meinen Mann und die Kinder und die meisten anderen abgeschoben. Es waren nur ein paar von uns übrig, alles Frauen, und wir hatten nichts – kein Geld, kein Zuhause, nichts.«

»Ich verstehe es immer noch nicht. Warum willst du dann nicht zurück?«

»Weil … weil das hier Amerika ist.« Sie sagt das, als wäre es das Natürlichste der Welt und ein gewisses Feuer flammt in ihren Augen auf. »Das Land von Reichtum und Freiheit. Natürlich muss man dafür arbeiten, doch sobald ich genug Geld habe, werde ich meinen Mann und die Kinder nachholen.«

Ich verstehe langsam, wo die Reise hingeht, und frage: »Rosalina, wie viel Geld hast du verdient, seit du auf der Ranch bist?«

Sie schaut weg und rechnet im Kopf zusammen. »Fast sechshundert Dollar.«

»Das heißt also, dir fehlen noch viertausendvierhundert Dollar zur Freiheit!«

Sie nickt, diesmal langsam, und das Licht in ihren Augen wird etwas schwächer.

Ich sage ihr nicht das Offensichtliche, denn sie muss es längst selbst wissen, auch wenn sie sich selbst etwas vorlügt. Sie starrt mich einfach an und ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. »Ich kann nicht mit leeren Händen zurückkommen.«

Ich greife wieder in die Sporttasche und hole das letzte Spielzeug raus, das Scooter mir mitgegeben hat. Es ist ein Nachtsicht-Zielfernrohr, das ich mir in die Hosentasche stopfe. Dann mache ich leise die Autotür zu und umrunde den Wagen, wobei ich Augenkontakt mit Rosalina halte. Als ich sie erreiche, lege ich ihr meine Hand auf die Schulter und bitte sie noch einmal, mir alles über die Ranch zu sagen, was sie weiß.

Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und schüttelt langsam den Kopf. »Bitte, erkläre es mir – warum machst du das?«

Ich denke an die Frau, die ich mal kannte – die mich ihre Freundin nannte, und sage zu Rosalina: »Weil niemand anderes es tun wird.«

OHNE AUSWEG (Holly Lin)

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